Europäischer Gerichtshof muss nach Beschwerden Ausgetretener entscheiden

Religionsrechtlerin rechnet nicht mit Löschpflicht für Taufbücher

Veröffentlicht am 23.01.2025 um 10:25 Uhr – Lesedauer: 

Nijmegen ‐ Auch nach einem Kirchenaustritt bleibt der Eintrag im Taufbuch: Das führt immer wieder zu Konflikten. Ein Fall dazu hat es bis vors höchste europäische Gericht geschafft. Eine Expertin sieht gute Chancen für die kirchliche Position.

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Die Religionsverfassungsrechtlerin Sophie van Bijsterveld rechnet nicht damit, dass der Europäische Gerichtshof Kirchen dazu verpflichtet, auf Wunsch Einträge aus Taufregistern zu löschen. In einem Interview mit dem niederländischen Katholiek Nieuwsblad (Mittwoch) verwies die Professorin für Religion, Recht und Gesellschaft an der Universität Nijmegen auf Entscheidungen von Aufsichtsbehörden und Gerichten in anderen EU-Mitgliedsstaaten, die anders als die belgische Datenschutzaufsicht Kirchen bislang immer gestattet hatten, Taufbucheinträge dauerhaft auch gegen den Willen der Getauften aufzubewahren. "Unter Berücksichtigung der Religionsfreiheit und einer vernünftigen Auslegung des EU-Rechts sollte der Gerichtshof meiner Meinung nach zu dem Schluss kommen, dass es kein Recht gibt, auf Antrag aus dem Taufregister gestrichen zu werden", stellte die Rechtswissenschaftlerin fest.

Van Bijsterveld sieht in der anstehenden Entscheidung des EuGH eine Richtungsentscheidung nicht nur für Belgien, sondern für alle Religionsgemeinschaften in der EU: "Im vorliegenden Fall hat das belgische Gericht den Gerichtshof gefragt, wie dieses EU-Recht im Lichte der Genter Frage auszulegen ist. Mit dieser Antwort in der Hand geht das belgische Gericht dann zur Entscheidung des konkreten Falles über", so die Rechtswissenschaftlerin. "Die Antworten des EuGH haben also Auswirkungen auf alle Mitgliedsstaaten." Das sei auch die Absicht derartiger Verfahren vor dem EuGH: "eine einheitliche Auslegung des EU-Rechts für alle Mitgliedstaaten", so die Professorin weiter.

Streit im Bistum Gent kommt vor den EuGH

Hintergrund ist ein Streit zwischen einem getauften, aber aus der Kirche ausgetretenen Mann in der belgischen Diözese Gent um datenschutzrechtliche Löschansprüche. Der Beschwerdeführer hatte von seiner Pfarrei verlangt, seinen Taufeintrag nicht nur mit einem Vermerk über den Kirchenaustritt zu versehen, sondern ihn ganz zu entfernen. Das Bistum Gent und die betroffenen Pfarreien wiesen dies unter Verweis auf die Unverlierbarkeit der Taufe und die theologische Notwendigkeit, die Taufe sicher und dauerhaft zu dokumentieren, zurück.

Die belgische Datenschutzaufsicht hatte der Beschwerde der betroffenen Personen stattgegeben und die Kirche zur Löschung angewiesen. Gegen diesen Bescheid legte das Bistum Gent beim zuständigen Verwaltungsgericht, dem Brüsseler Märktegerichtshof, Klage ein. Das Gericht hat im Dezember die Frage, ob eine Ausnahme vom Löschrecht für Taufbücher mit dem EU-Datenschutzrecht vereinbar ist, dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt.

Dokumentation über Missbrauch ließ Austrittszahlen steigen

Das Bistum Gent reagierte im Dezember auf Anfrage von katholisch.de zurückhaltend. Man habe die Entscheidung zur Kenntnis genommen und sorgfältig gelesen. "Der entscheidende Punkt ist, dass die Entscheidung bestätigt, dass unterschiedliche Auffassungen zu den grundlegenden Fragen möglich sind", so der Bistumssprecher.

In Belgien stiegen nach der Ausstrahlung einer TV-Dokumentation über Missbrauch in der Kirche im Herbst 2023 die Kirchenaustrittszahlen an. Im Zuge der landesweiten Diskussion wurde auch der Umgang der Kirche mit Kirchenaustritten angefragt. Vor allem die Weigerung, Taufeinträge bei Austritt zu löschen, stieß auf massive Kritik. Die Entscheidung der belgischen Datenschutzaufsicht ist die erste, in der ein Löschrecht bestätigt wurde. Im September 2023 veröffentlichte die irische Datenschutzaufsicht eine umfangreiche Entscheidung, in der sie zum gegenteiligen Schluss kam und eine Beschwerde gegen die Erzdiözese Dublin ablehnte. Auch in Frankreich und Slowenien haben Gerichte bereits Löschbegehren in Bezug auf Taufbücher abgelehnt. (fxn)