Um Wohl und Rettung bemüht
Den ihnen nach kirchlichem Recht verbotene Empfang der Eucharistie und des Bußsakraments sprach er nicht an. Die Kirche wisse gut, dass die Zweitehe der Lehre von den Sakramenten widerspreche, hob der Papst hervor. Sie müsse die Menschen aber mit einem mütterlichen Herzen betrachten, "das immer um das Wohl und die Rettung des Einzelnen bemüht ist".
Franziskus mahnte eine differenzierte Sicht auf die Wiederverheirateten an. So sei etwa zu unterscheiden zwischen demjenigen, der die Trennung erleide, und dem, der sie verursacht habe. Für Kinder aus einer neuen Ehe habe die Kirche besondere Verantwortung. "Wie könnten wir diesen Eltern zusprechen, alles zu tun, um ihre Kinder christlich zu erziehen, indem sie ihnen das Beispiel eines überzeugten und praktizierten Glaubens geben, wenn wir sie im Gemeindeleben auf Distanz halten?", fragte Franziskus. Wichtig sei, dass die Kinder die Kirche als liebend und offen erlebten.
Linktipp: Themenseite zur Familiensynode
Theorie trifft Praxis: Über zwei Jahre beraten Bischöfe und Laien im Vatikan über die "pastoralen Herausforderungen der Familie". Das ist ein höchst brisantes Thema, bei dem die Vorstellungen der Kirche und die Lebenspraxis ihrer Gläubigen zunehmend auseinanderdriften.Verschiedene Positionen innerhalb der Kirche
Die Weltbischofssynode zum Thema Ehe und Familie, die im Herbst im Vatikan stattfindet, wird sich mit dem Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen beschäftigen. Innerhalb der Kirche gibt es zu einer möglichen Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten unterschiedliche Positionen: Neben Befürwortern, wie dem emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper, der sich eine Kommunionspendung in Ausnahmefällen vorstellen kann, hat der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, diesem Ansatz eine Absage erteilt und auf die Unauflöslichkeit der Ehe verwiesen. Gleichwohl seien wiederverheiratete Geschiedene Teil der Kirche. "Wir sind nicht ausschließlich die Gemeinschaft der Reinen, sondern auch der Sünder", sagte er vor rund einem Jahr in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt".
Der deutsche Familienbischof Heiner Koch, einer der Synoden-Teilnehmer, hat zu einer offenen Debatte über eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion aufgerufen: "Ich habe die Frage gestellt, ob es Ausnahmen geben kann zu einer von mir grundsätzlich bejahten Regelung des Glaubens", sagte er. Mit dieser Frage fahre er zur Synode, nicht mit einer Antwort. "Und ich erwarte, dass auch andere Teilnehmer nicht mit fertigen Antworten in die Synode gehen." Die Familiensynode tagt vom 4. bis 25. Oktober im Vatikan. Sie steht unter dem Titel "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute". (som/KNA)
Die Ansprache des Papstes im Wortlaut
Mit deutlichen Worten hat Papst Franziskus für eine achtsame Haltung gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen in der katholischen Kirche geworben. Wir dokumentieren die Ansprache, die Franziskus bei seiner Generalaudienz am Mittwoch im Vatikan hielt, vollständig in einer eigenen Übersetzung:
"Mit dieser Katechese wollen wir unsere Betrachtungen über die Familie fortsetzen. Nachdem ich das letzte Mal über jene Familien gesprochen habe, die verletzt sind wegen mangelnden Verständnisses der Ehegatten, möchte ich heute unsere Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema richten: wie wir denen beistehen, die nach dem endgültigen Scheitern ihrer Ehe eine neue Verbindung eingegangen sind.
Die Kirche weiß wohl, dass eine solche Situation dem christlichen Sakrament widerspricht. Dennoch kommt ihr Blick als Lehrerin immer aus einem mütterlichen Herzen; einem Herzen, das, angeregt vom Heiligen Geist, immer das Wohl und das Heil der Menschen sucht. Genau deshalb empfindet sie die Pflicht, aus Liebe zur Wahrheit 'die verschiedenen Situationen gut zu unterscheiden'. So sagte der heilige Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben 'Familiaris consortio' (84) und nannte als Beispiel den Unterschied zwischen dem, der eine Trennung erlitten, und dem, der sie hervorgerufen hat. Diese Unterscheidung muss man machen.
