Kritikerin wirft Unternehmer Größenwahn und Selbstdarstellung vor

Bei Kirchenrenovierung: Geldgeber lässt sich als Apostel porträtieren

Veröffentlicht am 09.01.2025 um 16:20 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Latre ‐ Weil er die Renovierung der Kirche seines Heimatdorfes finanziert hat, konnte ein Unternehmer in Spanien Einfluss auf die Gestaltung nehmen – und ließ sich auf einem Fresko als Apostel Matthias abbilden. Das führte zu zahlreicher Kritik.

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In Spanien hat es in den vergangenen Jahren immer wieder missglückte Restaurierungen von Heiligenfiguren und Kirchen gegeben. Das bekannteste Beispiel für einen solchen Fall ist sicher das Jesus-Fresko im Ort Borja in der Nähe der spanischen Stadt Zaragossa: Eine damals 80-jährige Amateurin hatte 2012 das Wandbild aus dem 19. Jahrhundert ausbessern wollen, die Jesus-Darstellung jedoch derart verändert, dass sie entsprechend ihrem neuen Aussehen von vielen als Affe oder Igel bezeichnet wurde. Der Igel-Jesus machte damals international Schlagzeilen. Ähnliche "Verschönerungen" fanden in den vergangenen Jahren immer wieder in Spanien statt, etwa die Restaurierung mehrerer Heiligenstatuen mit Lippenstift und Eyeliner 2018 oder ein Jahr später die Entstellung einer jahrhundertealten Holzfigur des heiligen Georg. Nun reiht sich eine verunglückte Kirchenrenovierung in diese Reihe ein.

Im kleinen Ort Latre im nordspanischen Aragonien hat sich ein von dort stammender Unternehmer im Zuge der von ihm finanzierten Renovierung der Pfarrkirche selbst ein Denkmal gesetzt, wie örtliche Medien am Mittwoch berichteten. Der Immobilienunternehmer Eduardo Lacasta ließ sich in dem Gotteshaus aus dem 12. Jahrhundert als Apostel Matthias porträtieren (siehe Foto oben). Dabei handelt es sich nicht um einen Zufall, denn Lacasta ist in dem Fresko eindeutig erkennbar. Auch wenn die Renovierung der romanischen Kirche bereits im Sommer vergangenen Jahres stattfand, wurde die Darstellung des Unternehmers erst jetzt einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Auslöser für die aktuelle Berichterstattung ist ein Brief einer Kunsthistorikerin, die sich anonym an die für die Region zuständige Redaktion des spanischen Radiosenders "SER" gewandt hatte.

Bistum hat "strikte Vorgaben" bei Kirchenrenovierungen

In ihrem Schreiben bezeichnete die Autorin den Geldgeber für die Renovierung als "größenwahnsinnig" und warf ihm "Selbstdarstellertum" vor. Außerdem kritisierte die Autorin, dass Lacasta mit seinen Vorgaben für die Restaurierung "weder die Farben noch die Techniken oder die angemessenen Materialien" mit Blick auf die historische Gestaltung der Kirche respektiert habe. "Die zukünftigen Generationen haben ein Recht darauf, ein authentisches Erbe zu erhalten und nicht ein von den übertriebenen Launen eines Anwohners verändertes Werk." Die Diözese Jaca, zu der die Kirche San Miguel gehört, gab an, von der Restaurierung und insbesondere der Darstellung des Mäzen Lacasta in der Kirche nichts gewusst zu haben. Es gebe "strikte Vorgaben", die bei Renovierungen von Kirchengebäuden eingehalten werde müssten, sagte der diözesane Beauftragte für Denkmalschutz, Jesús Lizalde, auf Anfrage von "SER".

San Miguel in Latre
Bild: ©Wikipedia Gemeinfrei/Willtron

Die Pfarrkirche San Miguel in Latre, einem Ortsteil der spanischen Gemeinde Caldearenas in Aragonien, wurde Anfang des 12. Jahrhunderts erbaut.

Lizalde gab an, sich Ende Dezember mit Lacasta in Latre getroffen zu haben: Der Unternehmer sei ein "enthusiastischer Gläubiger", der sich seiner Handlungen nicht bewusst gewesen sei, so der Bistumsmitarbeiter. "Er hat gemerkt, dass er Mist gebaut hat und um Verzeihung gebeten." Wie die Diözese nun mit der Darstellung des Apostels Matthias umgehen werde, hänge von der staatlichen Denkmalschutzbehörde ab. Denn die Kirche gehört zu einem touristischen Verbund von bedeutenden romanischen Gotteshäusern der Region, der "Route der Kirchen des Serrablo". Der Verbund verurteilte die selbstdarstellerische Aktion Lacastas – ebenso wie der Vorsteher der Kommune Caldearenas, zu der Latre gehört. "Wir standen mit offenen Mündern da, als wir sein Gesicht dort gesehen haben. Er hat sich als einen Heiligen gemalt", so Bürgermeister Primitivo Grasa.

Verurteilter Straftäter ist Liebhaber religiöser Kunst

Die Kritik an Lacastas Einfluss auf die Kirchenrenovierung ist nicht nur dem Grund geschuldet, dass ein reicher Einwohner seine künstlerischen Vorstellungen bei den von ihm finanzierten Arbeiten durchsetzen konnte. Denn Mäzenatentum hat bei der Erbauung sowie Instandhaltung von Gotteshäusern oder religiösen Kunstwerken durchaus eine lange Tradition – ebenso wie die gelegentliche Darstellung der großzügigen Auftraggeber, etwa als Heilige. Vielmehr erlangte Lacasta in den vergangenen Jahren vor allem als Straftäter größere Bekanntheit.

2020 wurde der Immobilienunternehmer zu insgesamt sechs Jahren Gefängnis verurteilt, weil er staatliche Einrichtungen der Region Aragonien um 45 Millionen Euro betrogen hatte. Ein Geflecht von mehr als 50 Einzelfirmen hatte Lacasta es ermöglicht, die zur Unterstützung von Bauvorhaben gedachten Gelder unbemerkt in die eigene Tasche zu verschieben. Der verurteilte Straftäter wurde nach drei Monaten aus der Haft entlassen, weil keine der drei Strafen über einem Maß von zwei Jahren lag. Bereits 2013 war der Unternehmer aber schon in Konflikt mit den Ermittlungsbehörden geraten, weil er über zehn Millionen Euro Steuerschulden angesammelt hatte. Bei einer Hausdurchsuchung stellte die Polizei damals fest, dass Lacasta offensichtlich ein Liebhaber religiöser Kunst ist: Mehrere wertvolle Kelche und Gemälde mit Heiligendarstellungen wurden in seinem Haus gefunden. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Verurteilte nun geläutert hat und mit der Finanzierung der Kirchenrenovierung in seinem Heimatdorf vielleicht seine Schuld sühnen wollte. Auch wenn ihn das nicht – anders als seine Darstellung als Apostel Matthias nahelegen könnte – zu einem Heiligen macht.

Von Roland Müller