Osterfeuer und Co.: Über die Symbolik am Höhepunkt des Kirchenjahrs

Das Licht der Osternacht – Einführung in das "Geheimnis des Glaubens"

Veröffentlicht am 19.04.2025 um 12:00 Uhr – Von Egbert Ballhorn – Lesedauer: 6 MINUTEN

Dortmund ‐ Am Abend des Karsamstags wird in vielen Gemeinden bereits die Osternacht gefeiert. Kein anderer Gottesdienst ist so dicht mit Wort- und Zeichenhandlungen gefüllt. Der Theologe Egbert Ballhorn erläutert in seinem Gastbeitrag die besondere Lichtsymbolik, die sich durch die Feier durchzieht.

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Flammen züngeln in der Schwärze der Nacht. Holz knackt in der Hitze. Eine Gruppe von Menschen steht schweigend um das Feuer und schaut in das Licht. Dieses Ereignis spielt sich jedes Mal in der Osternacht ab, und das gleich doppelt: Im Rahmen der Liturgie der Osternacht und auch als eigenständiges Osterfeuer in vielen Dorfgemeinschaften. Die Kraft des Lichtes und des Rituals ist so groß, dass das Osterfeuer auch außerhalb kirchlicher Feiern als jahrhundertealter Brauch lebendig geblieben ist.

Die Osternacht ist der Höhepunkt des Kirchenjahres. Kein anderer Gottesdienst ist so dicht mit Wort- und Zeichenhandlungen gefüllt. Keine andere Liturgie ist so gesättigt mit biblischen Texten und Symbolen. Die Ursymbole des menschlichen Lebens, Licht und Dunkel, Feuer und Wasser, prägen diese Nacht, und zugleich stehen sie für die menschliche Grunderfahrung schlechthin: ausgespannt zu sein zwischen Tod und Leben.

Wo kommt Licht her?

Auf den ersten Blick könnte man den Eindruck haben, dass das Osterfeuer, weil es vor der Kirche stattfindet, so etwas wie ein vorbereitender Ritus wäre, bevor die eigentliche Feier in der Kirche beginnt. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Besonderheit der Osternachtfeier besteht darin, dass sie eigentlich aus vier Feiern besteht, von der jede das Geheimnis von Ostern auf ihre Weise erfahrbar macht: die Lichtfeier, die Vigilfeier, die Tauffeier und die Eucharistiefeier.

Die Gemeinde versammelt sich in der Nacht, in der Dunkelheit, den unterbrochenen Schlaf noch in den Gliedern. Es ist die Nacht der Nächte. Wo kommt Licht her? Ein Feuer wird entzündet und gesegnet. Das Licht, das in die Nacht leuchtet, ist ein starkes Zeichen. Es vertreibt die Finsternis und die Angst. Die Menschen sehnen sich nach Licht, nach Wärme und Lebendigkeit. Im Segen wird das Licht gedeutet: "Segne dieses neue Feuer, das die Nacht erhellt, und entflamme in uns die Sehnsucht nach dir, dem unvergänglichen Licht." Dann wird am Feuer die Osterkerze entzündet. Es heißt fröhlich: "Christus ist glorreich auferstanden vom Tod. Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen."

Bild: ©picture alliance/Pressebildagentur ULMER (Symbolbild)

Die die vielen einzelnen Lichter, die die Gläubigen in der Osternacht hüten, stammen von dem einen Christuslicht.

Das Osterfeuer steht für den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit, für den Sieg des Lebens über den Tod. Am Anfang des Johannesevangeliums heißt es: "Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst" (Joh 1,5). Diese Wahrheit wird am Osterfeuer sichtbar und geradezu körperlich erfahrbar. Und schon hier am Feuer wird Auferstehung gefeiert. Damit ist deutlich, dass es in der Feier der Osternacht nicht allein um die Feier eines "Damals", sondern um das Heute geht, das von dem einen-einmaligen Heilsereignis geprägt ist.

Am Feuer wird die Osterkerze entzündet, die wie eine leuchtende Säule der Gemeinde voranzieht.

Hinter der Osterkerze her ziehen alle Gläubigen in die Kirche ein, und ein jeder erhält das Licht der Osterkerze, so dass der dunkle Kirchenraum festlich leuchtet. Hier wird sinnenhaft erfahrbar, dass die vielen einzelnen Lichter, die die Gläubigen hüten, von dem einen Christuslicht stammen.

Schon die erste Lesung "Osterevangelium"

Die Lichtfeier schließt in der Kirche mit dem Exsultet ab, dem feierlich gesungenen Lob auf die Osterkerze.

