Warum der neue Kirchenlehrer Newman ein wichtiges Signal ist

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Leo XIV. hat den Hl. John Henry Newman zum Kirchenlehrer ernannt. Sein Namensvorgänger Leo XIII., sprach von Newman fast liebevoll als "il mio cradinale", hat er doch den zum Katholizismus konvertierten theologischen Universalgelehrten und britischen Gentleman 1879 zum Kardinal kreiert (ohne dass Newman je Bischof wurde).
Im selben Jahr erschien die Enzyklika "Aeterni Patris", die eine Neuschöpfung der Theologie des Hl. Thomas von Aquin als für alle Zeiten als verbindlich forcierte – Newman beschritt bis zu seinem Tod 1890 andere Wege: Wo sich der Thomismus jegliche (organische) Entwicklung der Glaubenslehre verbat, sah Newman gerade in dieser den Garanten von Kontinuität! Das klingt wenig spektakulär, benennt aber zwei konträre Begründungsstrategien des Gottesglaubens – mit Auswirkungen bis in die Gegenwart: Zum einen die unwandelbare Glaubenswahrheit (believe), die auf Grund der Autorität Gottes anzunehmen ist, zum anderen die Haltung des Glaubens (faith), deren Zustimmungswürdigkeit vor dem Forum der Vernunft sich je neu erweisen muss. Dies kann sie nur, so die Glaubensinhalte kontinuierlich reformuliert werden, da sie sich stets menschlicher Interpretationsleistungen verdanken.
In diesem Zusammenhang votierte Newman für eine übergeordnete Rolle des (gebildeten) Gewissens als Letztinstanz für Glaubenszustimmungen. Im Kontext des Unfehlbarkeitsdogmas von 1870, das Newman in seiner Begründungslogik kritisch sah, wurde er von Henry Manning, dem Kardinal von Westminster, als der "gefährlichste Mann Englands" betitelt. Dieser Gefahr einer gewissensbasierten Entwicklung der Glaubenslehre versuchte sich auch der Antimodernisteneid von 1910 zu erwehren: Ich verwerfe "die häretische Erdichtung von einer Entwicklung der Glaubenslehren, […] dass nämlich Menschen […] durch ihren Geist, die von Christus und den Aposteln angefangene Lehre durch die nachfolgenden Generationen hindurch fortgesetzt haben", so war zu schwören.
Dies ist längst Makulatur; der neue Kirchenlehrer hat durch die geschichtliche Entwicklung Recht bekommen. Newman sagte, er würde jederzeit einen Toast auf den Papst aussprechen – dies würde er wohl nun auch auf Leo XIV. tun –, aber zuerst auf das Gewissen. Ich ergänze: Es braucht "Newmen" auch heute, egal welchen Geschlechts, denn Treue zur Kirche ist Festhalten an ihrem kontinuierlichen Wandel. Und: In Anchorage war das Gewissen eher absent.
Der Autor
Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.