Carina Adams über das Sonntagsevangelium

Wenn wir schweigen, werden die Steine schreien

Veröffentlicht am 12.04.2025 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 5 MINUTEN
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Bonn ‐ Mit ihren Jubelrufen schreien sich die Jünger ihre Not und Angst, Hoffnung und Sehnsucht von der Seele – sehr zur Sorge der Autoritäten. Carina Adams entdeckt im Sonntagsevangelium eine Mahnung an uns alle, was es bedeutet, den Friedensfürsten zu preisen.

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"Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn." In diesem Satz zeigt uns das heutige Evangelium, was die Menschen seiner Zeit vielfach von Jesus erwarteten: Das Heilige Land ist römische Provinz und der uns aus dem Glaubensbekenntnis bekannte Pontius Pilatus regiert als Besatzer. Jesus wird ihm später erklären: "Mein Königtum ist nicht von dieser Welt." Aber auch an Aposteln wie Judas und Petrus sehen wir, dass viele ihn sich als neuen König David vorstellen.

Während die Menge sich in ihrer Begeisterung gegenseitig ansteckt, gefällt der einem Triumphzug ähnelnde Einzug Jesu in Jerusalem nicht jedem. Die hohen jüdischen Autoritäten in der Stadt dürften besorgt sein, dass das fein austarierte Verhältnis zu den römischen Besatzern in Gefahr gerät. Sie haben miterkämpft, dass jüdische Gläubige eine religiöse Sonderstellung im römischen Reich innehaben, die ihnen im Gegensatz zu vielen anderen Kulturen weitgehende Religionsfreiheiten garantiert. Das Verhalten der Menge riecht nach Revolution und wie die Römer die niederschlagen, wissen die Religionsführer.

"Weise deine Jünger zurecht!", fordern sie Jesus auf. Er, der selbst nicht als weltliche Autorität nach Jerusalem gekommen ist, verweigert diese Aufforderung. Obwohl er später Pilatus erklären wird, dass ihn dessen kleine weltlich begrenzte Herrschaftsmacht nicht interessiert. Oder gerade deswegen? Die Jünger loben Gott und sie bejubeln den Frieden, den sie sich durch Jesus erhoffen. Kein vorsichtig balanciertes Machtverhältnis nur teilweiser Unterdrückung, echten Frieden. Jesus stellt sich schützend vor sie:

"Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien."

Ist ein Schweigen der Jünger so unmöglich, wie uns diese Aussage vorkommt? Ihre Freude entsteht aus ihrer Not und Hoffnung. Mit ihrem Jubel schreien sie, dass sie nicht mehr unter römischer Besatzung leben wollen. Sie schreien nach einem echten und freien Frieden. Der Jubel an Palmsonntag ist, vor allem, weil wir heute wissen, wie es weitergeht und dass vor der Auferstehung erst das grausame Folterinstrument Kreuz steht, ein Schrei aus der Unterdrückung.

Und so ist das Evangelium heute eine Mahnung an uns alle, die Jesus nachfolgen. Unser Jubel für den Friedensfürst ist immer auch ein Schrei für echten und freien Frieden. Ein Schrei gegen jede Gewalt, jeden Krieg und jedes Unrecht. Denn wenn wir schweigen, werden die Steine schreien.

Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 19,28–40)

In jener Zeit ging Jesus nach Jerusalem hinauf. Und es geschah: Er kam in die Nähe von Bétfage und Betánien, an den Berg, der Ölberg heißt, da schickte er zwei seiner Jünger aus und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt! Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort ein Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her! Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr es los?, dann antwortet: Der Herr braucht es.

Die Ausgesandten machten sich auf den Weg und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. Als sie das Fohlen losbanden, sagten die Leute, denen es gehörte: Warum bindet ihr das Fohlen los? Sie antworteten: Weil der Herr es braucht. Dann führten sie es zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Fohlen und halfen Jesus hinauf.

Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf dem Weg aus. Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, begann die Schar der Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Machttaten, die sie gesehen hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe!

Da riefen ihm einige Pharisäer aus der Menge zu: Meister, weise deine Jünger zurecht! Er erwiderte: Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.

Die Autorin

Carina Adams ist studierte Theologin und Redakteurin bei katholisch.de.

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