Die Kirche als achtsame Mutter erfahren
Wenn wir dann auch diese neuen Verbindungen mit den Augen der kleinen Kinder anschauen - und die Kleinen schauen -, dann sehen wir mehr noch die Dringlichkeit, in unseren Gemeinden eine echte Annahme dieser Personen zu entwickeln, die in solchen Situationen leben. Deshalb ist wichtig, dass der Stil der Gemeinde, ihre Sprache, ihre Haltungen stets achtsam sind für die Menschen, angefangen von den Kleinen. Sie sind es, die am meisten in solchen Situationen leiden.
Und wie könnten wir diesen Eltern anraten, alles für eine Erziehung ihrer Kinder zu einem christlichen Leben zu tun, indem sie ihnen ein Beispiel überzeugten und gelebten Glaubens geben, wenn wir sie vom Gemeindeleben fernhielten, als seien sie exkommuniziert? Man muss es so machen, dass man den Lasten, die Kinder in diesen Situationen zu tragen haben, nicht noch weitere hinzufügt! Leider sind es wirklich viele Kinder und Jugendliche. Es ist wichtig, dass sie die Kirche als achtsame Mutter für alle erfahren, immer bereit zum Hören und zur Begegnung.
"Sie sind nicht exkommuniziert!"
Die Kirche ist in diesen Jahrzehnten wahrhaftig weder gefühllos noch faul gewesen. Dank der vertiefenden Arbeit von Bischöfen sowie geführt und bestärkt von meinen Vorgängern ist das Bewusstsein sehr gewachsen, dass jene Getauften, die nach dem Scheitern einer sakramentalen Ehe eine neue Partnerschaft begründet haben, einer brüderlichen und achtsamen Aufnahme in Liebe und Wahrheit bedürfen. In der Tat sind diese Personen keineswegs exkommuniziert; sie sind nicht exkommuniziert! Und sie dürfen absolut nicht als solche behandelt werden. Sie sind stets Teil der Kirche.
Papst Benedikt XVI. hat sich in diese Frage eingeschaltet und eine aufmerksame Unterscheidung und eine kluge seelsorgliche Begleitung angemahnt, wissend, dass es keine 'einfachen Rezepte' dafür gibt (Rede vor dem VII. Weltfamilientreffen in Mailand, 2. Juni 2012, Antwort Nr. 5). Daher die wiederholte Einladung der Bischöfe, dass die Gemeinden offen und konsequent die Bereitschaft zeigen, sie aufzunehmen und sie zu ermutigen, ihre Zugehörigkeit zu Christus und zur Kirche immer mehr zu leben und aufzubauen, mit dem Gebet, dem Hören des Wortes Gottes, dem Gottesdienstbesuch, der christlichen Erziehung der Kinder, der Nächstenliebe und dem Dienst an den Armen, dem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden.
Das biblische Bild des Guten Hirten (Johannes 10,11-18) fasst den Auftrag zusammen, den Jesus vom Vater erhalten hat: das Leben hinzugeben für die Herde. Diese Haltung ist ein Modell auch für die Kirche, die ihre Kinder annimmt wie eine Mutter, die ihr Leben für sie hingibt. 'Die Kirche ist berufen, immer das offene Haus des Vaters zu sein' - keine geschlossenen Türen! Keine geschlossenen Türen! - 'Alle können in irgendeiner Weise am kirchlichen Leben teilnehmen, alle können zur Gemeinschaft gehören. Die Kirche ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.' (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium 47)
Ebenso sind alle Christen berufen, den Guten Hirten nachzuahmen. Vor allem die christlichen Familien können mit ihm zusammenarbeiten, indem sie sich um verletzte Familien kümmern, sie im Glaubensleben der Gemeinde begleiten. Jeder tue seinen Teil, um die Haltung des Guten Hirten anzunehmen, der jedes seiner Schafe kennt und keines von seiner unendlichen Liebe ausschließt!" (KNA)