Ordensfrau: War früher "Pfarrerin" in einer Gemeinde

María José Arana ist 82 Jahre alt und gehört seit vielen Jahren dem Orden Heiligstes Herz Jesu in Spanien an. Sie hat ein Buch geschrieben, in denen Frauen zu Wort kommen, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlen. Im Interview mit katholisch.de spricht die Theologin über das Buch und erklärt, wie es dazu kam, dass sie als "Pfarrerin" einer spanischen Gemeinde beauftragt wurde.
Frage: Schwester María, Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel "Frauenpriestertum, wann?". Worum geht es in diesem Buch?
Schwester María: In dem Buch stellen wir 21 Frauen aus Spanien vor, die von ihrer Berufung zur Diakonin oder zur Priesterin in der Kirche berichten. Das Buch wurde in der kürzlich erschienenen deutschen Übersetzung von Christina Gauer herausgegeben, die sich im Netzwerk Diakonat der Frau in Deutschland engagiert. Mit unserem Buch wollen wir deutlich machen, dass die Berufung von Frauen zu Priesterinnen real ist und ein weltweiter Wunsch.
Frage: In dem Buch berichten Sie auch aus Ihrem Leben und schreiben, dass Sie schon als Kind eine Nähe zu Jesus verspürt haben…
Schwester María: Ja, bei meiner heiligen Erstkommunion 1950 in Bilbao erlebte ich eine besondere Nähe zu Jesus. Während der Eucharistie spürte ich, dass ich ganz Jesus gehören wollte. Später kam ich dann auf das Herz-Jesu-Internat in San Sebastián, das von Ordensfrauen geleitet wurde. Damals sah ich einen Film über Missionsschwestern, der mich begeisterte. Genauso wollte ich leben. Meine Eltern sagten mir aber, dass ich das erst entscheiden solle, wenn ich erwachsen bin. Also erzählte ich niemanden mehr von meinem Wunsch, Ordensfrau und Priesterin sein zu wollen.
Frage: War Ihre Familie religiös?
Schwester María: Meine Eltern waren sehr religiös und sehr konsequent in ihrem Glauben. Trotzdem, über meine Berufung habe ich mit ihnen nicht gesprochen, denn ich dachte, das, was ich einmal werden möchte, ist doch gar nicht erlaubt für Mädchen. Erst als ich älter war, habe ich mich der Generaloberin meiner Ordensschule anvertraut. Nach dem Gymnasium studierte ich für ein Jahr Journalismus in Pamplona. Nach diesem Jahr wollte ich ins Noviziat des Ordens Heiliges-Herz-Jesu gehen. Meine Eltern unterstützten mich bei dieser Entscheidung.
Frage: Sie wollten als Jugendliche schon Priesterin werden und haben in dem Buch geschrieben, dass Sie deshalb lieber ein Junge gewesen wären...
Schwester Maria: Als ich 13 oder 14 Jahre alt war, wollte ich Priesterin werden. Es belastete mich aber, dass dieser Beruf in der Kirche für mich nicht möglich war, weil ich ein Mädchen war. Ich dachte mir damals aber nicht, dass es besser wäre, wenn ich ein Junge wäre. Ich dachte mir mehr: Die Kirche soll ihre Gesetze ändern und mich eines Tages zur Weihe zulassen. Mich verletzte diese Ungerechtigkeit, denn ich wollte dem Ruf Gottes folgen, den ich stark verspürte. Gott war für mich das Wichtigste in meinem Leben.
Frage: Später wurden Sie Ordensfrau und haben Theologie studiert. Warum?
