Die Präfektin und ihr Kardinal – ein neues Amt gibt Rätsel auf
Am Montag fand sich im täglichen Pressebriefing des Vatikans in Gestalt weniger knapper Zeilen in der Rubrik "Rinunce e nomine", "Rücktritte und Ernennungen", eine kleine Sensation: Mit Schwester Simona Brambilla wurde erstmals eine Frau Präfektin, also Leiterin, eines vatikanischen Dikasteriums. Die Consolata-Missionsschwester leitet künftig das Dikasterium für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens. Zusammen mit Brambilla wurde aber noch eine zweite Personalie mitgeteilt: Zum Pro-Präfekten des Ordensdikasteriums wurde Kardinal Ángel Fernández Artime ernannt, der bis vor kurzem Generaloberer der Salesianer Don Boscos war.
Die Selbstverständlichkeit, mit der Fernández zum Pro-Präfekten ernannt wurde, kann täuschen: Denn was ein Pro-Präfekt eigentlich ist, wo er in der Hierarchie des Dikasteriums einzuordnen ist und was seine Aufgaben sind, ist nirgends definiert. Pro-Präfekten gibt es bisher nur im Dikasterium für die Evangelisierung, dessen Leitung sich Papst Franziskus selbst vorbehalten hat. Die beiden Abteilungen des Dikasteriums werden von je einem Pro-Präfekten geleitet, die damit faktisch die Aufgaben haben, die Präfekten in anderen Dikasterien haben. Früher wurde die Vorsilbe "Pro-" verwendet, wenn ein Präfekt bei der Ernennung noch kein Kardinal war; Angelo Sodano etwa war nach seiner Ernennung im Dezember 1990 zunächst Pro-Staatssekretär, bis ihn Johannes Paul II. im Jahr darauf zum Kardinal erhob und er den Titel Kardinalstaatssekretär führte.
Wie die Führungsebene einer Kurienbehörde aussieht, kann man eigentlich schwarz auf weiß im Gesetz nachlesen: Eine kuriale Einrichtung wird von einem Präfekten oder einem Gleichgestellten geleitet, der sie leitet und vertritt, ein Sekretär unterstützt mit einem oder mehreren Untersekretären den Präfekten bei der Leitung. So steht es in der Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium, mit der Papst Franziskus 2022 die Ordnung der Kurie reformiert hat, der Sache nach unverändert im Vergleich zur Kurienordnung Pastor Bonus, die Papst Johannes Paul II. 1988 in Kraft gesetzt hatte.
Die geltende Kurienordnung selbst nennt die Möglichkeit von Abweichungen von der üblichen Struktur, und zwar "aufgrund ihrer besonderen Natur oder eines speziellen Gesetzes". Ein spezielles Gesetz zur Umschreibung der Leitungsstruktur des Ordensdikasteriums wurde bislang nicht verkündet. Damit bleiben zwei Möglichkeiten: Dass eine Frau und damit eine Laiin an der Spitze eines Dikasteriums steht, ist – zumindest beim Ordensdikasterium – ein Sachverhalt, der eine besondere Natur begründet, oder aber: Der Papst hat völlig frei entschieden. Von der Kurienordnung kann der Papst nämlich beliebig abweichen – der Papst selbst ist nicht an seine Gesetze gebunden und kann jederzeit tun, was ihm passend erscheint, zum Beispiel neue Titel ohne formale Rechtsgrundlage vergeben.
Eine Frage der Ehre?
Die Deutung, dass Fernández in der üblichen Terminologie Sekretär des Ordensdikasteriums ist, aber der Papst den Kardinal nicht durch diesen niederen Titel brüskieren wollte, wäre also denkbar. Dann aber stellt sich die Frage, warum Franziskus Fernández im vergangenen Jahr überhaupt zum Kardinal erhoben hat – hätte er ihn lediglich zum Sekretär berufen und, wie für Priester auf diesem Posten üblich, aber nicht zwingend, zum Bischof geweiht, hätte alles seinen üblichen Gang nehmen können. Es stellte sich dann aber auch die Frage, warum im Ordensdikasterium für die Nr. 2 der Titel eines Sekretärs problematisch sein soll, wenn im Entwicklungsdikasterium mit Fabio Baggio ein Kardinal sogar als Untersekretär dient. (Baggio wurde allerdings erst im Konsistorium im Dezember zum Kardinal erhoben, möglicherweise steht hier auch eine Versetzung an.)
Wahrscheinlicher als Fragen der Etikette ist daher, dass für das Amt eines Pro-Präfekten ein Grund besteht, der in der Natur der Sache liegt. Die Kurienordnung selbst gibt dafür kaum Anhaltspunkte, und tatsächlich wurde genau die Frage, welche Konsequenzen die Öffnung von kurialen Leitungsämtern für Laien hat, seit ihrer Veröffentlichung kontrovers diskutiert.
