Pastoralreferent: "Möchte nicht wie Ersatzpriester wirken"
Pastoralreferent Christian Slunitschek ist schon gespannt, wie die ARD-Gottesdienstübertragung an Allerheiligen bei den Zuschauern ankommen wird. Denn dieses Jahr kommt der Fernsehgottesdienst aus seiner Gemeinde Sankt Johannes Evangelist in Nürtingen. Das Besondere daran: Es wird keine Eucharistiefeier sein. Der Theologe gestaltet eine Wortgottesfeier gemeinsam mit anderen. Darauf freut er sich schon. Im Interview mit katholisch.de erklärt Slunitschek, wie es dazu kam und wie er Gemeindearbeit versteht.
Frage: Herr Slunitschek, wie kam es dazu, dass die ARD dieses Jahr an dem christlichen Hochfest Allerheiligen eine Wortgottesfeier mit Ihnen im Fernsehen überträgt?
Christian Slunitschek: Die Rundfunkbeauftragten des SWR kamen mit dieser Idee auf uns zu. Wir haben gleich zugesagt, denn hier in Sankt Johannes Evangelist in Nürtingen ist es üblich, sonntags neben der Eucharistiefeier auch Wortgottesfeiern mit der Gemeinde zu feiern. Bei uns gibt es sonntags also beides. Und genau das sollte auch einmal bei Gottesdienstübertragungen im Fernsehen zu sehen sein, dass es normal ist für Kirchengemeinden, dass nicht nur der Pfarrer vorne steht bei einer Messe, sondern auch andere pastorale Mitarbeiter oder Ehrenamtliche mit der Gemeinde Gottesdienste feiern. Frauen und Männer können gemeinsam Liturgie auf stimmungsvolle Weise gestalten.
Frage: Warum feiern Sie so viele Wortgottesfeiern sonntags in Ihrer Gemeinde?
Slunitschek: Ganz einfach: Wir haben aktuell keinen Leitenden Pfarrer mehr in der Gemeinde am Ort. Wir hatten in den letzten Jahren zwar immer wieder einen Pfarrer, aber die gingen alle wieder. Diese vielen Pfarrerwechsel haben die Menschen in der Gemeinde mitgenommen. Zu unserer Pfarrkirche in Nürtingen gehören fünf Filialkirchen sowie eine evangelische Kirche und rund 8.300 Katholiken. Als sich vor drei Jahren der letzte Leitende Pfarrer eine Auszeit nahm und aus der Gemeinde wegging, haben wir uns im Kirchengemeinderat gefragt, wie es weiter gehen kann. Wir haben beschlossen, dass wir nach drei Vakanzen innerhalb von vier Jahren nicht mehr darauf warten wollen, bis ein neuer Pfarrer zu uns in die Gemeinde kommt. Wir versuchen, Gemeinde selbst zu gestalten und haben die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt. Auch wenn hin und wieder manches nicht gelingt, schaffen wir das gemeinsam gut. Die Eucharistiefeiern übernimmt unser Pfarrvikar aus dem Team, der ursprünglich aus Indien kommt und seit drei Jahren bei uns ist. Und die Wortgottesfeiern gestaltet ein großes Team aus Ehrenamtlichen und zum Teil ich selber. Es freut mich so, dass wir inzwischen 18 Gemeindemitglieder haben, die die Ausbildung dazu gemacht haben und bereit sind, sonntags und unter der Woche mit der Gemeinde Gottesdienste zu feiern. Unsere älteste Wortgottesfeierleiterin ist fast 80, die jüngste 37 Jahre alt. In unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart ist es schon seit rund 20 Jahren üblich, Ehrenamtliche für diesen Dienst auszubilden. Auch wegen des Priestermangels.
Frage: Und Sie leiten als Laie die Kirchengemeinde?
Slunitschek: Ja, de facto mache ich das, obwohl ich nicht "Gemeindeleiter" bin. Allerdings hat mir unser Pfarradministrator, das ist ein Pfarrer aus der Nachbargemeinde, viele Aufgaben delegiert und in diesem Rahmen kann ich sehr selbstständig handeln. Der Pfarradministrator übernimmt verschiedene Aufgaben im Hintergrund. Zum Beispiel unterschreibt er Verträge und stärkt uns den Rücken. In das laufende Tagesgeschäft mischt er sich aber nicht ein, das organisiere ich. Seitdem wir keinen eigenen Pfarrer mehr haben, habe ich nach und nach Leitungsaufgaben übernommen, weil ich anfangs der einzig verbliebene pastorale Mitarbeiter war. Ich komme ursprünglich aus dem Erzbistum Paderborn und habe dort und in Jerusalem Theologie studiert. Danach bin ich aus familiären Gründen in den Süden gezogen und habe dann in der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Ausbildung zum Pastoralreferenten abgeschlossen. Ich freue mich darüber, wie viel pastorale Verantwortung ich als Laie in einer Gemeinde übernehmen darf. Ich verstehe meinen Dienst als Teamarbeit, auch wenn ich als pastoraler Ansprechpartner das Gesicht unserer Gemeinde nach außen bin. Es erfüllt mich, mit Kindern und Familien zusammen zu arbeiten, andere in existenziellen Lebenssituationen zu begleiten. Im letzten Jahr sind ein paar Menschen wieder in unsere Kirche eingetreten. Wenn Gemeinde wächst, berührt mich das.
Frage: Wer gehört denn noch zu Ihrem pastoralen Team?
