So wird die Segenshandreichung in deutschen Bistümern umgesetzt
Segnungen von Menschen, die sich lieben, die aber keine kirchliche Ehe schließen können, bleiben in der Kirche in Deutschland kontrovers. Drei Monate nach Veröffentlichung der Handreichung "Segen gibt der Liebe Kraft" zeichnet sich ab, dass das Papier in den Diözesen sehr unterschiedlich angenommen wird. Offiziellen Veröffentlichungen und Empfehlungen in den Bistümern Limburg, Osnabrück, Rottenburg-Stuttgart und Trier steht die Ablehnung im Erzbistum Köln gegenüber.
Dass Köln die Handreichung nicht anwenden wird, wurde durch eine Stellungnahme der Arbeitsgruppe "Regenbogenkirche für alle" der Pfarrei St. Lambertus in Mettmann bekannt. Gegenüber katholisch.de erläuterte ein Sprecher der Erzdiözese, dass es dort darum gehe, "ganz konkret auch für alle Seelsorger und alle Getauften, im Rahmen der weltkirchlichen Bestimmungen gute Wege zu finden, Menschen die Nähe und Wegbegleitung Gottes zuzusprechen". Den weltkirchlichen Rahmen gibt die Erklärung "Fiducia supplicans" über die pastorale Sinngebung von Segnungen vor, den das Glaubensdikasterium im Dezember 2023 veröffentlicht hat. Erstmals wird darin abgesteckt, wie Segnungen von "Paaren in irregulären Situationen und gleichgeschlechtlichen Paaren" denkbar sind: nämlich nicht rituell festgelegt. Von Segnungen im Vorübergehen, nicht länger als 10, 15 Sekunden, spricht der Präfekt des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel Fernández später.
Schon 2021 wurden vielerorts in Deutschland gleichgeschlechtliche Paare gesegnet.
Im Dezember 2023 war "Fiducia supplicans" eine Sensation, die wohl niemand erwartet hatte – wohl aber erhofft: Im März zuvor hatte die fünfte Synodalversammlung de Synodalen Wegs in Deutschland für die offizielle Einführung von Segensfeiern gestimmt. 92 Prozent Ja-Stimmen erzielte der Handlungstext "Segensfeiern für Paare, die sich lieben". Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sollten dem Beschluss zufolge zusammen mit den Mitgliedern des Forums, das den Handlungstext ausgearbeitet hatte, und "betroffenen Personen" eine Handreichung für Segensfeiern ausarbeiten. Teil davon: "Formularvorschläge für Segensfeiern für verschiedene Paarsituationen (Wiederverheiratete, gleichgeschlechtliche Paare, Paare nach ziviler Eheschließung."
Gratwanderung zwischen Synodalem Weg und Rom
Trotz der grundsätzlichen Offenheit für Segnungen aus Rom: zumindest die Gottesdienst-Formulare waren mit "Fiducia supplicans" Makulatur. Zu eindeutig war die Weisung in der Erklärung des Glaubensdikasteriums. Die Ausarbeitung der Handreichung wurde dadurch zu einer Gratwanderung. Beim Synodalen Ausschuss berichteten der Würzburger Bischof Franz Jung und ZdK-Vizepräsidentin Birgit Mock, dass die Handreichung im Glaubensdikasterium angekündigt und vorgestellt wurde. Die Rückmeldungen von Kardinal Fernández seien anschließend in den Text eingearbeitet worden. Außerdem habe der Ständige Rat der DBK, der aus allen Diözesanbischöfen besteht, regelmäßig über den Stand beraten. Dort sei der Text schließlich gebilligt worden.
Ein Beschluss des Ständigen Rats oder der Vollversammlung der DBK ist der Text dennoch nicht: Verantwortlich zeichnet die Gemeinsame Konferenz aus DBK und ZdK. Eigentlich ist diese Konferenz aus je zehn Bischöfen und ZdK-Vertretern ein reines Austausch- und Beratungsgremium. Verbindliche Beschlüsse kann sie nicht fällen, weder für die Kirche in Deutschland als Ganzes noch für die einzelnen Bischöfe. Das Papier ist daher nicht mehr, als sein Untertitel verspricht: eine Handreichung für die Seelsorge. Wer diese ausgestreckte Hand entgegen nimmt, bleibt also offen und muss offen bleiben.
Gemischter Umgang in den Diözesen
Eine Abfrage von katholisch.de unter allen Diözesen, die sich bisher nicht positioniert hatten, zeigt ein gemischtes Bild. Im Wesentlichen gibt es drei Positionen: In mehr als der Hälfte der 27 Diözesen wird entweder die Handreichung grundsätzlich angewandt oder es gibt eine pastorale Praxis, die mit ihr konform geht, ein kleiner Teil sieht sie als nicht mit den weltkirchlichen Vorgaben in Einklang zu bringen, der Rest berät noch über den Umgang.
