Ordensfrau: Fasten ist Frühjahrsputz für Körper, Seele und Geist

Im Kloster Alexanderdorf, südlich von Berlin, bietet Schwester Magdalena Böhm eine besondere Form des Fastens an. Circa 11 Teilnehmende kommen dabei für eine Woche zusammen, um unter Anleitung der Benediktinerin zu fasten. Die Gruppe verzichtet dann sieben Tage lang auf feste Nahrung und nimmt stattdessen Brühe, Säfte und Tee zu sich. Doch es geht der Ordensfrau dabei nicht nur um den Verzicht auf Essen – das Fasten im Kloster verbindet körperliche Effekte mit spiritueller Einkehr. Abseits des hektischen Alltags soll das Kloster einen geschützten Raum für Reflexion und Besinnung bieten. Im katholisch.de-Interview erzählt Schwester Magdalena, was man vom Fasten erwarten kann und welche Tipps Anfängern helfen können.
Frage: Schwester Magdalena, wir befinden uns mitten in der Fastenzeit. Auf was fasten Sie?
Böhm: Im Kloster fasten wir immer mittwochs und freitags. An diesen Tagen gibt es beispielsweise keinen Aufschnitt. Jetzt in der Fastenzeit nimmt sich jede Schwester zusätzlich etwas vor, auf das sie selbst verzichten möchte. Ich persönlich faste auf Süßigkeiten – aber nur an Wochentagen.
Frage: Was bedeutet Fasten für Ihren eigenen Glauben?
Böhm: Fasten bedeutet für mich, frei zu werden. Indem ich bewusst verzichte, erkenne ich, wovon ich mich abhängig fühle. Das zeigt mir, dass ich selbst entscheiden kann, was ich wirklich brauche – und was nicht. Gott möchte, dass ich diese Freiheit habe, selbst zu entscheiden. Wenn ich auf das Essen verzichte, gewinne ich außerdem Zeit, die ich zum Beispiel zum Beten nutzen kann. Dabei kann ich mich neu auf Gott ausrichten.
Frage: Viele Menschen fasten unabhängig von christlichen Vorgaben und Spiritualität. In Ihren Auszeiten führen Sie den radikalen Nahrungsverzicht mit dem Klosterleben zusammen. Warum?
Böhm: Wir haben als Ordensgemeinschaft überlegt, wie wir niedrigschwellig Besucher in unser Kloster einladen können. Da kam die Idee auf, Fastenwochen anzubieten. Über die deutsche Fastenakademie habe ich mich dann als Fastenbegleiterin ausbilden lassen. Seitdem biete ich regelmäßig einwöchige Seminare bei uns im Kloster an. Die spirituelle Ebene ist dabei immer Teil des Fastens. Ein Kloster ist dafür ein wunderbarer Ort, an dem man die Schnelllebigkeit unserer Zeit beiseitelegen kann und Zeit für Spiritualität finden kann.

Hier in der Abtei Sankt Gertrud kommen die Fastenden zusammen.
Frage: Wie kommt das Angebot an?
Böhm: Die Nachfrage ist sehr groß. Ich könnte viel mehr als die vier Kurse im Jahr 2025 anbieten. Das mag einerseits an der Lage unseres Klosters in der Nähe von Berlin liegen. Andererseits glaube ich auch, einen Fastentrend zu beobachten. Ich glaube, der Überschuss an Lebensmittel in unserer Gesellschaft löst bei den Menschen, eine Sehnsucht aus, weniger zu essen. Gerade jetzt zur Fastenzeit vor Ostern habe ich sehr viele Anfragen bekommen.
Frage: Was soll das Fasten denn bringen?
Böhm: Jede und jeder muss sich selbst vorher überlegen, was sie oder er mit dem Fasten erreichen möchte. Ich lade zu Beginn immer ein, während der Zeit im Kloster Tagebuch zu schreiben. Am Anfang sollen die Teilnehmenden klar formulieren, was ihnen in dieser Woche wichtig ist. Einige kommen auch mit einer konkreten Fragestellung, auf die sie eine Antwort suchen. Da kann das Fasten helfen. In dieser Woche erleben die Teilnehmenden einen körperlichen Wandel und der wirkt sich auch auf die Seele und den Geist aus. Wenn ich mich körperlich wohler fühle, dann bin ich auch als Mensch klarer und präsenter. Das kann helfen, Antworten auf große Fragen zu finden.
Frage: Wer interessiert sich für dieses Angebot?
Böhm: Alle, die hierherkommen, haben die Sehnsucht, sich neu zu orientieren. Die meisten sind in ihren Fünfzigern oder stehen kurz vor der Rente. Die Mehrheit sind Frauen. Meistens ist nur ein Drittel der Gruppe männlich. Ich glaube, für Männer spielen Gesundheitsthemen weniger eine Rolle. Sie nehmen sich seltener die Zeit, etwas Gutes für sich zu tun. Viele, die zu uns kommen, sind außerdem einsam. Ich merke das daran, dass sie es nicht mehr gewohnt sind, an einer Gemeinschaft teilzunehmen.
Frage: Welche Rolle spielt denn die Gemeinschaft beim Fasten?
Böhm: Die Gemeinschaft, die die Teilnehmenden hier erleben, ist oft eine ganz andere als in ihrem Alltag. Sie treffen auf Menschen, denen sie außerhalb des Klosters vielleicht nie begegnen würden. Viele öffnen sich schnell, sie tauschen sich über ihre Probleme mit dem Fasten aus und motivieren einander dabeizubleiben. Ich finde es sehr faszinierend, wie viel auch über das Thema Essen gesprochen wird. Viele tauschen Rezepte aus und sprechen darüber, wie man nach dem Fasten wieder mit dem Essen beginnt. Immer wieder finden sich wirkliche Freundschaften, die auch über die Fastenzeit hinaus erhalten bleiben.

