Ärger über AfD-Wahlwerbung – Politiker posieren vor Gotteshäusern
Die Empörung bei Kirchenvertretern über die AfD ist groß. Grund sind Plakate der Partei für die am Sonntag anstehende Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen. Da posieren Kandidaten vor örtlichen Kirchengebäuden – zum Beispiel der Bewerber um das Bürgermeisteramt in Sankt Augustin bei Bonn vor dem ortsprägenden Missionspriesterseminar der Steyler Missionare. "Missbräuchlich und irreführend" empfinde man das ohne Zustimmung verwendete Bild, so der Orden. "Unser Gebäude wird damit in einen parteipolitischen Zusammenhang gestellt, der in keiner Weise unserem Selbstverständnis entspricht."
Das Verhältnis der Kirche zur AfD ist gespannt. So veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz im Februar 2024 die Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". Darin charakterisieren die katholischen Bischöfe ausdrücklich die AfD und damit erstmals eine im Bundestag vertretene Partei als nicht wählbar für Christen. Die Begründung: In der Partei dominiere nach mehreren Radikalisierungsschüben inzwischen eine völkisch-nationalistische Gesinnung.
Entsprechend groß ist der Unmut, wenn AfD-Politiker vor Kirchengebäuden Profil zeigen. Die Lippische Landeskirche und der katholische Pastoralverbund Lippe-Detmold verwahrten sich diese Woche "gegen die Instrumentalisierung von lippischen Kirchengebäuden". In mindestens drei Fällen hatten AfD-Bürgermeisterkandidaten in Presseauftritten oder Social-Media-Videos bewusst vor Kirchen für ihre Politik geworben, die angeblich christliche Werte verkörpere.
Vor dem Missionspriesterseminar der Steyler Missionare in Sankt Augustin lässt sich ein AfD-Politiker für sein Wahlplakat fotografieren.
"Das Gegenteil ist der Fall", betonte Landessuperintendent Dietmar Arends. "Die biblische Botschaft erzählt gerade von Gottes gnädiger Zuwendung zu allen Menschen – und zwar unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder anderen gesellschaftlichen Einteilungen." Ähnlich äußerte sich der leitende katholische Pfarrer Markus Jacobs vom Pastoralverbund Lippe-Detmold: "Wer sich auf christliche Werte besinnen möchte, wird auf die Aufforderung Jesu stoßen, sich besonders den Schwachen zuzuwenden. Das gilt für Freunde und Verwandte, für Menschen im eigenen Land und weltweit." Beide Geistlichen betonen, sie wollten niemandem den persönlichen Glauben absprechen. "Aber wenn der christliche Glaube für Spaltung und Kulturkampf – Stichwort 'Abendland' – missbraucht wird, dann müssen wir klar widersprechen."
Auch die katholische Innenstadtpfarrei Sankt Vitus in Mönchengladbach kritisiert ein großformatiges Bild ihrer Münster-Basilika auf dem Titelblatt des AfD-Wahlprogramms. Die Kirche sei ein sakraler Ort, der für christliche Werte wie Offenheit, Barmherzigkeit, Versöhnung und den Schutz der Menschenwürde stehe – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder Weltanschauung.
Keine Einzelfälle
Im rheinland-pfälzischen Kommunalwahlkampf im vergangenen Jahr nutzten AfD-Politiker ebenfalls Kirchenfotos. Das evangelische Dekanat Mainz und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau drohten sogar juristische Schritte an. Letztlich wurden aber wegen fehlender Erfolgsaussichten keine Rechtsmittel eingelegt.
Da konnte vor zehn Jahren der damalige Kölner Dompropst Norbert Feldhoff mehr Durchsetzungskraft an den Tag legen. Als im Januar 2015 die erste islam- und asylkritische Pegida-Demonstration durch Köln zog, nahm er den Protestlern die Kulisse des berühmten Gotteshauses, indem er die Dom-Beleuchtung ausschalten ließ.
Auch im aktuellen Wahlkampf taucht der Kölner Dom in Werbekampagnen auf – nicht nur bei der AfD. "Hierbei dient der Dom in meinen Augen – wie auch bei anderen Angelegenheiten – als willkommene Kulisse und auch als Erkennungszeichen von Köln", sagte der Kölner Stadt- und Domdechant Robert Kleine der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Tatsache, dass ein Politiker sich vor dem Dom präsentiert, um diesen parteipolitisch zu instrumentalisieren, hält er für legitim. Wahlentscheidend sei doch, "wofür die Personen, die kandidieren, stehen. Und nicht, wovor sie stehen".
