Italienische Ordensschwester Raffaella Petrini ist Regierungschefin

Im Vatikanstaat regiert jetzt eine Frau

Veröffentlicht am 16.03.2025 um 00:01 Uhr – Von Severina Bartonitschek (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN

Vatikanstadt ‐ Vom Krankenbett baut der Papst die Regierung des Vatikanstaats um. Nicht zum ersten Mal wird die territoriale Basis der Weltkirche damit zum Gegenstand von Franziskus' Reformen. Diesmal wirft er allzu althergebrachte Hierarchien über Bord.

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Behörden und Gerichte, eigene Sicherheitskräfte, etliche Verwaltungs- und Bürogebäude, ein Supermarkt, eine Post, mehrere Kirchen und ein Bahnhof: Seit knapp hundert Jahren und auf 44 Hektar versammelt der Vatikanstaat alle nötige Infrastruktur, die ein eigenständiges Land braucht. Der kleine Kirchenstaat mit knapp 900 Bewohnern und rund 2.000 Mitarbeitern ist eine absolute Monarchie – die letzte Europas –, sämtliche Macht liegt beim Papst.

Der Staat der Vatikanstadt, so der offizielle Titel, dient dem international anerkannten Völkerrechtssubjekt "Heiliger Stuhl" als territoriale Basis. In dem von Franziskus 2023 überarbeiteten Grundgesetz heißt es: "Der Staat Vatikanstadt gewährleistet die absolute und sichtbare Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls bei der Erfüllung seiner hohen Sendung in der Welt und garantiert seine unbestreitbare Souveränität auch auf internationaler Ebene."

Erste Regierungschefin des Vatikanstaats

Die Verwaltung für das Gebiet und extraterritoriale Liegenschaften übernimmt das Governatorat. Diesem steht nun erstmals in seiner Geschichte eine Frau vor. Seit dem 1. März ist die italienische Ordensschwester Raffaella Petrini Regierungschefin. Bislang ging dieser Posten stets an einen Kardinal, zuletzt an Fernando Vérgez Alzaga. Unter ihm arbeitete Petrini seit 2021 als Generalsekretärin des Governatorats, also als Vize-Regierungschefin.

Als "Präsidentin des Governatorats des Staates der Vatikanstadt" leitet Petrini nun zugleich die Päpstliche Kommission für den Kirchenstaat. Diese übernimmt die gesetzgebende Funktion – "mit Ausnahme der Fälle, die der Heilige Vater sich selbst vorbehalten möchte". Die Kommission muss sich seit Überarbeitung des Grundgesetzes nicht mehr nur aus Kardinälen zusammensetzen. Die Mitglieder werden vom Papst für einen Zeitraum von fünf Jahren ernannt. Bislang allerdings ist Regierungschefin Petrini die einzige Nicht-Kardinälin.

Raffaella Petrini und Papst Franziskus
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani (Archivbild)

Die neue Regierungschefin Raffaella Petrini bei einem Treffen mit Papst Franziskus im Vatikan.

Mit ihrem Aufstieg kletterte auch ihr bisheriger Vize, der Anwalt Giuseppe Puglisi-Alibrandi eine Sprosse höher auf der Karriereleiter und ist nun Generalsekretär. Anders als bislang gesetzlich vorgesehen, übernimmt niemand seinen ursprünglichen Posten als Vize-Generalsekretär. Stattdessen glich Franziskus sein gerade erst überarbeitetes Grundgesetz sowie das "Gesetz über die Regierung des Staates Vatikanstadt" an und ernannte einen zweiten Generalsekretär: Erzbischof Emilio Nappa, bis dahin Präsident der Päpstlichen Missionswerke. In diesem Zuge übertrug der Pontifex Petrini die Befugnis, "den Generalsekretären bei Bedarf spezifische Befugnisse oder besondere Aufgaben zu übertragen".

Bereits zuvor durfte der Governatorat-Leiter seinem Generalsekretär und dessen Vize "die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben übertragen". Auch nehmen beide beratend an den Sitzungen der Päpstlichen Kommission für den Vatikanstaat teil. Ihre Aufgabenbereiche gliederten sich vor der Umstellung wie folgt: Der Generalsekretär unterstützt und vertritt den Präsidenten. Zudem setzt er dessen Richtlinien und Anordnungen um, beaufsichtigt die (Personal-)Verwaltung, koordiniert die Organe des Governatorats und stellt sicher, dass deren Aktivitäten den Vorschriften entsprechen. Neben der Vertretung des Generalsekretärs überwacht sein Vize unter anderem die Vorbereitung und Abfassung von Akten und Schriftverkehr.

Zuständigkeiten hat das Governatorat genug

Als ehemalige Generalsekretärin kennt Neu-Präsidentin Petrini das Aufgabenfeld genau. In welcher Form sie es unter nun zwei gleichberechtigten Männern aufteilen wird, bleibt abzuwarten. Zuständigkeiten hat das Governatorat genug. Es kümmert sich mittel der vatikanischen Gendarmerie um Sicherheit, Schutz von Gesundheit und Umwelt, wirtschaftliche Aktivitäten, die Post mit eigenen Briefmarken und Zolldienste, die Versorgung mit Energie und Telekommunikation. Dabei ist der Miniaturstaat allerdings fast vollständig abhängig von der ihn umgebenden Republik Italien. Die ihm bislang äußerst wohlwollend gesonnen ist.

Außerdem ist das Governatorat zuständig für die Erhaltung, Aufwertung und Nutzung des künstlerischen Bestandes der Vatikanischen Museen und beaufsichtigt das gesamte künstlerische, historische, archäologische und ethnografische Erbe – keine Industrie, dafür viel Kultur. Der Staat Vatikanstadt macht eben fast all das, was ein eigenständiges Land so tut – obgleich es das kleinste der Welt ist.

Von Severina Bartonitschek (KNA)