Zwischen schmerzlicher Trauer und tröstlicher Hoffnung

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Mit dem heutigen Evangelium lesen wir beim Evangelisten Lukas eine von nur zwei Episoden in allen vier Evangelien, die eine Auferweckung von Verstorbenen erzählen. Die weitaus bekanntere Erzählung ist sicher die Auferweckung des bereits Tage vorher verstorbenen und bestatteten Lazarus aus dem Johannesevangelium (Joh 11,17–27), welches ebenfalls als Evangelium am heutigen Tag gelesen werden kann. Ich habe mich für die weniger bekannte Auferweckungserzählung entschieden, weil sie in ihrer Kürze und Prägnanz zwei wichtige Akzente setzt, die mir heute an Allerseelen wichtig sind: Jesus lässt sich vom Leid der Zurückgebliebenen anrühren und Jesus verheißt ein Leben nach dem Tod.
Jesus lässt sich vom Leid der Zurückgebliebenen anrühren.
Auf seiner Wanderschaft begegnet Jesus vor den Stadttoren von Naïn einem Trauerzug. Der einzige Sohn einer Witwe war gestorben und wird jetzt zur Bestattung aus der Stadt hinausgetragen. Seine Mutter und viele weitere Trauernde begleiten den letzten Weg des Verstorbenen. Jesus sieht die Tränen und die Trauer der Frau, von der er, im Gegensatz zu uns Lesenden, nichts weiter weiß, von ihrem Anblick zu Mitleid gerührt wird. Ihr Verlust ist ihm nicht gleichgültig, er fühlt ihr Leid. Er erkennt an, dass der Tod eines geliebten Menschen keine Kleinigkeit ist – unabhängig von Verwandtschaftsverhältnissen und sozialen Folgen.
Jesus verheißt ein Leben nach dem Tod.
Jesus selbst spendet dem Verstorbenen neues Leben nach dem Tod. Lukas spielt in seiner Erzählung ganz explizit mit teilweise wörtlichen Zitaten auf die Erzählung um den Propheten Elija und die Witwe in Sarepta (1 Kön 17) an. Auch Elija erweckt den kürzlich verstorbenen Sohn der trauernden Witwe wieder zum Leben – allerdings nicht eigenmächtig, wie Jesus, sondern er betet zu Gott und dieser erweckt den Toten wieder zum Leben. Nicht Elija ist der Auferweckende, sondern Gott. In unserer Erzählung ist es Jesus selbst, der unmittelbar handelt. Lukas zeigt also mit seiner Erzählung, dass Jesus noch wirkmächtiger ist als der größte Prophet des Alten Testaments, dass er keine prophetische Mittlergestalt ist, sondern Gottes Sohn. Er selbst verheißt und bringt ein Leben nach dem Tod.
Für mich sind beide Aspekte heute an Allerseelen trostbringend: Jesus steht heute mit mir und allen Zurückgebliebenen am Grab der geliebten Menschen, die ich an den Tod verloren habe, die ich beerdigen musste. Er sieht, wie schmerzhaft es ist, zurück zu bleiben, geliebte Menschen zu verlieren und sie zu vermissen. Er verharmlost dieses Leid nicht. Gleichzeitig spendet er Hoffnung darauf, dass dieses Leid nicht das letzte Wort haben wird. Er verheißt, dass es ein Leben nach dem Tod geben wird, in denen wir einander zurückgegeben werden, wie der Witwe ihr Sohn. Beides zugleich, Trauer um geliebte Menschen und Hoffnung auf ein gemeinsames Leben nach dem Tod begleiten uns heute an Allerseelen.
Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 7,11–17)
In jener Zeit kam Jesus in eine Stadt namens Naïn kam; seine Jünger und eine große Volksmenge folgten ihm.
Als er in die Nähe des Stadttors kam, siehe, da trug man einen Toten heraus. Es war der einzige Sohn seiner Mutter, einer Witwe. Und viele Leute aus der Stadt begleiteten sie. Als der Herr die Frau sah, hatte er Mitleid mit ihr und sagte zu ihr: Weine nicht!
Und er trat heran und berührte die Bahre. Die Träger blieben stehen und er sagte: Jüngling, ich sage dir: Steh auf! Da setzte sich der Tote auf und begann zu sprechen und Jesus gab ihn seiner Mutter zurück.
Alle wurden von Furcht ergriffen; sie priesen Gott und sagten: Ein großer Prophet ist unter uns erweckt worden: Gott hat sein Volk heimgesucht. Und diese Kunde über ihn verbreitete sich überall in Judäa und im ganzen Gebiet ringsum.
Die Autorin
Schwester Jakoba Zöll ist Olper Franziskanerin. Sie arbeitet an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und schreibt an ihrer Promotion.
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