Missbrauchsopfer fordern Entschädigung aus unabhängigem Fonds
Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche haben eine höhere Entschädigung gefordert. Konkret schlug der Sprecher der Initiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, am Dienstag in Berlin die Fortentwicklung des kirchlichen Anerkennungsverfahrens zu einem von der Kirche unabhängigen Entschädigungsfonds vor.
Im Januar 2010 waren am Canisius-Kolleg in Berlin zahlreiche Missbrauchsfälle publik geworden. Das löste in der Folge einen bundesweiten Missbrauchsskandal in zahlreichen kirchlichen, aber auch anderen Einrichtungen aus. Seitdem wird auch immer wieder über die Höhe der Entschädigungen oder Anerkennungsleistungen für die Opfer diskutiert.
Beauftragte für Stiftung
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hatte sich zuletzt mit Blick auf eine Entschädigung von Missbrauchsopfern für die Einrichtung einer Stiftung ausgesprochen. Diese könnte dann Betroffene konkret unterstützten - egal, ob sie in der katholischen Kirche oder beispielsweise durch Familienangehörige missbraucht worden seien. Darüber hinaus werde mit einer solchen Stiftung eine gesellschaftliche Anerkennungs- und Erinnerungskultur möglich.
Die Initiative Eckiger Tisch fordert hingegen einen Entschädigungsfonds speziell für Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche. In der Initiative Eckiger Tisch haben sich Betroffene aus Jesuitenschulen zusammengeschlossen.
Kirchliche Reaktion auf den Skandal
Die katholische Kirche hatte in der Folge der Aufdeckung der Fälle am Berliner Canisius-Kolleg eine Studie über Missbrauch in ihren Reihen in Auftrag gegeben und diese 2018 veröffentlicht. Zusammen mit dem damaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, unterzeichnete der damalige Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, 2020 eine gemeinsame Erklärung zur Aufarbeitung von Missbrauch.
Auch Zahlungen zur Anerkennung des erlittenen Leids wurden geleistet. So erhielten Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirche in den vergangenen Jahren über die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung im Schnitt 22.150 Euro. In etwa 1,3 Prozent der Fälle erhielten Betroffene über 100.000 Euro.
In jüngster Zeit gab es mehrere Zivilprozesse, in denen Missbrauchsopfer die Kirche auf Schmerzensgeld verklagten. Im Juni 2023 hatte das Kölner Landgericht in einer ersten solchen Klage entschieden, dass das Erzbistum Köln 300.000 Euro an einen Betroffenen zahlen musste. Nach dem wegweisenden Urteil folgten bundesweit weitere ähnliche Klagen. In einigen Fällen machten die Bistümer von der Möglichkeit der Aussetzung der Verjährungsfristen in Schmerzensgeldprozessen Gebrauch.
"Wenn die Bischöfe wirklich wollen, dass die Höhe der Leistungen sich an dem orientiert, was Zivilgerichte ausurteilen, müssen sie zukünftig auf das Instrument der Einrede der Verjährung verzichten, mit dem bislang weitere Entscheidungen zugunsten von Betroffenen verhindert werden", sagte nun Katsch. Der Eckige Tisch spricht sich für eine vorübergehende Aussetzung der Verjährung bei Schmerzensgeldprozessen aus. Dies sieht die Beauftragte Claus kritisch, da erfahrungsgemäß nur wenige Betroffene einen Nachweis für eine Aussetzung erbringen könnten.
Dank für Initiative
Der Jesuitenpater Klaus Mertes, der ehemalige Rektor des Canisius-Kollegs, an den sich drei ehemalige Schüler des Gymnasiums 2010 mit ihren Missbrauchserfahrungen gewandt hatten, würdigte am Dienstag die früheren Schüler für ihren Beitrag in der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Kontext der katholischen Kirche. "Ohne sie hätte ich es nicht geschafft, in der Aufarbeitung weiter voranzuschreiten. Deswegen bin ich ihnen bis heute dankbar."
Unterdessen sprach sich der Mannheimer Psychiater Harald Dreßing für eine Dunkelfeldstudie aus, die Missbrauchsfälle sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche untersucht. Dreßing hatte an beiden Studien mitgearbeitet. In WDR 5 betonte er, dass die beiden Studien nicht vergleichbar seien, weil für die Untersuchung bei Fällen in der katholischen Kirche auf umfangreicheres Aktenmaterial zurückgegriffen werden konnte. (KNA)
14. Januar 2025, 12.53 Uhr: Ergänzt um Psychiater Harald Dreßing.