Nach der Vorlesung ein Russenei
Vor seiner Bischofsweihe lehrte er als Theologieprofessor in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. Vor 50 Jahren, am 2. Mai 1963, verließ Ratzinger seine erste Professorenstation: Bonn und die Friedrich-Wilhelms-Universität.
Von einem "Panzerkardinal" oder einem "Wachhund Gottes" war zu Beginn seiner akademischen Karriere noch nichts zu hören. Der junge, fast schüchterne Priester aus Bayern - 1951 geweiht, 1953 promoviert, 1957 habilitiert und seit 15. April 1959 im Amt als Ordinarius für Fundamentaltheologie - füllte selbst die größten Hörsäle. "Mit Begeisterung", schreibt Ratzinger in seinen Erinnerungen, nahm die Hörerschar "den neuen Ton auf, den sie bei mir zu vernehmen glaubte".
Die Fundamentaltheologie ist jene Disziplin, die sich mit den Grundlagen des christlichen Glaubens und dessen Durchdringung durch die Vernunft beschäftigt. Tatsächlich hat Ratzingers Antrittsvorlesung vom Juni 1959 - "Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen" bis zuletzt ihren Widerhall in der Theologie und den Mittwochsansprachen Benedikts XVI. gehabt.
Bei den Studenten beliebt
Die Inspiration zwischen Ratzinger und der Universitäts- und damaligen Bundeshauptstadt Bonn war durchaus gegenseitig, wie er sich später erinnerte: "So kamen Anregungen von überall, zumal ja auch Belgien und die Niederlande nahe waren und traditionell im Rheinland die Türen nach Frankreich hin offen stehen."
Ratzinger pflegte Freundschaften mit dem protestantischen Theologen Heinrich Schlier, dem Indologen Paul Hacker oder dem jüdischen Synagogenvorbeter Charles Horowitz.
Und auch bei seinen Studenten war er durchaus beliebt: Noch heute kann Fanny Strohm, frühere Wirtin der Beueler Traditionswirtschaft "Zur Erholung", berichten, wie der junge Professor und seine Schüler nach der Vorlesung mit der Rheinfähre herüberschipperten, um auf der "schääl Sick", der Bonner Sonnenseite, einzukehren.
"Der Ratzinger nahm immer ein Russenei", erinnert sich Fanny Strohm: eine deftige Mischung aus Pellkartoffeln, Ei und Fleischsalat. Allerdings musste die gesellige Runde oft genug auf die Uhr schauen, um die letzte Fähre zu bekommen - denn gegenüber im Priesterkonvikt "Collegium Albertinum" gab es feste Schließzeiten.
Ein Kardinal wird aufmerksam
Auch der Kölner Kardinal Josef Frings wurde auf den jungen Bonner Theologen aufmerksam. Über die gemeinsame Liebe zur Musik traf man sich bei einem abendlichen Konzert im Kölner Gürzenich, und Ratzinger verfasste für Frings einen furiosen Vortrag über den zeitlichen Kontext des bevorstehenden Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), mit dem der Kölner Kardinal bei Papst Johannes XXIII. großen Eindruck machte.
Nicht zuletzt deshalb dürfte Frings den erst 35-Jährigen zu seinem Peritus, also offiziellen theologischen Berater beim Konzil, ernannt haben - wo Ratzingers Stern leuchtend aufging.
Schon nach der ersten Konzilssession jedoch ereilte ihn ein weiterer Ruf: Die Universität Münster wollte ihn - und bekam ihn. Nach den Prüfungen des Wintersemesters 1962/63 packte Ratzinger in Bad Godesberg-Rüngsdorf seine Kisten - schon damals wahrscheinlich größtenteils Bücher - und meldete sich zum 2. Mai 1963 bei der Stadt Bonn ab.
Seiner Wohnung im zweiten Stock in der Wurzerstraße 11 war freilich nicht die gleiche Sensation beschieden wie seinerzeit dem sogenannten Papst-Golf. Als sie im Mai 2012 wieder zu vermieten war, verzeichnete Eigentümerin Zofia Ahrens keinen besonderen Ansturm.
Allerdings warb sie auch nicht mit dem prominenten Vormieter. Sonnenhell, familienfreundlich, 95 Quadratmeter, mit Einbauküche und zwei Balkonen, stand im Internet zu lesen. Dass sie einst mal "eines Papstes würdig" war, nicht.
Von Alexander Brüggemann (KNA)