Glaubenspräfekt erläutert Pläne für Straftat geistlicher Missbrauch
Der geplante neue kirchliche Straftatbestand des geistlichen Missbrauchs soll vor allem sexualisierte Gewalt umfassen, die durch geistliche Manipulation angebahnt wird. Glaubenspräfekt Víctor Manuel Fernández erläuterte die gesetzgeberischen Pläne dazu erstmals am Donnerstag in einem Interview mit der spanischen Kirchenzeitung "Alfa y Omega". Im November hatte das Glaubensdikasterium eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Präfekten des Dikasteriums für die Gesetzestexte angekündigt, die einen kirchenrechtlichen Straftatbestand für geistlichen Missbrauch und "falschen Mystizismus" ausarbeiten soll. Laut Fernández geht es um Fälle der Manipulation von Menschen, "die sich einem geistlichen Führer anvertrauen, und gleichzeitig um eine Manipulation der geistlichen Schönheit unseres Glaubens, um Sex zu bekommen".
Die geplante Änderung des Kirchenrechts sei notwendig, weil es bisher keinen einschlägigen Straftatbestand für solche Fälle gebe. Daher sei bisher oft die allgemeine Strafnorm des c. 1399 CIC angewandt worden, die auch Strafen bei nicht ausdrücklich festgelegten Straftatbeständen zulässt, wenn die besondere Schwere der Rechtsverletzung eine Bestrafung erforderlich scheinen lässt. Die allgemeine Strafnorm steht in der Kirchenrechtswissenschaft seit Jahrzehnten in der Kritik, weil sie den Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" durchbricht. Der Präfekt bezeichnete es als "nicht günstig", sich bei häufig vorkommenden Verbrechen nur auf eine derart allgemeine Bestimmung stützen zu können.
Fokus weg von "falschem Mystizismus"
Die im November eingesetzte Arbeitsgruppe arbeite derzeit daran, bestehende Präzedenzfälle zu systematisieren. "Das Sammeln von Fällen oder Geschichten kann dazu beitragen, die Bedingungen und den Umfang einer Typisierung besser zu spezifizieren oder – mit einer authentischen Interpretation des Dikasteriums für Gesetzestexte – deutlich zu machen, welche bestehenden Normen diese Situationen abdecken", so Fernández. Bereits jetzt erfasst das kirchliche Strafrecht den Missbrauch der Autorität eines Klerikers zur Begehung von Sexualdelikten.
Von der ursprünglich vorgesehenen Einführung eines Straftatbestands des "falschen Mystizismus" scheint man indes abzurücken. Der Präfekt betonte, dass diese Formulierung in die neuen vatikanischen Wunderprüfungs-Regelungen aufgenommen wurde, um die Beurteilung von bereits jetzt strafwürdigem Verhalten als schwerwiegend zu systematisieren. Beim geistlichen Missbrauch sei es aber angebracht, eine andere Bezeichnung zu verwenden, da die beiden Begriffe nicht deckungsgleich seien. Beim geistlichen Missbrauch sei es nicht erforderlich, dass falsche Glaubensinhalte eine Rolle spielen: "Sogar der Katechismus der Kirche oder die Schriften des heiligen Johannes vom Kreuz können als Vorwand benutzt werden, um einen anderen zu manipulieren und ein Verbrechen des 'geistlichen Missbrauchs' zu begehen."
Ermittlungen im Fall Rupnik abgeschlossen
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder prominente Missbrauchsfälle und -vorwürfe publik, in denen sexualisierte Gewalt von Beschuldigten spirituell gerechtfertigt wurde. Beispiele dafür sind die Vorwürfe gegen den Ex-Jesuiten Marko Rupnik, bei dem sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch zu seinem Schaffensprozess bei der Herstellung von Kunstwerken gehören soll, oder der Fall des Gründers der geistlichen Gemeinschaft "Familie Mariens". Ehemalige Mitglieder der Gemeinschaft hatten ihm eine unzulässige Vermischung von Seelsorge und Leitung der von ihm gegründeten Organisation vorgeworfen.
Im Interview äußerte sich Fernández auch zum Fall Rupnik. Dabei handle es sich zwar um einen prominenten Fall, es gebe aber derzeit noch weitere offene Fälle, die sogar noch schwerwiegender seien. Laut dem Präfekten hat das Glaubensdikasterium die nötigen Informationen für einen Prozess gegen Rupnik zusammengestellt und analysiert. Jetzt gehe es darum, ein unabhängiges Gericht zusammenzustellen, um das Verfahren zu führen. Dafür würden derzeit die geeigneten Personen gesucht.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat 2023 Jahr eine Arbeitshilfe zum Umgang mit Geistlichem Missbrauch veröffentlicht. Darin wird festgestellt, dass die kirchenrechtliche Verfolgung von geistlichem Missbrauch nur sehr begrenzt möglich ist: "Denn Geistlicher Missbrauch als komplexes System wird weder im kirchlichen Strafrecht (reformierte Fassung von 2021) noch im staatlichen Strafgesetzbuch als Straftat qualifiziert." Als Regelungen im kirchlichen Strafrecht, die geistlichen Missbrauch teilweise erfassen, zählt die Arbeitshilfe den Missbrauch in der Beichte erworbenen Wissens, Amtsmissbrauch und Amtspflichtverletzungen, Verletzung des Beichtgeheimnisses, Verletzung des guten Rufs und die Erzwingung sexueller Handlungen. (fxn)