Dass Laien und damit Frauen die Leitung von Vatikan-Behörden übernehmen können, ist nämlich eine Neuerung von Praedicate Evangelium. Bis jetzt blieb dieser Aspekt weitgehend theoretisch. Zwar gab es mit Paolo Ruffini als Präfekten des Kommunikationsdikasteriums schont seit 2018 einen Laien als Präfekten – der allerdings leitete ein verhältnismäßig "weltliches" Dikasterium. Die Öffentlichkeitsarbeit des Heiligen Stuhls zu koordinieren hat eher keine Überschneidungen mit klassischem, dem geweihten Amt vorbehaltenen Leitungshandeln.
Das Kommunikationsdikasterium konnte bis Praedicate Evangelium als Ausnahme gesehen werden; mit der Institutionalisierung der Öffnung wird die Ausnahme aber zur generellen Möglichkeit. Diese Institutionalisierung ist reichlich kompakt gehalten: Der eigentlichen Kurienordnung stellte der Papst zwölf Grundsätze und Kriterien für den Dienst an der römischen Kurie voran. Grundsatz Nr. 5 stellte fest, dass jede Einrichtung der Kurie ihren Dienst kraft der vom Papst verliehenen Vollmacht stellvertretend für den Papst versieht: "Aus diesem Grund kann jeder Gläubige einem Dikasterium oder einem Organ abhängig von deren besonderer Zuständigkeit, Leitungsgewalt und Aufgabe vorstehen." Weiter ausgeführt wurde das nicht.
Die Kurie als Werkzeug des Papstes
Zunächst öffnet die Kurienordnung den Interpretationsrahmen sehr weit: Die Kurie wird als reines Instrument, als Werkzeug des Papstes verstanden. Alles, was die Kurie tut, tut sie im Namen und im Auftrag des Papstes. Für diese rein ausführende Gewalt braucht es nach dieser Auslegung im Extremfall gar keine aus der Weihe resultierenden Vollmachten mehr, die umfassende Gewalt des Papstes genügt. Einen Fürsprecher hat diese Position in dem Kirchenrechtler Gianfranco Ghirlanda. Der Jesuit gilt als Vertrauter von Papst Franziskus und wurde 2022 zum Kardinal erhoben. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung von Praedicate Evangelium saß er auf dem Podium und interpretierte den neuen Grundsatz sehr grundsätzlich: Leitungsfunktionen an der Kurie hängen für ihn nicht von der hierarchischen Stellung der Leitungsperson ab, sondern von dem vom Papst verliehenen Mandat, in dessen Namen zu handeln. "Das bestätigt, dass die Leitungsgewalt in der Kirche nicht aus dem Sakrament der heiligen Weihe, sondern aus der kanonischen Mission" hervorgehe, betonte Ghirlanda, der allerdings auch noch offene Fragen sah, wie das in der Praxis aussehen kann.
Eine derartige weite Auslegung wäre eine deutliche Abkehr von der Position der Einheit der "sacra potestas", der Einheit von Leitungs- und Weihegewalt, die für das Zweite Vatikanische Konzil (1962–65) stark gemacht wurde. Papst Franziskus hätte damit einen Weg noch radikalisiert, den Papst Johannes Paul II. 1983 mit der Inkraftsetzung des neuen kirchlichen Gesetzbuchs schon eingeschlagen hatte – schon im Kirchenrecht von 1983 wurde die Einheit von Weihe- und Leitungsgewalt nicht mehr so streng geregelt wie vom Zweiten Vatikanum vorgedacht; klar blieb allerdings im bis heute geltenden c. 129 CIC, dass zur Übernahme von Leitungsgewalt diejenigen befähigt sind, "die die heilige Weihe empfangen haben". Laien können an der Leitungsgewalt lediglich "mitwirken" – was allerdings Mitwirkung genau umfasst, wird nicht ausgeführt und ist seit 1983 eine der Kontroversen in der Frage, welche Kompetenzen Laien übertragen werden können. Wenig hilfreich ist auch eine andere Festlegung des Kirchenrechts, dass nur Kleriker Ämter erhalten können, "zu deren Ausübung Weihegewalt oder kirchliche Leitungsgewalt erforderlich ist" (c. 274 § 1 CIC) – denn es ist ja gerade fraglich, ob und für welche kurialen Ämter Weihe- und Leitungsgewalt erforderlich sind.
