Altkatholikin Maria Kubin trägt Mitra, Brustkreuz und Bischofsstab

Theologin aus Österreich: "Ich bin die erste katholische Bischöfin"

Veröffentlicht am 16.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Wien ‐ Maria Kubin ist Bischöfin der altkatholischen Kirche Österreichs. Die ausgebildete Psychotherapeutin wuchs in einer traditionell römisch-katholischen Familie auf und trat dann zur altkatholischen Kirche über. Im Interview mit katholisch.de spricht sie darüber, wie es dazu kam.

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In ihrer katholischen Pfarrei wirkte Maria Kubin früher als Lektorin, Kommunionspenderin, Kantorin und half in der Sakramentenvorbereitung mit, hielt Meditationskurse und Exerzitien. Doch dann wechselte die Psychotherapeutin zur altkatholischen Kirche Österreichs. Im Jahr 2023 wurde sie von der Synode zur neuen Bischöfin gewählt und in Wien geweiht. Kubin ist damit die erste Frau, die in den altkatholischen Kirchen der Utrechter Union ins Bischofsamt gewählt und geweiht wurde. Sie trägt Brustkreuz, Mitra und Kollar. Im Interview mit katholisch.de erklärt sie den Grund für ihren Kirchenwechsel und spricht darüber, was ihr in ihrem Bischofsamt wichtig ist.  

Frage: Frau Kubin, Sie sind mit Anfang 40 altkatholisch geworden. Was war der Grund dafür?

Kubin: Ich bin zufällig auf die altkatholische Gemeinde in Graz gestoßen. Weil ich in der Nähe gewohnt habe, bin ich dort einmal in einen Gottesdienst gegangen. Das miteinander Feiern hat mich gleich angesprochen, so dass ich öfters hinging. Ich fühlte mich in der Gemeinde angekommen. 2008 bin ich dann offiziell in die altkatholische Kirche Österreichs übergetreten.

Frage: Wollten Sie altkatholisch sein, um Priesterin werden zu können?

Kubin: Nein, ich habe nicht die Kirche gewechselt, weil ich Priesterin oder Bischöfin sein wollte. Ich habe die Kirche gewechselt, weil ich damals eine spirituelle Heimat gesucht habe. In der altkatholischen Kirche habe ich eine Möglichkeit für mich gefunden, meinen Glauben leben zu können. Dort habe ich eine synodale Kirche kennengelernt und das Miteinander gemocht. Ohne diese Gemeinschaft der Gläubigen würde mir heute etwas fehlen. Ich bin in einer frommen römisch-katholischen Familie aufgewachsen. Meine Eltern waren glücklich in ihrer Kirche. Für mich hat das aber irgendwann nicht mehr gepasst, denn ich habe dort nicht mehr das gefunden, was mich zufrieden gemacht hätte. Ich habe mich an der Hierarchie gestoßen, an der Frauenfrage und an anderen Themen. Ich bin zum Beispiel zum zweiten Mal verheiratet. Die altkatholische Kirche geht viel barmherziger mit Menschen um, deren Ehe gescheitert ist. Das hat mich alles angesprochen. Und als ich dann altkatholisch war, habe ich erfahren, dass ich dort auch Priesterin werden könnte. Daraufhin habe ich das Theologiestudium begonnen, um mich auf diesen Weg vorzubereiten.

Frage: Haben Sie dann römisch-katholische Theologie studiert?

Kubin: Ja, in Österreich gibt es nur diese Möglichkeit, daher habe ich an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Graz studiert. Zusätzlich habe ich danach Kurse an der Universität Bonn absolviert, denn dort gibt es ein altkatholisches Seminar. Wir haben in Österreich keine eigene Theologische Fakultät, aber wir haben einen eigenen Ausbildungsweg gestartet, der auf ein Studium an einer Theologischen Fakultät einer anderen christlichen Konfession aufbaut.

Frage: War das eine Herausforderung für Sie, als Altkatholikin, römisch-katholische Theologie zu studieren?

Kubin: Das meiste aus dem Fächerkanon hat mich sehr interessiert und bei manchen Dingen war ich froh zu wissen: Das gilt nicht für mich. Also etwa die Lehre über die Mariendogmen wie die Unbefleckte Empfängnis Mariens oder die Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel oder Fragen zur päpstlichen Unfehlbarkeit oder Liturgie.

Bild: ©Altkatholische Kirche Österreich

Maria Kubin ist Priesterin und Bischöfin der altkatholischen Kirche in Österreich. Hier steht sie während ihres Weihegottesdienstes am Altar. Die Wandlung geschieht nach dem altkatholischen liturgischen Verständnis dann, wenn die Gemeinde gemeinsam Gott darum bittet, die Gaben zu wandeln.

Frage: Könnten Sie also als Bischöfin theologische Inhalte Ihrer Kirche abändern oder sogar etwas verbieten?

