"Christus ist der erste Ausbilder"
Frage: Pater Dartmann, was ist Ihre Aufgabe als Rektor am Collegium Germanicum-Hungaricum?
Dartmann: Ich bin verantwortlich für die Ausbildung der uns Jesuiten anvertrauten Priesteramtskandidaten aus 49 Diözesen. In diesem Jahr sind es 65 an der Zahl. Was die Muttersprachen angeht, sind Ungarisch, Kroatisch und Deutsch vorherrschend, was aber nicht verhindert, dass auch nördlichere Diözesen bis zu Helsinki Kandidaten schicken. Ich bin also der Ansprechpartner für alle diese Bischöfe. Mit dem Kollegsteam, bestehend aus Spiritual, Ausbildungspräfekt und studentischen Präfekten, stehe ich ihrer Lebens- und Ausbildungsgemeinschaft vor.
Frage: Bisher waren Sie Geschäftsführer von Renovabis. Helfen Ihnen die Erfahrungen, die sie dort gemacht haben für die neue Aufgabe?
Dartmann: Es sind sehr unterschiedliche Aufgaben. Während der Hauptakzent bei Renovabis auf der Hilfe für die Kirchen im Osten Europas liegt, geht es hier um Ausbildung und Menschenführung. Über zwei Drittel der Studenten kommen aus ehemals kommunistischen Ländern, die ich schon durch Renovabis näher kennengelernt habe. Die Heimatkirchen der Kandidaten sind mir also nicht völlig unbekannt.
Frage: Wie gut kannten Sie das Germanicum-Hungaricum, bevor Sie im Sommer nach Rom gezogen sind?
Dartmann: Als Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten hatte ich häufiger Anlass, nach Rom zu kommen. Bei meinen Besuchen hier habe ich immer auch die Mitbrüder im Germanicum besucht. Weil es ein deutschsprachiges Seminar ist, das von Jesuiten geleitet wird, ist es in der deutschen Provinz durchaus bekannt inklusive der Fragen, die mit der Priesterausbildung verbunden sind.
Frage: Sie haben nun mit Studenten unterschiedlichster Nationalitäten zu tun. Wie muss man sich das Leben im Haus vorstellen?
Dartmann: Die eigentliche Frage lautet: Was ist wichtig für eine Ausbildung im Sinne einer "probatio" – Erprobung? Hier leben junge Männer, die eine Berufung zum Priestertum verspüren. Diese Berufung wollen sie erproben. Alles, was wir um sie herum veranstalten, soll dieser "probatio" dienen. Dazu gehört natürlich die akademische Ausbildung, wofür in erster Linie die päpstliche Universität "Gregoriana" steht. Wichtig sind aber auch die pastorale Ausbildung und die Ausbildung in der Gemeinschaft. Ein weiterer Aspekt ist die ignatianische Spiritualität, die zur Grundidee des Germanicums gehört. Sie wird vor allem durch die jesuitische Leitung eingebracht.
Frage: Was heißt das konkret?
Dartmann: "Gott suchen und finden in allen Dingen" war das lebenslange Bemühen des Heiligen Ignatius. Jährliche Exerzitien und das Vertrautwerden mit der ignatianischen Spiritualität sind wichtige Elemente unserer Ausbildung. Dazu gehört auch, dass "Christus der erste Ausbilder" ist. Nach seinem Vorbild wollen wir leben. Im Lebensalltag des Kollegs muss es aber auch Zeiten für den Einzelnen geben. Ein zu viel an Programmpunkten und Verpflichtungen ist da nur kontraproduktiv. Trotzdem sind regelmäßige Gespräche vor allem mit dem Spiritual sehr wichtig. Es muss auch deutlich werden, dass wir von einem Leben in der Welt und nicht von einem Rückzug von der Welt sprechen, wenn es um den priesterlichen Dienst geht. Papst Franziskus sagt, dass "die Hirten den Geruch ihrer Schafe annehmen sollen". Das gilt es auf die Priesterausbildung herunterzubrechen: Wie können wir die Kandidaten hier so in Kontakt mit der Wirklichkeit ausbilden, dass sie nicht als Besserwisser nach Hause kommen?
Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum de Urbe:
Das "Germanicum" ist ein Priesterseminar in Rom, das vor allem deutsch- und ungarisch-sprechende Studenten aufnimmt. Es wurde 1552 von Papst Julius III. gegründet, um der Reformation theologisch entgegenzuwirken. Der heilige Ignatius von Loyola war persönlich am Aufbau des Kollegs beteiligt. Dem Ordensgründer ist es auch zu verdanken, dass das "Germanicum" heute noch von einem Jesuitenpater geleitet wird. "Germaniker", wie man die Priesteramtskandidaten des "Germanicums" nennt, wird man durch Empfehlung des Heimatbistums. Auch Bischöfe wie Stephan Ackermann und Kardinal Julius Döpfner wurden hier ausgebildet.Frage: Wie wird ein Seminarist zum "Germaniker"? Kann man sich darauf wie auf ein Auslandsjahr bewerben?
Dartmann: Nein. Die jeweiligen Bistümer entscheiden, welche Kandidaten sie uns empfehlen. Die Aufnahme geschieht aber durch den Rektor. Die Kandidaten sollen von solcher Art sein, dass Hoffnung besteht, dass sie an ihrem späteren Einsatzort in ihren Heimatländern einen qualifizierten Dienst leisten können. Es sollen Leute sein, die entschlossen sind, wieder in ihr Herkunftsbistum zurückzugehen. Das soll hier also kein Sprungbrett für eine Karriere in Rom sein, sondern die römischen Jahre zielen darauf ab, dass die Kandidaten später in vielfältiger Weise in ihrer Heimat eingesetzt werden können.
Frage: Sind die neuen (und alten) Studenten denn schon eingetroffen? Was steht aktuell im Germanicum an?
Dartmann: Bisher sind nur die "Neugermaniker" da und widmen sich dem Studium der italienischen Sprache. Das passiert aber nicht im Kolleg in der Stadt, sondern auf dem Landgut San Pastore, das zwar zum Haus gehört, aber 35 Kilometer von Rom entfernt liegt. Das Seminarteam führt sie in das Leben im Germanicum ein. Die größere Gemeinschaft werde ich erst Ende September kennenlernen, wenn das Studienjahr wieder beginnt.
Frage: Gibt es konkrete Dinge, an denen Sie in ihrer neuen Aufgabe arbeiten oder die Sie verändern wollen?
Dartmann: Ich glaube, dass der jetzige Papst eine Herausforderung für die ganze Kirche darstellt – er ist es auch für die Priesterausbildung. Wenn er beispielsweise zum Thema "Barmherzigkeit" spricht, redet er fast immer auch uns Priestern ins Gewissen. Seelsorger dürfen nicht im Pfarrei-Management aufgehen, sondern müssen genug Zeit haben, um den Menschen zu helfen. Oft klagen Priester auch über "Burnout". Da ist es wichtig, die Spiritualität so zu vermitteln, dass sie nicht als zusätzliche Aufgabe empfunden wird, sondern hilft, in der Arbeit mit Gott in lebendigem Austausch zu stehen. Ignatius nennt das "In actione contemplativus". Das meint, dass das Gebet alle Tätigkeiten des Priesters umfasst, dass Christus in allem zu finden ist. Das einzuüben ist heute wichtiger als je zuvor, damit Priester auf Dauer in ihrer Berufung auch Erfüllung finden können.
Ansonsten bin ich, was Ihre Frage betrifft, dabei, meine Rolle in dem bestehenden, sehr gut funktionierenden Kollegsteam zu finden und auf dem, was meine Vorgänger hier geleistet haben, aufzubauen. Wo ich dann im Laufe der Zeit eigene Akzente setzen werde, wird sich zeigen.
Frage: Es wird in absehbarer Zukunft wohl weniger Priesteramtskandidaten geben. Leidet auch ihr Haus darunter?
Dartmann: Wir haben für deutsche Verhältnisse ein sehr gut gefülltes Seminar. Aber natürlich merken wir, dass die deutschsprachigen Diözesen immer weniger Studenten hierher schicken können. Dabei ist es uns wichtig, dass der Charakter und die deutsche Prägung des Hauses nicht verloren gehen. Rom als Studienort, an dem die weltumspannende Dimension der Kirche in einmaliger und gerade heute spannender Weise lebendig ist, ist einfach einzigartig. Von daher mein Appell an die Bischöfe: Schickt uns Leute – es lohnt sich!