Folgte man Ghirlandas Position in aller Konsequenz, könnte eine Frau ohne Probleme jedes Dikasterium führen, ohne dass man die übliche Leitungsstruktur mit Rücksicht auf Weihen modifizieren müsste. Außer Acht bleibt dabei aber die Einschränkung zum Grundprinzip, dass alle Gläubige Leitungsfunktionen in Kurienbehörden wahrnehmen können: Sie können das "abhängig von deren besonderer Zuständigkeit, Leitungsgewalt und Aufgabe". Die Kurienordnung selbst scheint also keine absolute Freigabe aller Ämter für Laien zu kennen, sondern eine bedingte, freilich ohne die Bedingungen bei den einzelnen Dikasterien auszubuchstabieren: Müssen der Glaubenspräfekt und sein Sekretär für die Disziplinarsektion die Weihegewalt haben, weil das Glaubensdikasterium bei schweren Straftaten die Rolle der zuständigen Gerichtsbehörde übernimmt und nur Kleriker Richter in Strafsachen sein dürfen? Liegt es in der Natur der Sache, dass die besondere Zuständigkeit von Klerus- oder Bischofsdikasterium für Klerus und Bischöfe geweihte Leitungen nötig macht? Braucht es aufgrund der Zuständigkeit für spezielle Teilkirchen die Bischofsweihe, um dem Evangelisierungsdikasterium oder dem Dikasterium für die Ostkirchen vorzustehen? Bleiben für Laienpräfekten möglicherweise nur noch die Dikasterien, die einen inhaltlichen statt einen Kirchenleitungsfokus haben wie Kommunikation und Entwicklung?
Ironie der Kirchengeschichte
Die Bezeichnung von Fernández als "Pro-Präfekt" scheint aus dieser Perspektive eine Abkehr von Ghirlandas Position darzustellen. Die Ernennung einer Frau zur Präfektin scheint ein Fall zu sein, in dem eine Änderung der üblichen Leitungsstruktur aus der Natur der Sache herrührt, und ein Beispiel dafür, wie die Einschränkung der Öffnung der Leitungsfunktionen für alle Gläubigen in der Praxis geregelt werden kann. Es scheint wahrscheinlich, dass Fernández’ Rolle als Pro-Präfekt neben den üblichen Aufgaben eines Sekretärs all die Funktionen beinhaltet, die der Weihegewalt bedürfen. Verhielte es sich so, käme eine neue Ironie der Geschichte dazu: So wie die Abkehr vom Erfordernis der Weihe für Leitungsfunktionen eine zumindest teilweise Abkehr von der Sacra-potestas-Lehre des Zweiten Vatikanums ist, erinnert die Bestellung eines geweihten Stellvertreters zur Ausübung von an die Weihe geknüpften Handlungen an die mittelalterlichen Bischofselekten, die als Laien zwar Inhaber eines Bischofsstuhls waren, zur Amtsausübung aber auf Weihbischöfe angewiesen waren.
Welche an die Weihe geknüpften Handlungen bei einer Präfektin ersetzt werden müssen, ist allerdings unklar. Die Bischofsweihe braucht es streng genommen nur für zwei klar abgegrenzte Dinge: Die Zugehörigkeit zum Kollegium der Bischöfe und die Fähigkeit, gültig Weihen zu spenden, dazu verleiht sie allgemein eine Hinordnung auf die hoheitliche Leitungsgewalt. In die Zuständigkeit des Ordensdikasteriums fallen unter anderem Entlassungen aus Orden, Entlassungen von Ordensleuten aus dem Klerikerstand, die Errichtung von Orden päpstlichen Rechts und die Aufhebung aller Orden, auch solcher diözesanen Rechts. Sind das Hoheitsakte, die die Weihegewalt erfordern, möglicherweise in ihrer Vollform der Bischofsweihe? Oder sind das Hoheitsakte, die gemäß Ghirlandas Volldelegationstheorie auch die Präfektin in Ausübung des päpstlichen Mandats ausführen könnte? Für die Leitung von Orden braucht es jedenfalls keine Weihe, wie Papst Franziskus im Jahr der Kurienreform verfügt hat, als er dem Ordensdikasterium die Vollmacht gab, klerikalen Orden die Erlaubnis zu erteilen, dass auch nicht geweihte Ordensmitglieder die Leitung des Ordens übernehmen können.
Eine klare Antwort auf diese Fragen dürfte sich erst ergeben, wenn die Rolle des Pro-Präfekten auch in Rechtsform und nicht nur durch die Schaffung des Titels durch Ernennung definiert ist. Es spricht jedenfalls viel dafür, dass der Titel des Pro-Präfekten nicht klerikalen Eitelkeiten dienen soll, sondern dass ihm Überlegungen zugrundeliegen, die doch eine stärkere Rolle für die Weihegewalt in der Leitung der Kurienbehörden sehen, als es zunächst schien und Kirchenrechtler mit der neuen Kurienkonstitution schon Generalvikarinnen am Horizont erahnten: Alle Leitungsfunktionen scheinen doch nicht an Laien delegierbar zu sein, und erst recht nicht jeder synodale Blütentraum kann durch eine Präfektin beflügelt werden.