Von Flüchtlingen bis Synode
Marx appellierte an die europäischen Staaten, mitzuhelfen, dass kein Flüchtling an den europäischen Grenzen "verdurstet oder erstickt". Dies sei mit Blick auf die Lage von Flüchtlingen entlang der sogenannten Balkan-Route von großer Bedeutung. Die Entscheidung der Bundesregierung, tausende Flüchtlinge aus Ungarn aufzunehmen, lobte Marx ausdrücklich. Am Wochenende hatte er zusammen mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, am Münchner Hauptbahnhof einige der dort aus Ungarn ankommenden Flüchtlinge begrüßt.
Abschreckung oder Einwanderung?
Europa befinde sich an einem Scheideweg, so Marx, der auch Vorsitzender der EU-Bischofskommission COMECE ist. Es gehe darum zu entscheiden, welches das "übergeordnete Paradigma" sei: "Abschreckung oder Einwanderung, die dann auch geregelt werden muss". Er bedauere in diesem Zusammenhang einen Rückfall vieler europäischer Länder in starke nationale Interessen. Es stelle sich die Frage, warum Europa alles tue, um den Euro zu retten, aber in der Flüchtlingsfrage vergleichsweise wenig Energie aufwende.
Zugleich lobte der Erzbischof die Hilfsbereitschaft vieler Ehrenamtlicher. Auch die Kirche beteilige sich und nehme etwa Flüchtlinge in den Pfarreien auf. "Wir werden dran bleiben und weiter versuchen, Räume zu finden." Er gehe davon aus, dass Pfarreien, die dazu in der Lage seien, mehr als eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Er habe die Hoffnung, dass mehr Familien beherbergt würden, als es Pfarreien in Deutschland gibt. Hintergrund ist der Aufruf Papst Franziskus', alle Pfarreien in Europa sollten eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. "Wer zu uns in Not kommt, dem muss geholfen werden, unabhängig von Religion, Hautfarbe oder sexueller Orientierung", sagte der Münchner Erzbischof.
Langfristig sei sicher ein Bauprogramm notwendig, sagte Marx. Es sei sinnvoll, städtebaulich entsprechende Weichen zu stellen. "Mein Traum wäre es immer noch, Stadtteile aufzubauen, wo verschiedene Gruppen zusammenkommen wie Migranten, Familien oder ältere Menschen." Marx' Erzbistum München und Freising stelle als Soforthilfe fünf Millionen Euro zur Verfügung. Auch die Hilfe der anderen großen Bistümer bewege sich in dieser Größenordnung. Dazu kämen die Mittel von Hilfsorganisationen wie der Caritas. "Geld ist nicht das Problem", sagte Marx.
Marx: Wird keine gültige zweite sakramtentale Ehe geben
Der Kardinal äußerte sich auch zu seinen Erwartungen an die bevorstehende Weltbischofssynode im Vatikan. Das Gremium werde nach seiner Einschätzung keine Änderungen der kirchlichen Lehre beschließen. "Es wird keine gültige zweite sakramentale Ehe geben", betonte der Kardinal. Es müsse aber deutlich gemacht werden, dass auch Menschen, deren Ehe gescheitert sei, weiterhin ganz zur Kirchen gehörten.
Ein Netz aus Hilfe
Papst Franziskus rief am Sonntag jede katholische Einrichtung Europas auf, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Schon am Tag danach haben sich viele deutsche Bistümer zu Wort gemeldet. Katholisch.de sammelt die Informationen aus den Diözesen.Die katholische Lehre von der Ehe sei keineswegs veraltet, so Marx, der an der Synode selbst teilnehmen wird. Auch heute strebe eine Mehrheit der Menschen eine lebenslange Ehe mit Kindern an. Die Kirche müsse zu diesem Modell ermutigen und dürfe nicht nur von einem möglichen Scheitern her denken. Er selbst, so Marx, hoffe, dass von der Bischofssynode die Botschaft ausgehe: "Es ist möglich - und wenn ihr scheitert, stehen wir zu euch!" Die Reform des Ehenichtigkeitsverfahrens durch Papst Franziskus wertete Marx als vernünftiges Signal.
Deutsche Ansichten weltweit nicht mehrheitsfähig
Bei der Familiensynode gehe es darum, gemeinsame Überzeugungen in einer globalen Gemeinschaft zu formulieren, betonte der Bischofskonferenz-Vorsitzende. Dabei sei nicht zu erwarten, dass die in Deutschland mehrheitsfähigen Ansichten weltweit übernommen würden. Die katholische Kirche sei die einzige Institution, die überhaupt den Versuch wage, weltweit einheitliche Regeln aufzustellen. Damit bemühe sie sich, "Sakrament der Einheit" in der Welt zu sein, so Marx weiter. Das Christentum verstehe sich als eine universalistische Religion, in der es das Bild der "einen Menschheitsfamilie" gebe. (kim/KNA/dpa)