Wirbel um Rücktritt eines Pfarrers im Bistum Passau
Ein Pfarrer erklärt seinen Rücktritt, der Bischof nimmt ihn an und ernennt einen Übergangsleiter. So wäre der übliche Ablauf, für die Presse höchstens eine knappe Notiz wert. In einem aktuellen Fall im Bistum Passau ist es aber anders gelaufen. Inzwischen liefert er nicht nur Stoff für überregionale Schlagzeilen, sondern auch für die Staatsanwaltschaft.
Der Pfarrer hat über einen Rechtsbeistand mitteilen lassen, das mit dem angeblichen Amtsverzicht sei ein Missverständnis. Was das Bistum zurückweist. Und das ist beileibe nicht das einzige, was bei der Angelegenheit unklar ist. Im Raum stehen Vorwürfe älteren und jüngeren Datums gegen den Pfarrer. Hauptsächlich geht es um seine Jugendarbeit.
Pfarrer bestreitet Vorwürfe
Nach Informationen der "Passauer Neuen Presse" sind seit Juni 2023 um die 50 Meldungen bei der Bistumsverwaltung eingegangen: von kirchlichen Mitarbeitern, einzelnen Christen, Verantwortlichen in der Ministrantenarbeit und in der diözesanen Präventionsstelle. Auch von früheren Wirkungsorten des Pfarrers hätten sich Leute gemeldet.
Bei Gruppenstunden, Partys und Ausflügen soll der Priester in großem Umfang Alkohol an Minderjährige ausgeschenkt haben. Zu regelrechten Saufgelagen soll es gekommen sein, mit Wodka und Bier. Mit ausgewählten Ministranten sei der Pfarrer nach Mallorca geflogen. Der Alkoholmissbrauch sei durch Dutzende Fotos und Videos belegt. Der Pfarrer indes bestreite sämtliche Vorwürfe. Zugleich fühlten sich seine Kritiker durch ihn gemobbt.

Bei Gruppenstunden, Partys und Ausflügen mit Ministranten soll es zu regelrechten Saufgelagen gekommen sein, so die Vorwürfe.
Das Rechercheportal correctiv.org berichtet, ihm sei dazu ein 151-seitiges Gutachten des "unabhängigen Ansprechpartners bei geistlichem Missbrauch" im Bistum Passau zugespielt worden. Der Pfarrer soll demnach Jugendliche zu exzessivem Trinken verleitet haben. Besonders besorgniserregend sei ein bestimmter Zug in seinem Verhalten: "Er testet und überschreitet Grenzen und schafft ein Umfeld, in dem die Jugendlichen zunehmend weniger in der Lage sind, riskante oder unangemessene Situationen als solche zu erkennen."
Die Bistumsleitung nimmt die Vorwürfe nach eigenem Bekunden ernst, ganz geheuer scheint ihr die Sache im Detail aber nicht zu sein. In dem Bericht würden "Sachverhalte unrichtig dargestellt und widerlegbare Behauptungen aufgestellt sowie Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt". Man habe daher eine externe Anwaltskanzlei hinzugezogen.
"Keine Resonanz" bei Visitation
Vergangenes Jahr kam Bischof Stefan Oster zu einer Visitation in den betroffenen Pfarrverband. Als er auf die "ihm bekannte Konfliktsituation" zu sprechen kam, erhielt er nach Bistumsangaben aber "so gut wie keine Resonanz". Vor seiner Rückkehr nach Passau hinterließ er den Appell an die offenkundig gespaltene Gemeinde, "mit der Haltung des gegenseitigen Wohlwollens aufeinander zuzugehen".
Doch die Lage eskalierte weiter. Mittlerweile sind weitere Instanzen mit der Causa befasst. Das Bistum hat "eine kirchenrechtliche Prüfung in Rom" eingeleitet. Was da genau geprüft wird, wurde nicht mitgeteilt.
Nun soll sich auch die Staatsanwaltschaft mit "neuen, bislang nicht bekannten Vorwürfen" befassen, die dem Bistum nach eigener Darstellung erst Anfang vergangener Woche übermittelt wurden. Das habe die vom Bistum engagierte unabhängige Beauftragte für sexuellen Missbrauch "dringend empfohlen".

Laut Bistum wurde eine "kirchenrechltliche Prüfung" in Rom eingeleitet.
Der Anwalt des Geistlichen spricht von "vagen und unbegründeten Verdächtigungen" gegen seinen Mandanten. Die Tätigkeit der unabhängigen Missbrauchsbeauftragten des Bistums werfe Fragen hinsichtlich ihrer Fachkompetenz und Objektivität auf. "In diesem Fall sieht alles danach aus, dass ein kleiner Kreis bösartiger Menschen einen richtig guten Pfarrer unter dem feigen Deckmantel der Anonymität mit falschen Vorwürfen überzieht."
Nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks verfügt der Pfarrer über einen großen Rückhalt in der Region. Die Ministrantenschar habe sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt. Kirchlich Engagierte sprächen von einer "Hetzkampagne". Bei gelegentlichem Alkoholkonsum sei nach Angaben beteiligter Kinder "alles im Rahmen" geblieben.
Ministranten wollen Dienst quittieren
Unterdessen haben Eltern und ältere Ministranten in einem offenen Brief an den Bischof die Anschuldigungen gegen den Pfarrer als aus der Luft gegriffen und als das Werk von "Denunzianten" zurückgewiesen.
Fest steht momentan nur eines: Der Geistliche darf sein Amt von diesem Montag an nicht mehr ausüben. Dazu hat ihm der Bischof bis auf Weiteres öffentliche Auftritte als Priester und die Feier der heiligen Messe verboten.
Am Sonntag waren die Kirchenbänke in Abwesenheit des Pfarrers nach BR-Angaben bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Andrang wurde auf etwa 2.500 Menschen geschätzt. Ministrantinnen und Ministranten verkündeten, fast alle von ihnen wollten nun ihren Dienst niederlegen. Dem BR zufolge war dies nur eine Form, wie sich Protest, Trauer und Unverständnis angesichts der Entscheidung der Bistumsleitung manifestierten. Der Anwalt des Geistlichen sprach von einer "Demonstration des Glaubens und der Solidarität für den Pfarrer". Dem Bistum bescheinigte er ein "katastrophales Krisenmanagement".