Deutschstämmiger US-Oberhirte war als Nuntius ein Seiteneinsteiger

Aloysius Muench – Ein Bischof im Nachkriegsdeutschland

Veröffentlicht am 31.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Christiane Laudage (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN
Kardinal Aloysius Muench
Bild: © KNA-Bild

Bonn ‐ Pius XII. hat zum Ende des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit gerne Geistliche aus den USA in herausfordernde Posten oder Außenposten gebracht. Einer von ihnen war Aloysius Muench.

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Am Ende des Zweiten Weltkrieges lag Deutschland am Boden. Vor allem in den Städten fehlte es an allem: Kleidung, Nahrung, Wohnraum. Krankheiten wie Tuberkulose oder Typhus setzten den Menschen zu. Außerdem kamen mehr als zwölf Millionen heimatvertriebene Flüchtlinge im Land an, die die zum Zerreißen gespannte Situation weiter verschärften.

Die katholische Kirche nahm eine wichtige Rolle in dieser schwierigen Situation ein, sagt der italienische Historiker Francesco Tacchi in einer neuen Veröffentlichung über die Rolle US-amerikanischer päpstlicher Diplomaten im Kalten Krieg. Weil sie aus der NS-Zeit mit einem intakten Ruf herausgegangen sei, so Tacchi, konnte sie als Anwalt des leidenden deutschen Volkes gegenüber den Militärbehörden der westlichen Alliierten auftreten.

Muench – ein Diener zweier Herren

Um wirksam handeln und helfen zu können, richtete Papst Pius XII. eine päpstliche Mission in Kronberg im Taunus bei Frankfurt ein, die vom Sommer 1946 bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1951 bestand. Danach wurde die offizielle diplomatische Vertretung des Papstes in Bonn-Bad Godesberg in Betrieb genommen. Der Mann seines Vertrauens war Aloysius Joseph Muench (1889-1962), ein US-amerikanischer Bischof deutscher Herkunft und damit bilingual.

Muench war also nicht nur als Apostolischer Visitator des Papstes unterwegs und ab 1947 als de facto Nuntius; gleichzeitig war er von 1946 bis 1949 der Verbindungsmann für religiöse Angelegenheiten bei der US-amerikanischen Militärregierung. Damit war er ein Diener zweier Herren – nämlich des Papstes und der US-Regierung, stellt Historiker Tacchi fest.

Was sollte Muench tun?

Was waren nach Erkenntnis des Autors die Aufgaben von Bischof Muench? Offizielle Aufgabe der Kronberger Mission war die Sorge für die Vertriebenen, von denen etwa die Hälfte Katholiken waren. Faktisch war das Betätigungsfeld viel größer.

Von Kronberg aus hielt Muench das Staatssekretariat in Rom auf den Laufenden, was die aktuellen kirchlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen betraf. Er stand im engen Kontakt mit den deutschen Bischöfen und fungierte als Verbindungsperson zwischen dem Heiligen Stuhl und der katholischen Kirche in Deutschland.

Konrad Adenauer und Pius XII.
Bild: ©KNA

Papst Pius XII. empfing im März 1957 den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer in privater Audienz.

Der Vatikan schickte nach Angaben der Nuntiatur rund 950 Güterwaggons mit Hilfsgütern nach Deutschland, die dann in der Mission verteilt wurden. Denn, so stellt Tacchi fest, sowohl der Papst wie auch Muench und die deutschen Bischöfe waren fest davon überzeugt, dass der Mangel an lebenswichtigen Dingen auch Moral und Religion beeinflusse. Sie sahen darin "Hemmungen für einen religiösen Wiederaufstieg".

Die deutschen Bischöfe hofften nämlich darauf, dass es nach dem Krieg zu einer Re-Christianisierung der Gesellschaft kommen würde. "Offenbar steht der Katholizismus in Deutschland vor einer Entscheidungsstunde. Ihm hat Gott die Aufgabe gegeben, der neuen Zeit den rechten Geist zu schenken. Von der Lösung dieser Aufgabe hängt weiterhin die Zukunft unseres gedemütigten Volkes ab", zitiert Tacchi aus einem Text für den Leiter der Kronberger Mission, Bischof Muench.

Nicht alle Wünsche wurden erfüllt

Diese Hoffnung der Bischöfe erfüllte sich nicht. Das räumten sie in einem gemeinsamen Hirtenbrief im März 1950 mit dem Titel "Die christliche Wahrheit und der gottlose Materialismus" ein. Auch konnten sie – trotz intensiver Bemühungen – ihre Anforderungen an das Grundgesetz nicht vollumfänglich durchsetzen.

Muench sah dennoch einen Hoffnungsschimmer. "Da es [das Grundgesetz, so Tacchi] eines Tages – hoffentlich – auch für die andere Zone gelten wird, wenn sie mit dieser wiedervereinigt wird, können auch die Menschen in der Ostzone eine auf christlichen Grundsätzen beruhende Verfassung genießen. Das wird für die Kirche ein großer Dienst sein", zitiert der Historiker aus einem Bericht Muenchs für das Staatssekretariat in Rom. Der Bischof plädierte für die Zustimmung zum Grundgesetz, denn man müsse unter allen Umständen das Erreichte bewahren und dürfe das Erreichte nicht gefährden, indem man das gesamte Grundgesetz ablehne.

Vom Regens zum Nuntius

Mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 endeten Bischof Muenchs Beziehungen zur US-amerikanischen Militärbehörde. Ungefähr gleichzeitig ernannte ihn Pius XII. zum Regens – also Verwalter – der Apostolischen Nuntiatur. Nuntius, also Botschafter, wurde er erst 1951, als die Bundesrepublik wieder diplomatische Beziehungen zu anderen Ländern aufnehmen konnte.

"Er machte die Nuntiatur dabei zu einem Zentrum der globalen Diplomatie und zu einer Schaltstelle zwischen Deutschland, dem Vatikan und den Vereinigten Staaten im Kalten Krieg", erklärt Simon Unger-Alvi, Historiker und Wissenschaftlicher Programmleiter einer internationalen Forschergruppe, die sich mit dem Pontifikat von Pius XII. in der Nachkriegszeit beschäftigt. Muench blieb bis 1959, also über den Tod von Papst Pius XII. im Oktober 1958 hinaus, in Deutschland. In dem Jahr nahm ihn Papst Johannes XIII. ins Kardinalskollegium auf. Drei Jahre später, am 15. Februar 1962, starb Muench im Alter von 72 Jahren.

Von Christiane Laudage (KNA)