Slunitschek: Neben mir gibt es noch unseren Pfarrvikar in Vollzeit, der vor allem die priesterlichen Dienste übernimmt. Er feiert mit der Gemeinde die Eucharistie, er hört die Beichte, hält Beerdigungen, Taufen und Eheschließungen und spendet die Krankensalbung. Daneben gibt es einen Mitarbeiter, der die vielen Ehrenamtlichen koordiniert und begleitet, sowie eine Jugendreferentin, einen Kirchenmusiker, drei Pfarramtssekretärinnen in Teilzeit und eine Kirchenpflegekraft. Gemeinsam haben wir eine Teamsitzung, die ich leite. Dort werden dann die Aufgaben besprochen und verteilt und zum Beispiel die Gottesdienstpläne erstellt. Auch der Gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats und seine Stellvertreter übernehmen Aufgaben in der Verwaltung und die Kirchenpflegerin kümmert sich um die kirchlichen Immobilien. Wir teilen uns die Leitung der Gemeinde im Team auf.
Fragen: Taufen Sie auch?
Slunitschek: Nein, bislang nicht, ich begleite aber Familien auf dem Weg zur Taufe. Die Feier selbst leitet dann unser Pfarrvikar. Wir haben etwa 40 Taufen und 90 Beerdigungen im Jahr in unserer Pfarrei. Den Beerdigungsdienst teile ich mir mit dem Vikar auf. Außerdem sprechen wir uns bei den Schulgottesdiensten ab, bei den Krankenbesuchen und bei der Begleitung der Firm- und Erstkommunionkatechese. Auch die ökumenischen Andachten übernehme ich sowie viele andere administrativen Aufgaben. Auch alle Personalfragen landen bei mir auf dem Tisch. Wenn wir zum Beispiel einen neuen Hausmeister oder einen neuen Kirchenmusiker einstellen, dann läuft das bei mir auf. Außerdem feiern wir jede Woche Wortgottesfeiern, wovon ich immer wieder eine am Sonntag übernehme.
Frage: Wie viele Wortgottesfeiern haben Sie an einem Sonntag?
Slunitschek: Das können bis zu fünf Wortgottesfeiern in unseren sechs Kirchen sein. Die meisten davon gestalten unsere Ehrenamtlichen. Das sind Menschen aus der Gemeinde, die schon länger als Lektoren oder Kommunionhelfer tätig sind und sich dann dazu bereit erklären, Wortgottesfeiern vorzubereiten und zu leiten. Damit ist gewährleistet, dass sich an allen Kirchorten Menschen zum Gottesdienst versammeln können. Wir haben in der Pfarrei auch eine evangelische Kirche, die wir als katholische Gemeinde mitnutzen dürfen und dort Messen und Wortgottesfeiern anbieten. Das finde ich immer besonders schön, wenn wir als Christen in einer gemeinsamen Kirche feiern. Ansonsten bieten wir am Wochenende neben der Vorabendmesse am Samstag zwei Eucharistiefeiern jeden Sonntag an.
Frage: Dennoch gibt es bestimmt einige Gemeindemitglieder, die eine heilige Messe mit Kommunion der Wortgottesfeier vorziehen…
Slunitschek: Ja, das ist sicher so. Jedoch merke ich, dass es Gemeinden mit konstanten Gottesdienstbesuchern gibt, die an beide Formen gewöhnt sind und bei beidem mit ganzem Herzen dabei sind. Die Kommunion wird ja auch in der Wortgottesfeier gespendet. Ich bin wirklich schon gespannt, wie unsere Wortgottesfeier an Allerheiligen bei der Fernsehgemeinde ankommen wird. Gemeinsam mit der Pastoralreferentin Katharina Leser von der Katholischen Rundfunkarbeit am SWR und vielen Ehrenamtlichen, werden wir die Feier gemeinsam gestalten.
Frage: Werden Sie beim Fernsehgottesdienst an Allerheiligen predigen?
Slunitschek: Meine Kollegin Katharina Leser wird eine Kurzpredigt halten und im Anschluss daran zeigen wir einen Videobeitrag, in dem wir Orte vorstellen, an denen sich Menschen für andere einsetzen. Das Thema des Gottesdienstes ist ja, wie wir füreinander wie Heilige sein können. Vielleicht regt unser Beitrag manche dazu an, darüber nachzudenken, wo sie selbst anderen Gutes tun können. Oft sind es die Kleinigkeiten, die eine große Wirkung haben können.
Frage: Was werden Sie bei dem Fernsehgottesdienst tragen?
Slunitschek: Ich werde meine weiße Albe anziehen. Das weiße Gewand erinnert mich an meine Taufe und ist ein Zeichen dafür, dass ich jetzt zusammen mit der Gemeinde einen Gottesdienst feiere. Es ist meine Arbeitskleidung. Ich werde vielleicht auch noch einen Kragen in der liturgischen Farbe des Tages dazu tragen. Da bin ich mir aber noch nicht sicher. Ich möchte nicht wie ein Ersatzpriester wirken. Ich fühle mich wohl in meiner Rolle als Laie, der sich Zeit für die Menschen nimmt, mit ihnen würdig einen Gottesdienst feiert und für sie da ist. Auch nach der Übertragung im Fernsehen bin ich gemeinsam mit anderen über das Zuschauertelefon erreichbar und für Gespräche da. Darauf freue ich mich schon. Ich wünsche mir, dass unser Fernsehgottesdienst aus Nürtingen die Menschen bereichert. Es ist ein Stück Pionierarbeit, die wir hier leisten, um zu zeigen, wie vielfältig Liturgie in der Kirche sein kann und dass auch eine Wortgottesfeier eine wundervolle Form sein kann, mit Gott das Leben zu feiern.
Allerheiligen mit der Kirchengemeinde Sankt Johannes Evangelist in Nürtingen feiern
"Heilig. Hier und heute." lautet der Titel des Gottesdiensts an Allerheiligen, den die ARD live aus der Kirche Sankt Johannes in Nürtingen am 1. November 2024 um 10 Uhr überträgt.