Und nun beginnt die Vigilfeier. Alle halten das Osterlicht in den Händen, und in diesem Licht wird nun eine lange Reihe von biblischen Texten gelesen. Es beginnt mit der Schöpfungserzählung. Gott erschafft Himmel und Erde, indem er das erste Wort spricht: "Es werde Licht". Licht als Schöpfungswerk Gottes: Das ist die biblische Botschaft in die Osternacht hinein und in das ganze Leben. Immer wenn Menschen einen Lichtstrahl sehen, können sie ihn als Lebenszeichen Gottes für die Welt verstehen. "Ostern" beginnt nicht erst mit der Auferweckung Jesu aus den Toten, es beginnt schon im ersten Augenblick der Schöpfung, wenn Gott das Todesdunkel beendet und sein lebensfreundliches Wort spricht. Da scheint Licht in die Welt. Deshalb ist schon die erste Lesung ein "Osterevangelium". Man kann es so auffassen, dass die biblischen Texte, die im Gottesdienst gelesen werden, Schritt für Schritt entfalten, welche Bedeutung das österliche Licht hat. Oder umgekehrt: Neben dem Wasser der Taufe stellt das Licht ein zentrales Symbol dar, in dem sich alles das bündelt, was an Ostern gefeiert wird.

Ein Evangeliar liegt im Sand
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

"Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist auferstanden!"

Auch die Lesung vom Exodus, dem Auszug Israels aus Ägypten und dem wunderhaften Durchzug durch das Schilfmeer, enthält diese Lichtsymbolik: Eine Säule aus Feuer geht dem Volk Israel voran und geleitet es in die Freiheit. Sie zeigt die Anwesenheit Gottes, der den Weg ins Leben für sein Volk bahnt. Im Nachhinein erläutert diese Lesung auch, was die österliche Gemeinde zuvor selbst getan und erlebt hat, als sie in feierlicher Prozession der Osterkerze in den Kirchenraum folgte: Es geht um Nachfolge; es geht darum, dem Licht zu folgen und sich von ihm den Weg in eine neue Existenz weisen zu lassen.

Auch im Auferstehungsevangelium ist die Rede vom Licht: Die Frauen kommen am ersten Tag der Woche "in der Morgendämmerung/beim Morgenrot" zum Grab, um den Leichnam Jesu zu salben (Lk 24,1). Das ist keine Angabe der Uhrzeit, sondern eine Brücke über alle Texte der Bibel hinweg zur Schöpfungserzählung: Der Ostertag ist wie der erste Tag der Welt, als Gott das Licht erschafft und der Finsternis, dem Todesdunkel, ein Ende bereitet. Ostern ist Neuschöpfung. Dies erfahren die Frauen am Grab: "Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist auferstanden!". Spannend ist die Reaktion: "Da erinnerten sie sich an die Worte Jesu" – und werden selbst zu Botinnen (Lk 24,8-10). Die Botschaft am Grab löst ein Erinnern an die Worte Jesu aus – und plötzlich gewinnen diese Worte eine tiefe existenzielle Bedeutung. Die Frauen am Grab haben innerlich verstanden, was sich ereignet hat. Sie werden verwandelt. Auch die Frauen erleben die Auferstehung nicht mit, sie sehen das neue Licht und den Glanz der Boten, sie werden an die Worte Jesu erinnert – das ist ihr Ostern.

Existenzielle Erfahrund

Damit ist eigentlich auch der Sinn der Osternachtfeier erklärt: Die Gemeinde versammelt sich und sie erinnert sich durch das Lesen der biblischen Texte und durch das Feiern an die Worte Gottes und Jesu, so dass diese Worte Gegenwartsbedeutung erhalten.

Man kann daher die Lichtsymbolik der Osternacht, wie sie in der Feier der Liturgie entfaltet wird, als eine Einführung in das "Geheimnis des Glaubens" begreifen: nicht nur des Glaubens der Kirche, sondern ebenso des eigenen Glaubensweges. Das teilt sich vielen Menschen mit, die die Mitfeier der Osternacht oft als existenzielle Erfahrung erleben.

"Gott, deine uralten Wunder leuchten noch in unseren Tagen", so lautet das Gebet, das nach der Exoduslesung gesprochen wird. Am Osterfeuer und in der Osterfeier ist davon etwas zu erleben.

Von Egbert Ballhorn

Der Autor

Egbert Ballhorn lehrt Exegese und Theologie des Alten Testaments an der TU Dortmund und ist Vorsitzender des Katholischen Bibelwerks. Zusammen mit Georg Steins ist der Herausgeber des Buches "Und es wurde Morgen. Die biblischen Lesungen der Osternacht."