Verwaltungsleiterin: Ich kann der Kirche etwas zurückgeben

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Die Kirche in der Region Hannover wird seit einigen Monaten von einem Leitungsteam verantwortet. Dazu gehört neben dem Propst und zwei Ehrenamtlichen auch Sabine Marquardt. Die Juristin ist als Verwaltungsleiterin für die Bereiche Finanzen und Personal zuständig. Im Interview erzählt sie von ihrer Aufgabe und der Bedeutung von Frauen für die Kirche.
Frage: Sie sind im Leitungsteam der katholischen Kirche in der Region Hannover seit gut sieben Monaten zuständig für 23 Pfarrgemeinden mit 128.000 Katholikinnen und Katholiken. Das ist das größte Verwaltungsgebiet im Bistum Hildesheim. Welche Verantwortung haben Sie, was ist Ihre Aufgabe?
Marquardt: Ich bin als Führungskraft und Leitung der Verwaltung für die katholische Kirche in der Region Hannover tätig und Mitglied des neuen Leitungsteams. Dieses Team setzt sich aus dem Propst als leitendem Geistlichen, zwei Ehrenamtlichen aus unseren Gremien und mir als Fachfrau für Verwaltung zusammen. Wir kümmern uns zusammen um die Belange der katholischen Kirche in der Region Hannover.
Frage: Das sind 60 Kirchorte. Ein Viertel des gesamten Bistums. Wie fühlt sich das an, für die verantwortlich zu sein?
Marquardt: Das ist natürlich ein schönes Gefühl, wenn man in einem Leitungsteam für so viele Menschen Verantwortung trägt – gemeinsam mit den Kirchengemeinden, die ihre eigene Verantwortung vor Ort wahrnehmen.
Frage: Im Oktober hat der Bischof Ihres Bistums Hildesheim, Heiner Wilmer, Sie und das gesamte neue Leitungsteam der katholischen Kirche in der Region Hannover mit einem Gottesdienst eingeführt. Was bedeutet Ihnen das?
Marquardt: Das hat uns sehr viel bedeutet. Für uns war das ein Zeichen, dass dieses Leitungsteam vom Bischof gewollt ist, dass er uns wirklich unterstützen möchte. Es war für uns ein ganz wichtiges Signal: Wir sind eine neue Form von Leitung und er steht hinter uns. Das gibt uns ein gutes Gefühl.

In der Regel liegt die Verantwortung in der Kirche noch in der Hand von geweihten Männern.
Frage: Das Team bedeutet: Zwei Ehren- und zwei Hauptamtliche leiten das Dekanat. Eine davon sind Sie, neben Ihnen Propst Wolfgang Semmet. Wie klappen die Absprachen? Wie teilen Sie sich das auf – auch ganz praktisch?
Marquardt: Es geht darum, als Verwaltungsleitung dem Propst Verwaltungsthemen abzunehmen, ihn zu entlasten. Der Propst steht nicht mehr alleine da, sondern hat jetzt ein Team, das ihn unterstützt und Aufgaben übernehmen kann. Wir merken im Team, dass wir tatsächlich Stärken potenzieren und Schwächen ausgleichen können – der klassische Teamgedanke. Und ich freue mich, dass das so gut gelingt. Ich habe kollaboratives Arbeiten im Rahmen von Organisationsentwicklung studiert, daher ist mir Teamarbeit besonders wichtig.
Frage: Die Bereiche Finanzen und Personal sind Ihre. Wie zuversichtlich sind Sie bei all den Kirchenaustritten, weniger Einkünften aus Kirchensteuern demnach und allem, was sonst noch daran hängt und mit zusammenhängt? Auch Personal ist eher Mangelware in den letzten Jahren, in den nächsten Jahren wird es eher noch drastischer prognostiziert.
Marquardt: Ja, das merken wir natürlich, das ist ganz klar. Aber ich bin da positiv gestimmt, weil ich unsere Mitarbeitenden kennenlernen durfte und sehe, was sie für tolle Arbeitsfelder haben, gerade in der Seelsorge, wie wichtig die Aufgaben sind, was sie den Menschen bedeuten. Das kriege ich auch durch Zuschriften gespiegelt. Seelsorge ist ein richtig tolles Berufsfeld. Ich bin sicher, dass wir immer Menschen finden werden, die Lust haben, in der Seelsorge tätig zu sein. Für die Finanzen ist es wichtig, langfristig eine effiziente Verwaltungsstruktur aufzubauen, damit wir möglichst viele Ressourcen einsetzen können für das, was uns als Kirche ganz wichtig ist, nämlich die Seelsorge.
Frage: Warum haben Sie dieses Amt jetzt bekommen und wofür stehen Sie morgens immer auf, was macht Ihnen daran Freude?
Marquardt: Ich bin tatsächlich mit sehr viel Herzblut dabei. Das hat zwei Aspekte: Zum einen arbeite ich einfach unwahrscheinlich gerne mit Menschen. Ich bin ja Juristin, Arbeitsrechtlerin und Personalleiterin. Das ist meine Leidenschaft, die ich zum Beruf machen konnte. Da habe ich wirklich viel Glück, denn die Arbeit mit Menschen liegt mir sehr am Herzen. Zum anderen geht es mir als Organisationsentwicklerin natürlich darum, Prozesse und Strukturen gut aufzustellen und teilweise neu zu schaffen, damit wir eine effiziente Verwaltung bekommen, eine Verwaltung als Dienstleister. Das macht mir sehr viel Spaß. Es bereitet mir auch Freude, weil ich den Eindruck habe, ich kann der katholischen Kirche etwas zurückgeben. Ich bin ja Ur-Hannoveranerin, bin in der Stadt geboren und habe in der Region gelebt. Sowohl Stadt als auch Region Hannover liegen mir sehr am Herzen. Und in der katholischen Kirche bin ich sozialisiert: Ich komme aus einem katholischen Elternhaus und habe als Kind und Jugendliche sehr viel mit der Kirche zu tun gehabt. Ich hatte ganz verschiedene Ämter: Messdienerin, Firmkatechetin und Lektorendienst, war im Pastoralrat und habe mich immer schon sehr engagiert. Ich habe dort sehr viel Gemeinschaft erfahren und hatte wirklich eine tolle Kindheit und Jugend mit der katholischen Kirche. Ich habe gedacht, das ist jetzt vielleicht der Moment, wo man auch etwas zurückgeben kann. Das ist der Grund, warum ich morgens aufstehe und jeden Morgen meine Arbeit gerne und mit Herzblut und Leidenschaft aufnehme.
