100 Jahre Bayerisches Pilgerbüro: Ein Reiseveranstalter anderer Art
"Glauben erleben" lautet das Motto des Bayerischen Pilgerbüros für seine Gruppenreisen 2025. Und zu feiern gibt es auch etwas: Das auf Pilger- und Studienreisen spezialisierte Unternehmen mit Sitz in München wird 100 Jahre alt. Im Interview spricht Geschäftsführerin Irmgard Jehle (68), über die Anfänge, die Erwartungen der Kunden und Rom-Reisen im Heiligen Jahr.
Frage: Frau Jehle, vor 100 Jahren gründete der Generalsekretär des Ludwig-Missionsvereins (heute missio München), Johannes Neuhäusler, das Bayerische Landeskomitee für Pilgerfahrten. Was trieb ihn an?
Jehle: Er war ein reiselustiger Mensch und wollte, dass auch andere zu zivilen Preisen die heiligen Stätten besuchen können. Vor allem ging es um Rom. Denn 1925 war wie auch 2025 ein Heiliges Jahr und die Heiligen Pforten waren geöffnet. Das Reisen nach Italien war damals kompliziert. Viele trauten sich nicht, allein zu reisen. Man brauchte Visa, um mehrere Grenzen überschreiten zu können, musste Geld in die jeweilige Landeswährung umtauschen und dann die fremde Sprache. All diese organisatorischen Sachen sollten den Pilgern abgenommen werden.
Frage: Wie lief eine solche Reise ab?
Jehle: Die Pilgerreisen, die immer von Priestern begleitet wurden, fanden mit Bussen statt. Auch Züge wurden eingesetzt, ganz einfache mit Holzbänken. Die Anreise dauerte mehrere Tage. Verpflegt wurden die Menschen mit Hilfe von Klöstern.
Frage: Was unterscheidet das heute als Bayerisches Pilgerbüro firmierende Unternehmen von anderen Anbietern?
Jehle: In erster Linie der christliche Hintergrund. Unsere Eigentümer sind sechs bayerische Diözesen. Bei Pilgerfahrten begleitet die Gruppe neben einem technischen Reiseleiter immer ein Seelsorger. Uns ist wichtig, den Kunden ein Rundum-Paket zu liefern. Bei den Studienreisen stehen die kunsthistorischen Dinge im Vordergrund, eingebettet in ihren kulturellen und religiösen Kontext. Zudem geht es uns bei jeder Reise um Nachhaltigkeit im umfassenden Sinn. Wir arbeiten mit Agenturen vor Ort zusammen und wollen, dass auch die Bevölkerung dort von den Reisen profitiert.
Frage: Welche Reiseformen sind gefragt?
Jehle: Vielen ist es immer noch ein Bedürfnis, an einen Pilgerort wie Lourdes oder Fatima zu kommen. Nicht jeder aber schafft es körperlich, mit Zug oder Bus dorthin zu fahren, so dass wir nach wie vor – selbst wenn es daran Kritik gibt – das Fliegen ermöglichen. Das Flugzeug ist auch für Reisen ins Heilige Land nötig, da man dieses auf dem Landweg nur schwer erreichen kann.
Frage: Was ist noch beliebt?
Jehle: Einen neuen Boom stellen seit den 1980er Jahren die Fußwallfahrten dar, allen voran der Jakobsweg. Die Kunden haben nicht die Zeit, den ganzen Weg zu gehen, aber immer wieder Etappen. Sie wollen das nicht individuell machen, sondern in der Gruppe. Da muss man sich nicht um Gepäck und Unterkunft kümmern, bei Bedarf gibt es medizinische Hilfe. Dazu kommt die spirituelle Begleitung. Die Leute sind auf der Suche. Denen geht es nicht darum, sportliche Leistungen zu erbringen. Wir wollen, ohne zu indoktrinieren, dazu beitragen, ihnen den Geist des Ortes zu vermitteln.
Frage: Gibt es weitere Pilgerwege?
Jehle: Viele, wie etwa den Olavsweg in Norwegen. 2025 feiern wir auch 800 Jahre Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi. Dazu bieten wir Reisen auf seinen Spuren an und zur Bewahrung der Schöpfung. Eine führt etwa ins Salzburger Land, wo man sieben Tage lang Natur und Kultur erleben und die Elemente geistlich aufarbeiten kann. Den Abschluss bildet der Besuch eines Konzerts mit Joseph Haydns "Die Schöpfung". Wir wollen einen Mehrwert bieten. Denn Kunst kann man oft nicht verstehen, wenn das religiöse Wissen dazu fehlt.
Frage: Sie sind bekannt als Spezialist für Reisen ins Heilige Land ...
Jehle: Diese fallen momentan komplett weg. In Länder, wo eine Reisewarnung besteht, fahren wir aus Sicherheitsgründen nicht. Als am 7. Oktober 2023 die Krise ausbrach, haben wir sofort versucht, unsere Gruppen herauszubekommen. Über Jordanien ist dies gut gelungen. Aber es bleibt ein Problem, denn zuvor ging zwei Jahre nichts wegen der Pandemie. Wir waren ab 1955 mit die Ersten, die nach dem Zweiten Weltkrieg Reisen im großen Stil ins Heilige Land veranstaltet haben, und haben dort unsere langjährigen Partner. Zu diesen halten wir Kontakt. Wir versuchen, sie mit Spenden und dem Erlös aus dem Verkauf von Krippenfiguren und Arbeiten aus Olivenholz zu unterstützen.
Frage: Wie sieht die Nachfrage für Rom im Heiligen Jahr aus?
Jehle: Sehr stark. Die bayerischen Diözesen haben schon ihre Großveranstaltungen angemeldet. Dazu kommen Sondergruppen. 2024 waren es gut 1.500 Pilger und an die 9.000 Ministranten, die mit uns nach Rom reisten. 2025 werden es deutlich mehr werden.
Frage: Rom leidet seit Jahren an "Übertourismus". Jetzt kommen noch die "Pilger der Hoffnung" dazu. Wie geht das Pilgerbüro damit um?
Jehle: Es wird voll werden. Aber wir freuen uns, wenn die Leute kommen. Wir versuchen, der Nachfrage gerecht zu werden. Schwierig dürfte es mit Übernachtungen werden. Wir unterstützen die religiösen Gästehäuser. Diese werden aber für die Pilger nicht ausreichen, so dass zusätzlich Hotelzimmer nötig sind. Ansonsten legen wir die Programme ein wenig azyklisch an. Manche werden stöhnen, wenn um 8 Uhr morgens der Gottesdienst im Petersdom ist. Aber da sind keine Führungen. Wir versuchen die Boomzeiten zu meiden. Dennoch: Warten gehört dazu. Im Vatikan beherrschen sie die Massen. Zur Papstaudienz am Petersplatz hat noch jeder seinen Platz gefunden.
Frage: Sie selbst begleiten die Tour "Kraftort Rom – Spirituelle Streifzüge". Wie wollen Sie im Meer der Touristen nicht untergehen?
Jehle: Wir gehen an Orte, die weniger frequentiert sind. Als Grundlage dient das Buch von Corinna Mühlstedt und dem verstorbenen Abtprimas Notker Wolf. Wir werden auf den Spuren der ältesten Kreuzdarstellungen in Ostia und am Aventin unterwegs sein. Der ökumenischen Dimension spüren wir im Viertel Trastevere oder im Cimitero acattolico nach. Auch ein Besuch des Petrusgrabs ist geplant, wo höchstens 250 Personen pro Tag Zugang haben.