Gericht: Auch bei Ministrantenleiter Amtshaftung durch Erzbistum Köln
Nach Ansicht des Kölner Landgerichts haftet das Erzbistum Köln in Missbrauchsfällen nicht nur für Priester. Die sogenannte Amtshaftung könne auch für ehrenamtlich tätige Messdienerleiter gelten. Das geht aus einem der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegenden "Hinweisbeschluss" zu einem Schmerzensgeld-Verfahren hervor. In ihrer Klage fordert eine Missbrauchsbetroffene vom Erzbistum Köln 830.000 Euro. Sie führt aus, dass sie in den 1990er Jahren als Kind von ihrem Messdiener-Gruppenleiter missbraucht worden sei. Dieser habe die Gruppe betreut, obwohl er schon vorher durch übergriffiges Verhalten aufgefallen sei.
In seiner der KNA vorliegenden Klageerwiderung vertritt das Erzbistum dagegen die Auffassung, dass der Messdienerleiter im Zuständigkeitsbereich der Kirchengemeinde tätig gewesen sei. Die Organisation des Messdienerdienstes sei nicht zentral beim Erzbistum angesiedelt. Der Gruppenleiter habe daher kein "Amt" im Erzbistum bekleidet, weshalb dieses nicht für dessen Taten haften müsse.
Im Hinweisbeschluss führt das Landgericht nun aus, die Leitung einer Messdienergruppe sei als Ausübung eines öffentlichen Amtes einzuordnen. Der Umstand, dass der Gruppenleiter kein Angestellter des Erzbistums war, stehe einer Amtshaftung nicht entgegen. Er habe nämlich als Verwaltungshelfer gehandelt. Dabei sei er als "verlängerter Arm" des beim Erzbistum angestellten Pfarrers tätig gewesen. Allerdings hafte das Erzbistum nur, sofern die Taten in Ausübung des Amtes stattgefunden hätten. Für einen Missbrauch im Elternhaus sei eine Amtshaftung ausgeschlossen.
Verhandlung am 25. März
Die Betroffene war laut Klageschrift zu Beginn der Taten im Jahr 1992 sechs Jahre alt, ihr Gruppenleiter 18. Über vier Jahre habe es regelmäßig sexualisierte Gewalt gegeben. 1998 habe ein Jugendgericht den Gruppenleiter wegen Missbrauchs von insgesamt acht Opfern zu zwei Jahren Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt worden seien. Betroffenenanwalt Eberhard Luetjohann wirft dem Erzbistum vor, den jungen Mann "auf die Kinder losgelassen" zu haben, obwohl er schon im Jahr 1990 auffällig geworden sei und es ein Ermittlungsverfahren gegen ihn gegeben habe. Das sei ein klares Versagen des Bistums.
In einem anderen Schmerzensgeldprozess gegen das Erzbistum fordert eine Klägerin 850.000 Euro. Die 57-jährige Betroffene war Pflegetochter des 2022 wegen mehrfachen Missbrauchs zu zwölf Jahren Haft verurteilten Priesters U. und wurde von ihm mehrfach vergewaltigt. Hier hatte das Landgericht in einem Hinweisbeschluss deutlich gemacht, dass sich die Amtshaftung nur auf den dienstlichen und nicht auf den privaten Bereich beziehe. Nun wird darüber gestritten, ob man bei einem katholischen Geistlichen davon ausgehen muss, das er immer im Dienst ist.
In beiden Schmerzensgeldverfahren sind mündliche Verhandlungen am 25. März angesetzt. Im Fall des Gruppenleiters hat das Erzbistum drei Wochen Zeit, um zu dem am Montag ergangenen Hinweisbeschluss Stellung zu beziehen. (KNA)
29.1., 10:50 Uhr: Ergänzt um weitere Details.