Ein Ballon in Regenbogenfarben neben dem Kölner Dom beim Christopher Street Day 2023 in Köln.
Neben Köln sind es vier Bistümer, die auf Anfrage eine Anwendung klar ausgeschlossen haben: Augsburg, Eichstätt, Passau und Regensburg. Einhellig verweisen sie in ihren Antworten auf "Fiducia supplicans". Augsburg, Köln und Regensburg sehen die Handreichung als weitreichender als die Erklärung aus Rom an. Am ausführlichsten erläutert Augsburg, warum Bischof Bertram Meier die Handreichung nicht zum Maßstab für die Pastoral in seinem Bistum machen wird. Vier Punkte der Handreichung seien "nicht ganz konform" mit "Fiducia supplicans":
Bistum Augsburg zur Segenshandreichung
- Der Verzicht auf eine rituelle Festlegung der Form der Segensspendung durch kirchliche Autoritäten wird in Fiducia supplicans mit dem qualitativen Unterschied zwischen der sakramentalen Feier der Trauung und der Segnung in einem außerliturgischen Kontext begründet (FS 31), in der Handreichung hingegen mit der "größeren Spontaneität und Freiheit im Blick auf die Lebenssituation derjenigen …, die um den Segen bitten".
- Während die Erklärung Fiducia supplicans ausdrücklich betont, dass solche Segnungen weder gefördert noch ein Ritual dafür vorgesehen werden soll (FS 38), spricht die Handreichung explizit von "Segensfeiern" und beabsichtigt die Auswertung der Erfahrungen mit solchen Segnungen.
- Wo die Erklärung Fiducia supplicans von einer spontanen Segnung im Kontext eines "Besuchs eines Heiligtums, bei einer Begegnung mit einem Priester, bei einem Gebet, das in einer Gruppe oder während einer Pilgerreise" ausgeht (FS 40) und ausdrücklich "niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit" (FS 39), legen demgegenüber einige "Hinweise für die Praxis" in der Handreichung die planvolle und ästhetisch ansprechende Gestaltung einer gottesdienstlichen Segensfeier mit Musik und Gesang nahe (Segensspender: geweihte Amtsträger oder bischöfliche Gottesdienstbeauftragte; Teilnahme aller "im Zusammenspiel mit dem Leiter / der Leiterin durch Akklamation, Gebet und Gesang"; Rezitation passender biblischer Texte und ggf. deren Auslegung).
- Die expliziten Grenzziehungen in der Erklärung Fiducia supplicans, den außerliturgischen Segen als Zeichen göttlicher Nähe zu verstehen allerdings ohne den Anspruch "irgendetwas zu sanktionieren oder zu legitimieren" (FS 34) und jegliche Wahl der Kleidung, der "Gesten und Worte, die Ausdruck für eine Ehe sind" zu unterlassen (FS 39), finden in der Handreichung keinen Niederschlag.
Wo es keine grundsätzlichen Vorbehalte gibt, ist der Umgang mit der Handreichung unterschiedlich. Noch keine endgültige Position gibt es in einigen Diözesen, in denen die Beratung noch ansteht. Das ist etwa in Görlitz, München und Freising, Magdeburg sowie Paderborn der Fall. Außer in Görlitz haben diese Bistümer aber Zuständige für queersensible Pastoral, teilweise gibt es auch Segensangebote. Keine Rückmeldung zum Umgang gab es bis zum Redaktionsschluss aus Erfurt und Hamburg.
Mehr oder weniger offizielle Unterstützung
In Aachen ist eine offizielle Empfehlung angekündigt, in Dresden-Meißen und Hildesheim ist die Handreichung auf der Webseite des Bistums veröffentlicht. "Grundlage für das Engagement sind die verabschiedeten Handlungstexte des Synodalen Wegs", betonte der Hildesheimer Bistumssprecher.
Einen höheren Verbindlichkeitsgrad als die Veröffentlichung auf Webseiten hat die Publikation im jeweiligen Amtsblatt. Das ist in Limburg, Osnabrück und Trier erfolgt. In Osnabrück wurde mit der Handreichung sogar ein Formular zur statistischen Erfassung der Segnungen veröffentlicht. In der Bamberger Kirchenprovinz, zu der neben dem Erzbistum Bamberg die Bistümer Eichstätt, Speyer und Würzburg gehören, haben sich die Bischöfe dagegen darauf verständigt, die Handreichung gerade nicht im Amtsblatt zu veröffentlichen. In der Sache sind die vier Bistümer unterschiedlich positioniert: Klar für Segnungen Speyer und Würzburg, klar dagegen Eichstätt, in Bamberg selbst wurde die Handreichung beraten, man setze auf Fortbildung – mehr teilte die Diözese nicht mit.
