Vor 60 Jahren starb der Kirchenarchitekt Dominikus Böhm

"Ein Gott, eine Gemeinde, ein Raum!"

Veröffentlicht am 06.08.2015 um 10:00 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 
Ein Glasfenster in Sankt Maria Königin in Köln-Marienburg.
Bild: © KNA
Architektur

Bonn ‐ Seine Kirchenbauten waren in der Weimarer Zeit noch ein Skandal. Erst nach dem Ende des Krieges und im Zuge des Zweiten Vaticanums schien Platz für den Stil des Kirchenarchitekten Dominikus Böhm. Heute vor 60 Jahren ist er gestorben.

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Insofern erinnert der 60. Todestag des Architekten Dominikus Böhm (1880-1955) am Donnerstag auch an einen großen kulturellen und liturgischen Aufbruch in der katholischen Kirche. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert und verstärkt nach dem Trauma des Ersten Weltkriegs entwickelte die Liturgische Bewegung bei ihrer geistlichen Sinnsuche neue Konzepte einer Gemeindekirche, die sich um den Altar gruppiert und gemeinsam feiert. Der junge Böhm fasste dies in die Formel: "Ein Gott, eine Gemeinde, ein Raum!" Was ein halbes Jahrhundert später zum neuen kirchlichen Standard werden sollte, war selbst im kreativen kulturellen Klima der Weimarer Republik noch für die meisten Katholiken ein Schock. Neue Werkstoffe, die zunächst als für Sakralbauten "unwürdig" angesehen wurden, ermöglichten völlig neue Gestaltungsformen.

Das Licht kommt vom Altar

Durch unkonventionelle Gotteshäuser in Offenbach (1919), Dettingen am Main und Neu-Ulm (1922) erregte der junge Architekt erstes Aufsehen. Der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer berief den Schwaben 1926 als Professor an die neu gegründeten Kölner Werkschulen. "Raum ist Sehnsucht" lautet ein Credo in Böhms Schaffen.

In seinen Kirchenbauten kommt das Licht oftmals vom Altar her, dem Zentrum der Liturgie. Stimmungsvoll und expressiv, von strenger Monumentalität, modern und mystisch zugleich: Religiöser Raum sollte vor allem Andacht ermöglichen.

Architekt Dominikus Böhm
Bild: ©KNA

Der Architekt Dominikus Böhm war Schöpfer vieler Kirchenbauten. Zu Beginn seiner Karriere schlug ihm teils heftige Kritik entgegen.

Böhm und seine kongenialen Kollegen wie etwa Rudolf Schwarz (1897-1961) waren dem Zweiten Vatikanischen Konzil um Jahrzehnte voraus. Da verwundert es nicht, dass ihre Bauten selbst die Kirchenleitung spalteten. Der Besuch des Apostolischen Nuntius in Deutschland, Eugenio Pacelli - des späteren Papstes Pius XII. - in Böhms parabelförmiger Pfarrkirche aus Beton in Mainz-Bischofsheim im Oktober 1928 war eine Sensation. Er galt gleichsam als Ritterschlag für die neuen Experimente.

Andere hochrangige Vertreter der Hierarchie zeigten sich weniger aufgeschlossen. In seiner Silvesterpredigt 1929 wetterte der Münchener Kardinal Michael Faulhaber gegen den Bau von Kirchen, die auch "eine Sperrfestung im Tessinertal" sein könnten. Ein Seitenhieb gegen Böhms Bischofsheimer Gotteshaus, der den Meister tief kränkte.

Schöpfer der "Zitronenpresse"

Gleichwohl schuf er in den folgenden Jahren zwei seiner Hauptwerke:1929-1931 die gewaltige Kirche St. Josef in der Südstadt von Hindenburg, dem heute polnischen Zabrze, sowie 1930-1932 sein wohl kühnstes Projekt, die Pfarrkirche St. Engelbert in Köln-Riehl. Acht parabelförmige Wandelemente aus Backstein zwischen Schalen aus Bimsbeton bilden einen zeltartigen Zentralbau, der im Volksmund bald "Zitronenpresse" genannt wurde.

Nach der Machtergreifung geriet Böhm ins Visier der NS-Kulturschaffenden. Die Weltwirtschaftskrise kostete ihn lukrative Aufträge; und auch innerkirchlich wehte seit Anfang der 30er Jahre ein kühlerer Wind. Erst nach der Erfahrung der totalen geistigen und materiellen Verstümmelung Deutschlands durch Krieg und Diktatur konnten der Avantgardist Böhm und seine Gesinnungsgenossen zum architektonischen Mainstream werden.

Seinen Siegerentwurf für eine Kathedrale im mittelamerikanischen San Salvador konnte er nicht mehr realisieren. Doch beim letzten Kirchenbau vor seinem Tod wagte Böhm erstmals seit langem auch außen wieder einen "großen Wurf": Die Südfassade der Vorstadtkirche Maria Königin in Köln-Marienburg von 1953/54 bildet ein einziges, in Weiß und Gold schimmerndes Glasfenster (Foto).

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Von Alexander Brüggemann (KNA)