Plan für Schweizer kirchliches Strafgericht kann gehalten werden
Der Churer Bischof Joseph Bonnemain rechnet damit, dass das nationale kirchliche Straf- und Disziplinargericht der Schweiz bereits in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen kann. Er hofft darauf, dass die nötige Genehmigung des Vatikans nach der Vollversammlung der Schweizer Bischofskonferenz im März erteilt wird, sagte der in der Bischofskonferenz für den Umgang mit Missbrauch zuständige Bischof im Interview mit dem Berner Pfarrblatt (Mittwoch). Die römischen Behörden brauchten immer einige Monate Zeit für Entscheidungen. "Wenn ich nach ein paar Monaten nichts höre, fahre ich nach Rom, um mich zu erkundigen", betonte Bonnemain.
Nach aktuellem Stand sei es nicht geplant, dass das Schweizer Kirchengericht die Zuständigkeit für Fälle erhält, in denen Minderjährige Opfer sexualisierter Gewalt sind. Diese besonders schweren Delikte sind dem Glaubensdikasterium vorbehalten, das in solchen Fällen als Gericht fungiert. Das Dikasterium kann die Führung derartiger Prozesse aber an andere Kirchengerichte delegieren. Bonnemain rechnet damit, dass das auch in der Schweiz geschehen werde. In den Statuten des Schweizer Gerichts sei diese Möglichkeit ausdrücklich erwähnt. Es werde aber nicht versucht, von vornherein die Zuständigkeit für alle strafrechtlichen Prozesse dem nationalen Gericht zuzusprechen. Der Bischof hält es für klug, zunächst den üblichen Rechtsweg zu verfolgen: "Wenn die Erfahrung gut ist und das oberste Gericht in Rom merkt, dass wir professionell arbeiten, ist es vielleicht leichter, dieses Partikularrecht zu beantragen."
Arbeitsgruppe will rechtsstaatliche Standards sichern
Das Statut des Gerichts wird derzeit von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Bonnemain ausgearbeitet. Außer ihm arbeiten ein Rechtsanwalt, eine Professorin für Strafrecht, ein Richter sowie zwei Kirchenrechtler an der Gerichtsordnung. Am Mittwoch legte die von der Schweizer Bischofskonferenz, der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz und der Vereinigungen der Orden beauftragte Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext einen Zwischenbericht zum Umgang mit Missbrauch vor. Laut dem Zwischenbericht sind mit Blick auf die Einrichtung des neuen kirchlichen Gerichts noch Fragen zu klären, wie kirchliche Vorgaben und rechtsstaatliche Standards in Einklang gebracht werden können, welche Verfahrensrechte Betroffene haben und welche Anforderungen an Richterinnen und Richter und weitere Fachleute gestellt werden. Außerdem müsse noch über Sitz und Finanzierung des Gerichts beraten werden.
Im Dezember hatte die Schweizer Bischofskonferenz mitgeteilt, dass die zuständige römische Behörde, die Apostolische Signatur, die Genehmigung für das Vorhaben erteilt hat. Für die eigentliche Einrichtung ist eine weitere Genehmigung der von der Bischofskonferenz verabschiedeten Statuten erforderlich. Die Apostolische Signatur ist das oberste katholische Kirchengericht und nimmt zugleich auch Funktionen eines kirchlichen Justizministeriums wahr.
Strafgericht als Konsequenz der Missbrauchsaufarbeitung
Im Herbst 2023 hatte die Schweizer Bischofskonferenz die Errichtung eines kirchlichen Straf- und Disziplinargerichtshofs als eine der Maßnahmen in Folge der Schweizer Missbrauchsstudie angekündigt. Die Studie der Universität Zürich wurde im Auftrag der Schweizer Bischöfe angefertigt. Sie ermittelte mindestens 921 Opfer sexuellen Missbrauchs im Umfeld der katholischen Kirche der Schweiz. Identifiziert wurden seit Mitte des 20. Jahrhunderts 1.002 Fälle und 510 Beschuldigte. Die Bischöfe hatten ein umfangreiches Maßnahmenpaket angekündigt, um auf die Ergebnisse zu reagieren.
In Frankreich gibt es bereits seit 2023 einen nationalen kirchlichen Strafgerichtshof. Auch in Deutschland gibt es Pläne für neue bundesweite kirchliche Gerichte. Geplant sind eine Disziplinarordnung für Kleriker sowie die Einrichtung einer Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ursprünglich war geplant, die neuen Gerichte 2021 einzurichten. Der Prozess ist allerdings ins Stocken geraten. (fxn)