Kirchenhistoriker: Päpste meist kränker als Vatikan zugibt
Der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti hat dem Vatikan vorgeworfen, nur scheibchenweise über den Gesundheitszustand von Papst Franziskus zu informieren. "Meistens waren die Päpste schon erheblich kränker, als es die täglichen Bulletins suggeriert haben", sagte Ernesti dem "Focus" am Freitag.
Zudem äußerte sich der Theologe zu möglichen Szenarien der nächsten Tage. Franziskus könnte zurücktreten, so Ernesti: "Der Papst ist zuallererst Bischof von Rom, und ein Bischof kann ohne Weiteres auf sein Amt verzichten." Auch Franziskus habe diese Möglichkeit mehrere Male angedeutet.
Problematisch wäre es, wenn Franziskus diese Rücktrittsentscheidung nicht mehr selbst treffen könnte, so Ernesti. "Für diesen Fall herrscht ein schlimmes Manko, dann müsste wohl das Kardinalskollegium zusammenkommen und die Amtsunfähigkeit erklären. Dieser Fall ist in früheren Jahrhunderten so nicht vorgekommen."
"Franziskus ist immer im Dienst"
Dass Franziskus bei einer Genesung kürzertreten würde, glaubt der Kirchenhistoriker nicht. "Franziskus ist ein Jesuit. Er ist immer im Dienst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er kürzertritt oder Aufgaben stärker delegiert. Er hat ja auch in den letzten Wochen schon nicht auf seine Ärzte gehört, die ihm zu mehr Ruhe geraten haben."
Papst Franziskus ist seit einer Woche in der römischen Gemelli-Klinik. Er wurde mit einer Atemwegsinfektion eingeliefert, am Dienstag wurde zudem eine beidseitige Lungenentzündung diagnostiziert. Zweimal am Tag informiert der Vatikan über den Zustand des Papstes. Der Tenor: Er sei stabil, bewege sich aus dem Bett, lese und nehme Mahlzeiten zu sich. (KNA)