Frage: Wo in Ihrem Leben steht denn diese Veränderung? Sie sind Juristin geworden, haben von Ihrem Studium gesprochen. Ist das das, wo Sie immer schon hinwollten?
Marquardt: Nein, das kann man so nicht sagen. Ich bin nicht Juristin und Personalleiterin geworden oder habe Organisationsentwicklung studiert, um mal irgendwann für die katholische Kirche zu arbeiten. Tatsächlich haben mich Bekannte angesprochen und auf die Stellenausschreibung aufmerksam gemacht. Als ich gelesen habe: "Projekt, Team und neue Gestaltung, neue Wege, die beschritten werden", fand ich das spannend und habe gedacht, das könnte ich mir gut vorstellen. So bin ich da hingekommen.
„Verwaltung ist Dienstleister – leistet Dienste für die Mitarbeitenden, für die Organisation durch gut strukturierte Prozesse, durch Digitalisierung, durch effiziente Arbeit oder Beantworten von Anfragen.“
Frage: Besonders groß in den Medien war – als es dann feststand, dass Sie die "Chefin" der katholischen Kirche in Hannover werden –, dass es eine Frau macht. Fühlt sich das für Sie auch so an, ist das etwas Besonderes? Oder wird das eher von außen an Sie herangetragen?
Marquardt: Also, erstmal finde ich "Chefin" immer so ein bisschen schwierig, weil wir ja ein Team sind. Zweitens muss man, wenn man einen kooperativen Führungsstil hat, die Chefinnen-Karte gar nicht ausspielen. Wichtiger als eine Chefin-Funktion ist, glaube ich, dass man tatsächlich etwas bewirkt für die Mitarbeitenden. Ich komme ja aus der Organisationsentwicklung. Das ist eine berufliche Welt, in der wir eigentlich gar nicht aufs Geschlecht schauen, sondern in der wir geschlechtsunabhängig unterwegs sind. Wir gucken auf die Kenntnisse und Fähigkeiten und das Geschlecht spielt für uns dabei keine Rolle mehr. Da stehen wir eigentlich jetzt. Als Katholikin muss ich sagen, dass ich das natürlich schon begrüße, wenn sich auch Frauen einbringen. Wir haben aber tatsächlich schon Frauen in Führungspositionen im Bistum, so ist das nicht! Das begrüße ich sehr, weil ich denke, es ist immer gut, wenn man sich divers aufstellt. Ich bekomme recht viele unterstützende Zuschriften und viel positives Feedback von Kirchenmitgliedern und von den Mitarbeitenden. Die thematisieren und konnotieren das positiv. Das freut mich natürlich!
Frage: Das eine ist die praktische Arbeit, innerhalb der Sie in Kontakt mit den Menschen kommen. Das andere ist die Schreibtischarbeit, die Sie auch erledigen. Was gibt Ihnen den Antrieb, auch die hintergründigen Arbeiten zu erledigen?
Marquardt: Was mir daran Spaß macht, ist, die Haltung der Verwaltung als Dienstleister umzusetzen. Die Verwaltung muss immer der Organisation dienen. Das heißt, sie unterstützt sie, aber sie saugt sich selber nicht voll und übt auch keine Macht aus. Verwaltung ist Dienstleister – leistet Dienste für die Mitarbeitenden, für die Organisation durch gut strukturierte Prozesse, durch Digitalisierung, durch effiziente Arbeit oder Beantworten von Anfragen. Idealerweise ist sie auch flexibel und anpassungsfähig und kann Lösungen anbieten, die den Berufsalltag der Mitarbeitenden erleichtern und dazu beitragen, dass die Aufgaben besser erledigt werden können. Das ist eine unheimlich schöne Aufgabe und das macht mir Spaß.
Frage: Sie stellen dazu Angebote zur Verfügung. Was stellen Sie sich in Zukunft vor, wie katholische Kirche in der Gesellschaft auch weiterhin eine gute Rolle spielen kann?
Marquardt: Ich glaube, ganz wichtig ist, dass wir uns immer bewusst machen, dass Seelsorge Dienst am Menschen ist. Dazu gehört, dass wir als katholische Kirche in der Region Hannover mit unseren Kirchenmitgliedern in Kontakt kommen, hören, was sie uns zu sagen haben. Das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt. Ich versuche das, indem ich sonntags in unterschiedliche Kirchen gehe und einfach dekanatsweit ein bisschen in Kontakt komme, die Kirchplatzgespräche genieße und in den Austausch komme. Es gibt viele Kirchenmitglieder, die konstruktive Vorschläge haben. Das finde ich ganz toll. Also zuhören, verstehen, aufnehmen und das dann im Team auch berücksichtigen. Das ist dort, wo wir im Moment stehen, um den Bedarf ermitteln zu können. Und immer überprüfen – das muss man ja jederzeit, eigentlich in jeder Organisation: Bin ich am Bedarf? Brauchen die Menschen das, was ich tue, oder brauchen sie etwas anderes?