Schwester María: 1962, damals war ich 19 Jahre alt, bin ich ins Noviziat meines Ordens der Herz-Jesu-Schwestern in Madrid eingetreten. Ich fühlte mich vom Missionsgedanken, dem Gebetsleben und dem Klosterleben der Gemeinschaft sehr angezogen. Ich wollte Ordensfrau sein und gleichzeitig wollte ich Priesterin sein. Damals hatte ich jedoch Schwierigkeiten mit dem Ordensleben, weil ich ungerechte Strukturen erkannte. Das betraf vor allem die Klausur, die für unsere Gemeinschaft vorgeschrieben war. Ich stellte fest, dass andere Gemeinschaften keine so strenge Klausur hatten. Für uns war sie aber notwendig und fester Bestandteil des religiösen Lebens. Es fiel mir schwer, das zu verstehen. Ich war froh, dass ich an die Universität gehen konnte, um Soziologie und Theologie zu studieren. Ich war damals fest davon überzeugt, dass die Weihe für Frauen in meiner Kirche eines Tages möglich sein würde. Mit meinem Studium wäre ich dann schon darauf vorbereitet gewesen. So stellte ich es mir zumindest vor. Im Rückblick war es naiv von mir, so zu denken. Ich konnte später auch nicht Professorin an meiner Theologischen Fakultät werden, weil es damals keine Stellen für Frauen in so einer Position gab. Die meisten Stellen waren von Priestern besetzt. Damals kannte ich noch keine anderen Frauen, die so wie ich Priesterin werden wollten. Meine Sehnsucht habe ich nur Jesus anvertraut. Ich war damals glücklich als Ordensfrau und Theologin, obwohl ich spürte, dass in meinem Leben etwas fehlte.
Die Ordensfrau María José Arana leitete einige Jahre lang eine spanische Pfarrei in dem Dorf Arántzazu, das zur Diözese Vizcaya gehört. Sie taufte dort Kinder und gestaltete Gottesdienste.
Frage: In den 1980er Jahren wurden Sie zum "Gemeindepfarrer" einer spanischen Gemeinde ernannt. Wie kam es dazu?
Schwester María: Ja, ich wurde damals offiziell zum "Pfarrer" ernannt, weil es keine andere Bezeichnung für eine Frau gab, die Aufgaben in der Gemeinde übernahm. Ich arbeitete damals als Lehrerin an einer Grundschule in dem kleinen Dorf Arántzazu in der Diözese Vizcaya. Der dort zuständige Pfarrer wurde in andere Gemeinden versetzt und seine Stelle war vakant. Daher baten mich die beiden Bischöfe von Bilbao, das waren Don Luis María de Larrea y Legarreta und Don Juan María Uriarte Goiricelaya, dort in der Gemeinde pastorale Aufgaben zu übernehmen – als Ersatz für den fehlenden Pfarrer. Arántzazu ist ein kleines Dorf mit rund 300 Einwohnern und einer Bürgermeisterin. Die Bischöfe wollten auf den Priestermangel vorbereitet sein und dachten, wenn es eines Tages zu wenige Priester geben würde, wäre es gut, jetzt schon Laien auszubilden, die in den Gemeinden mitarbeiten und Wortgottesfeiern übernehmen könnten. Das alles gab es zu dieser Zeit in Spanien noch nicht, es gab damals keine hauptamtlichen Laien im Gemeindedienst. Dann wurde ich offiziell in einer kleinen Feier mit Gottesdienst zum "Pfarrer" ernannt. Der Gemeinde wurde von den Bischöfen erklärt, dass ich nun als Frau die seelsorglichen Aufgaben übernehme und auch die Verwaltung leite. Damals fühlte ich mich als der glücklichste Mensch der Welt, denn es entsprach weitgehend meiner Berufung, was ich nun machen durfte: Ich konnte den Menschen von Jesus erzählen und ihnen das Evangelium nahebringen.
Frage: Welche Aufgaben waren mit diesem kirchlichen Dienst konkret verbunden?
Schwester María: Ich leitete zehn Jahre lang diese kleine spanische Pfarrei, begleitet von den Männern und Frauen des Dorfes, die mich sehr gut aufnahmen. Ich bat sie, mir dabei zu helfen, kirchliche Gebäude zu renovieren und das Geld dafür zu sammeln. Meine Hauptaufgaben waren aber in der Seelsorge. Ich bereitete die Sakramente vor, gestaltete liturgische Feiern, Beerdigungen, die Gebete und die Katechesen. Darüber hinaus organisierte ich das Gemeindearchiv, unterzeichnete die pfarrlichen Bücher, kümmerte mich mit einer Kommission um die Gemeindefinanzen, hatte einen Pastoralrat und pflegte die Kontakte zu den anderen Pfarreien des Arratia-Tales. Ich unterschrieb auch die Genehmigung für Eheschließungen und taufte alle Kinder, die in diesen zehn Jahren in dieser Gemeinde geboren wurden. Das heißt, ich spendete auch das Sakrament der Taufe.