Zum Mittagessen gibt es immer eine Brühe für die Fastenden.
Frage: Wo sind für Sie die Grenzen des Nahrungsverzichts?
Böhm: Was ich anbiete, ist Fasten für Gesunde – kein Heilfasten. Alle Teilnehmenden unterschreiben, dass sie die Verantwortung für ihr Fasten selbst tragen. Bei Interessenten mit bestimmten Krankheiten oder Medikamenten sage ich die Teilnahme auch ab. Ich stelle den Fastenden auch keine Waage hin oder gebe ihnen ein Maßband, um ihren Bauchumfang zu überprüfen. Es geht hier um eine seelische und geistige Erfahrung. Der Fokus soll nicht auf dem körperlichen Fasten liegen.
Frage: 650 Euro zu zahlen, um eine Woche aufs Essen zu verzichten – das klingt nach einem schlechten Deal. Was bieten Sie den Fastenden?
Böhm: Jeden Mittag bekommen die Teilnehmenden eine Brühe und am Abend gibt es einen frisch gepressten Saft. Über den Tag biete ich unseren Klostertee an. Es ist nicht zu unterschätzen, wie viel das schon bringt. Außerdem bin ich als Referentin die gesamte Woche über für die Teilnehmenden ansprechbar und biete auch ein Programm an. Vormittags ist das eher aktiv, nachmittags eher mediativ.
„Gerade die Fastenzeit lädt ein, diesen Frühjahrsputz für Körper, Seele und Geist zu wagen.“
Frage: Wo zeigt sich christliche Spiritualität in Ihrem Programm?
Böhm: Einige unserer Teilnehmenden sind sehr katholisch, anderer haben gar nichts mit Religion zu tun. Ich merke aber, dass das Kloster fast jeden berührt. Gott kommt meistens nicht am Anfang zur Sprache. Bei vielen Teilnehmenden bleibt es aber nicht aus, dass sie sich auch über ihren eigenen Glauben Gedanken machen. Außerdem lade ich alle ein, an unserem Stundengebet und an der Messe teilzunehmen. Das wird wirklich gut angenommen – auch von einigen, die eigentlich gar nichts mit der Kirche zu tun haben. Zusätzlich biete ich jede Woche einen Bibliolog an. Das ist eine interaktive Methode der Bibelarbeit. Und am Ende segne ich jeden Teilnehmenden.
Frage: Was hat Ihr Fastenprogramm denn noch mit der österlichen Bußzeit zu tun, die die Kirche vorsieht?
Böhm: Ich denke für die Teilnehmenden, die nichts mit der Kirche am Hut haben, spielt die österliche Bußzeit keine Rolle. Aber im Kurs, der während der Fastenzeit lief, waren einige, die sich bewusst für diesen Zeitraum entschieden haben. Sie kommen regelmäßig in die Gottesdienste und erleben hier die Fastenzeit bewusster als in ihrem Alltag. Meist fragen sie mich, was für uns Schwestern die Fastenzeit bedeutet.
Frage: Was würden Sie Menschen raten, die das erste Mal fasten und unsicher sind?
Böhm: Man sollte auf jeden Fall nicht allein fasten. Am besten kann man sich eine Gruppe suchen oder jemanden, der bereits Erfahrung hat. Wenn man sich zusätzlich noch klar macht, warum man fasten möchte, fällt der Verzicht noch leichter. Gerade die Fastenzeit lädt ein, diesen Frühjahrsputz für Körper, Seele und Geist zu wagen.