Kubin: Ja, das könnte ich schon. Aber das Besondere an der altkatholischen Kirche ist unsere Synodalität, also die gemeinsame Suche nach einer guten Lösung. Um die Gleichheit aller zu betonen, sind in allen Versammlungen mehr Laien als Kleriker gewählt. Fast alles wird abgestimmt, und in diesen Bereichen habe auch ich als Bischöfin eine Stimme, die genauso viel wiegt wie die der anderen. Als Bischöfin habe ich aber ein Veto-Recht in theologischen Fragen. So achte ich darauf, dass wir unsere Lehren und unsere Glaubensgrundsätze bewahren, also weder zu frei noch zu konservativ werden. Wir sollten als Kirche schon auf gut katholischem Boden bleiben und die Traditionen wahren. Gleichzeitig wollen wir nicht konservativ bleiben und uns immer wieder aktuellen Themen öffnen. Auf der anderen Seite gibt es eine Pastoralkonferenz, bei der wir zum Bespiel gemeinsam entschieden haben, dass wir in einem Gottesdienst Brot und Wein bei den Einsetzungsworten nicht mehr hochheben, denn die Wandlung geschieht nach unserem liturgischen Verständnis, wenn wir alle zusammen Gott darum bitten, die Gaben zu wandeln mit dem Gebet: "Sende deinen Geist auf diese Gaben herab". Ich kann also als Bischöfin niemandem etwas befehlen oder einem Priester vorschreiben, wie er oder sie etwas zu tun hat, aber wenn wir als Gremium das beschlossen haben, liegt es an mir als Bischöfin, diesen Beschluss auch einzufordern. Dieses synodale System bewirkt, dass wir uns ständig mit sehr unterschiedlichen Meinungen auseinandersetzen müssen. Das bedeutet zwar nicht, dass es keinen spirituellen Machtmissbrauch gäbe, aber das System unterstützt ihn nicht.

Frage: Ein entscheidender Unterschied zur römisch-katholischen Kirche ist, dass Altkatholiken den Papst und seinen Jurisdiktionsprimat nicht anerkennen. In den vergangenen Wochen gab es einen großen Hype wegen des neuen Papstes. Beneiden Sie die katholische Kirche darum?

Kubin: Ich freue mich für die römisch-katholische Kirche und ihr neues Oberhaupt. Ich wünsche dem neuen Papst alles Gute für sein Wirken. Ich denke, er wird sein Amt gut ausfüllen. Ich bin froh, dass wir als Landeskirche keine weltumspannenden Entscheidungen treffen müssen, denn bei solchen Entscheiden muss man sich immer am schwächsten Mitglied orientieren. Ich finde, es braucht die breite Menge, um Themen ordentlich ausdiskutieren zu können. Ich kenne das von mir selbst. Ich habe nur eine Perspektive auf eine Sache und manchmal übersehe ich etwas. Dann bin ich froh, wenn mir andere dabei helfen, die Dinge breiter zu sehen. Ich gehe davon aus, dass der Papst auch seine Berater und Gremien hat, die ihn unterstützen. Was die Frauenordination angeht, bin ich froh, dass meine Kirche da einfach schon ein paar Schritte weiter ist. Ich bin Bischöfin einer katholischen Kirche und bin dazu von unserer Synode gewählt und von Gott berufen. Es ist eine doppelte Berufung. Ich selbst fühle mich dazu gerufen, diesen Dienst für die Menschen und für Gott zu erfüllen.

Bild: ©Altkatholische Kirche Österreich

Bischöfin Maria Kubin weiht eine Diakonin in der altkatholischen Auferstehungskirche in Graz.

Frage: Sie sagen bewusst, dass Sie katholisch sind?

Kubin: Ja, ich bin immer katholisch, nur nicht römisch-katholisch, sondern alt-katholisch. Bei dieser Unterscheidung bin ich heikel. Dennoch sage ich bewusst, wir sind eine katholische Kirche und ich bin die erste katholische Bischöfin in Österreich.

Frage: Welche bischöflichen Insignien tragen Sie als altkatholische Bischöfin?

Kubin: Ich trage immer mein Kreuz an einer Kette um den Hals. Und bei liturgischen Anlässen trage ich auch mein Brustkreuz. In beiden Kreuzen ist eine rötliche Figur abgebildet, die weibliche Formen und weit offene Arme hat. Sie gefällt mir sehr gut. Mein Bischofsstab ist auch besonders. Oben an der Krümmung ist eine Weinrebe eingearbeitet, die ich einmal bei einem Familienurlaub in Spanien gefunden habe. Auf meiner Mitra ist ein Kreuz aufgestickt. Auf der Rückseite möchte ich noch Fische einarbeiten lassen, die die Mitfeiernden bei meinem Weihegottesdienst gemalt haben. Sie sollen meinen Dienst inspirieren und begleiten.

Frage: Tragen Sie auch Kollar?

Kubin: Ja, ich habe unterschiedliche Blusen mit Kollarkragen, weil ich Klerikerin bin und als solche erkennbar sein möchte. Auch bei ökumenischen Feiern möchte ich als Amtsträgerin wahrgenommen werden. Immer wieder reagieren Menschen überrascht darauf, dass ich als Frau das Amt einer Bischöfin innehabe, obwohl seit den 1990er Jahren in unserer Kirche Frauen zu Priesterinnen geweiht werden. Ich trage bewusst Kleider in den Farben Violett, Blau und Purpurrot – mit Kollar, um bei feierlichen Anlässen als Bischöfin erkennbar zu sein. Bei Gottesdiensten oder liturgischen Anlässen trage ich meist meine weiße Albe mit einem Regenbogeneinsatz, darüber ein Messgewand in der entsprechenden liturgischen Farbe.

Frage: Was möchten Sie als Bischöfin voranbringen?

Kubin: Ich möchte Menschen zusammenbringen und vernetzen und ihnen zeigen, dass unsere Kirche attraktiv ist. Ich will das Reich Gottes für die Menschen von heute erfahrbar machen. Wir sind als katholische Kirche immer von der Sehnsucht nach ökumenischer Einheit getrieben und finden viele gute Gelegenheiten dazu, sowohl auf Gemeindeebene als auch in bischöflicher Gemeinschaft. Mit manchen episkopalen Kirchen haben wir Mahlgemeinschaft und mit anderen synodalen Kirchen beten wir zusammen. Dabei dürfen alle ihr spezielles Profil behalten. Wir beten miteinander, das ist schön. Selbst wenn es theologische Schwierigkeiten gibt, funktioniert Ökumene.

Von Madeleine Spendier