Frage: Dennoch fühlten Sie sich als Lückenbüßerin, wie Sie in Ihrem Buch beschreiben – inwiefern?
Schwester María: Ja, es war im gewissen Sinne nur eine Notlösung. Ich durfte als Laie keine Eucharistie feiern, und musste für die Spendung der Sakramente wie für die Beichte oder die Krankenkommunion jedes Mal auf andere Priester zurückgreifen. So fühlte ich mich eher als eine Art Küsterin mit besonderen Aufgaben. Dennoch erfüllten mich meine Aufgaben sehr. Als Seelsorgerin bei den Menschen zu sein, das habe ich genossen. Ich war an den Vorbereitungen der Diözesanversammlung im Jahr 1986 beteiligt, nahm an Arbeitskommissionen der Diözese teil. Ich leitete mehrere Jahre lang sowohl die Pfarrei als auch die Schule. Und dann wechselte ich 1990 an die Universität Deusto in Bilbao. Ich habe ein Doktorratsstudium begonnen, mich mit feministischen Themen und mit dem Ordensrecht beschäftigt. Dabei vor allem mit der Frage zur klösterlichen Klausur für Frauen. Nach meiner Promotion im Fach Systematische Theologie habe ich einige Jahre lang Theologie an der Fakultät in Vitoria gelehrt und an der Feministischen Theologieschule in Andalusien. Erst 2015 habe ich die Universität verlassen und wieder mehr Aufgaben in meiner Ordensgemeinschaft übernommen. Seit wenigen Jahren bin ich im Ruhestand. Jetzt beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Frauen in der Kirche und schreibe Bücher darüber und halte Vorträge dazu. Ich erlebe es als wichtige Aufgabe, dass ich das tue, denn ich spüre weiterhin eine große Nähe zu Jesus. Heute bin ich froh darüber, dass Laien und Frauen in den spanischen Gemeinden mehr Aufgaben übernehmen dürfen und auch Pfarreien leiten.
Frage: Möchten Sie heute noch Priesterin sein?
Schwester María: Heute nicht mehr so sehr wie früher. Ich bin froh, dass ich weiterhin viel Arbeit und Verantwortung im Ordensleben und im diözesanen Leben habe. Ich habe mich immer sehr auf meine apostolischen Aufgaben zentriert. Manchmal musste ich mich jedoch anstrengen, um mich bei Laune zu halten, denn es ist nicht leicht, in einer Kirche zu arbeiten, die den Frauen, wie ich es empfinde, gleichgültig und ablehnend gegenübersteht. Im Rückblick bin ich froh, wie mein Leben verlaufen ist. Frauen leiden weltweit unter dem Schmerz, ihre Berufung nicht voll leben zu können. Mit unserem Buch wollen wir anderen Frauen Mut machen, nicht aufzugeben. Es wird sich etwas bewegen, da bin ich mir sicher und es wird eines Tages Frauen geben, die offiziell zur Diakonin oder Priesterin geweiht werden.
Zum Buch
Das Buch "Frauenpriestertum, wann? Dialoge über das Weiheamt für Frauen" von María José Arana und Adelaide Baracco wurde ins Deutsche von Elfriede Hart übersetzt und von Christina Gauer herausgegeben. Das Vorwort zur deutschen Ausgabe hat die Benediktinerin Schwester Philippa Rath verfasst. Die Zeugnisse von 21 Frauen sind verwoben mit den Reflexionen von 21 Männern, die ihre Meinung zu diesem Thema aus biblischer, sozialer und pastoraler Perspektive äußern. Das Buch kostet 16,99 Euro und ist im Books on Demand Verlag erschienen.