In Berlin gilt fürs erste der Stand vor Erscheinen von "Fiducia supplicans" weiter. Bischof Heiner Koch hatte im August 2023 in einem Brief Verständnis für Befürworter und Kritiker von Segnungen geäußert. Er selbst werde vorerst keine Segnungen für Paare spenden, die nicht heiraten können oder wollen. Er werde aber auch nicht disziplinarisch gegen Seelsorgerinnen und Seelsorger vorgehen, die im Einzelfall nach einem pastoralen Gespräch solche Segnungen spenden.
Individuelle Lösungen und pastorales Einfühlungsvermögen
In Essen verweist man darauf, dass Mitarbeitende des Bistums an der Handreichung mitgearbeitet haben. Zudem gebe es bereits Fortbildungen für die Pastoral zur Handreichung. Fulda stellt sich hinter den Text: "Wir verstehen die Handreichung als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Kirche, die sich an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientiert und die Liebe in all ihren Ausdrucksformen achtet." Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat allen Seelsorgerinnen und Seelsorgern seines Bistums die Handreichung in einer E-Mail vorgestellt: "Ich empfehle Ihnen, in Ihrer Praxis gemäß der Handreichung vorzugehen", schrieb er laut seiner Pressestelle darin. Im Bistum Würzburg gebe es bereits eine Praxis dieser Segensfeiern. Darauf werde auch bei Ständen des Bistums Würzburg auf Hochzeitsmessen ausdrücklich hingewiesen. "Aufgrund der unterschiedlichen Situationen der Paare sind auch die Segensfeiern sehr individuell und benötigen in der Gestaltung ein hohes Maß an Sensibilität und Flexibilität. Die Begleitung und Beratung der von den Paaren angefragten Seelsorgerinnen und Seelsorger geschieht grundsätzlich anlassbezogen und individuell", so der Würzburger Sprecher.
Pfarrer Christoph Kunz segnet während einer Segnungsfeier das queere Paar Falko und Dennés in der Bischofskirche Sankt Sebastian des Bistums Magdeburg.
Das Erzbistum Freiburg gibt sich diplomatisch und betont, dass die Handreichung keinen rechtlichen Charakter hat: "Sie ist kein Gesetzestext, der in Kraft zu setzen wäre, sondern wird auf der Grundlage und nach Maßgabe von 'Fiducia supplicans' vom 18. Dezember 2023 bei denen, die mit diesem Anliegen in der pastoralen Praxis befasst sind, Beachtung finden." Die Erzdiözese sehe "weder eine Notwendigkeit, die Handreichung zur Anwendung zu empfehlen, noch ihre Umsetzung zu verbieten". Vielmehr gehe man davon aus, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger in der Erzdiözese verantwortlich damit umgehen. So habe man es bereits mit "Fiducia supplicans" gehalten, das "bistumsseitig ebenso wenig näher kommentiert bzw. eingeordnet wurde".
Auf die Einschätzung der Seelsorgenden vertraut auch der Münsteraner Diözesanadministrator Antonius Hamers. Er sei zuversichtlich, dass die Handreichung eine wertvolle Unterstützung der bisherigen Arbeit sein werde. "Die Bistumsleitung hat grundsätzlich auf die Sensibilität und das pastorale Einfühlungsvermögen der Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort gesetzt, diese Segnungen würdig, angemessen und gewissenhaft zu gestalten", so Hamers.
In den meisten Bistümern ist es damit möglich, dass sich Paare, die nicht heiraten können, segnen lassen – mit einigen regionalen Unterschieden. Bei aller Unterschiedlichkeit ist es aber Konsens, dass es eine angemessene Queerpastoral benötigt: Anders als in anderen Teilen der Weltkirche gibt es in Deutschland keinen Diözesanbischof, der hinter "Fiducia supplicans" zurückgehen will; das betonen auch die größten Kritiker der Handreichung. Aus dem Vatikan gibt es bislang keine Reaktion auf das Segenspapier – trotz der Diskrepanzen zwischen "Fiducia supplicans", das Segnungen gar nicht in einem irgendwie gearteten liturgischen Rahmen sehen will, und der Handreichung, die trotz fehlendem Gottesdienst-Formular in die andere Richtung geht. Ob das an der guten Diplomatie im Vorfeld der Handreichung liegt oder an einer Neuaufstellung nach dem Pontifikatswechsel, ist noch nicht abzusehen.
Die Handreichung im Wortlaut
Die Handreichung "Segen gibt der Liebe Kraft" der Gemeinsamen Konferenz aus Deutscher Bischofskonferenz (DBK) und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) kann auf der Website des Synodalen Wegs im Wortlaut heruntergeladen werden.
