Missbrauch: Theologin Leimgruber warnt vor gefährlicher Theologie
Missbrauch in der katholischen Kirche ist nach Einschätzung der Regensburger Pastoraltheologin Ute Leimgruber eng mit toxischen oder verletzenden theologischen Traditionen verbunden. Bei Vorträgen im Rahmen der Salzburger Hochschulwochen machte die Wissenschaftlerin deutlich, dass Theologie nicht neutral sei: "Theologien sind nicht einfach unschuldig. In der Hand von Tätern können sie zur Waffe werden."
Leimgruber betonte in Salzburg, dass Missbrauchstäter immer wieder auf theologische Begründungsmuster zurückgreifen, um ihre Handlungen vorzubereiten, zu rechtfertigen und dauerhaft zu sichern. Opferberichte zeigten, dass Täter Bibelstellen gezielt "strategisch instrumentalisieren", um ihr Handeln religiös zu legitimieren. So werde etwa die Aussage "Gott ist Liebe" missbraucht, indem Priester ihre Übergriffe als Ausdruck göttlicher Liebe darstellen. Besonders brisant seien intime pastorale Kontexte wie Beichte oder geistliche Begleitung: "Intime Gesprächssituationen wie jene der Beichte bringen ein erhöhtes toxisches Gefährdungspotenzial mit sich", so Leimgruber.
Täter-Opfer-Umkehr
In diesen Situationen inszenierten sich Täter nicht selten als Handelnde "in persona Christi", was zu einer fatalen Täter-Opfer-Umkehr führe: "Der Täter wird zu Gott und Gott zum Täter gemacht – und gegen den lehnt man sich als Opfer nicht auf."
Aus diesen Erkenntnissen leitet Leimgruber die Forderung nach einer "vulneranz-sensiblen Theologie" ab. Diese müsse theologische Inhalte und Traditionen kritisch auf ihr "Verletzungspotenzial" prüfen und analysieren, inwiefern sie unbewusst zur Legitimierung von Missbrauch oder zur Viktimisierung von Opfern beitragen können. Theologie sei keine rein akademische Disziplin, sondern "eine körperlich-soziale Praxis, die in konkreten Kontexten wirkt – mitunter auch zerstörerisch".
Forderung nach neuer theologischer Kultur
Das Ziel einer solchen neuen theologischen Kultur sei nicht die generelle Ablehnung religiöser Lehren, sondern ein bewusster, machtkritischer und kontextsensibler Umgang mit ihnen. Dazu gehöre, Ambivalenzen anzuerkennen, die Wirkungsmacht theologischer Aussagen zu reflektieren und in Ausbildung und Seelsorge präventiv zu arbeiten.
Leimgruber ist eine von zahlreichen Referentinnen und Referenten der Salzburger Hochschulwochen, die noch bis 10. August an der Universität Salzburg stattfinden. Ziel der traditionsreichen Sommerveranstaltung ist es, aktuelle gesellschaftliche und kirchliche Themen interdisziplinär zu beleuchten – in diesem Jahr laut Motto unter dem Fokus von lebensfördernden und "vergiftenden" Einflüssen. (KNA)
