Vorwürfe betreffen Methodik, Kommissionsbesetzung und Bischofshaus

Kritik an Augsburger Missbrauchsstudie – Debatte um Gewalt-Fall

Veröffentlicht am 06.11.2025 um 16:48 Uhr – Von Christopher Beschnitt (KNA) – Lesedauer: 

Augsburg ‐ Jüngst ist eine Missbrauchsstudie fürs Bistum Augsburg erschienen. Historiker monieren nun Mängel. Zudem gerät ein Gewalt-Fall in den Fokus, in den ein Weihbischof verwickelt sein soll. Bistum und Kommission wehren ab.

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Im Bistum Augsburg gibt es Kritik an der vor einer Woche veröffentlichten Missbrauchsstudie. Diese zielt auf die Methodik der Untersuchung und die Besetzung der dafür verantwortlichen Unabhängigen Aufarbeitungskommission. Darüber hinaus schlägt ein Fall Wellen, in dem hochrangige Geistliche des Bistums einem erwachsenen Mann sexualisierte Gewalt angetan haben sollen.

Zur Studie erklärten die Historiker Martina Steber und Dietmar Süß von der Uni Augsburg in der "Augsburger Allgemeinen": "Aus unserer fachlichen Perspektive krankt diese Studie an sehr grundsätzlichen methodischen Mängeln." Die Studie habe sich nicht bemüht, allen archivalischen Spuren jenseits der Bistumsunterlagen zu folgen. Problematisch sei auch die durch die MHG-Studie bestimmte Vorauswahl. "Im Wissen um ein großes Dunkelfeld wäre es wichtig gewesen, auch die Erfahrungen der Betroffenen systematisch auszuwerten."

Die Augsburger Missbrauchsuntersuchung ist laut der Aufarbeitungskommission eine vertiefte Auswertung des der MHG-Studie zugrundeliegenden Datenbestandes für das Bistum. Die MHG-Studie hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) in Auftrag gegeben, um das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland zu ermitteln. Sie war 2018 veröffentlicht worden.

Kritik an Kritikern

Die Aufarbeitungskommission wehrt sich gegen die Kritik der Historiker. Der Vorsitzende Hubert Paul sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), die in der Augsburger Studie stehenden Tatschilderungen entsprächen den Aussagen der Betroffenen. "Ein erneutes 'Hören' war schon von daher obsolet, ungeachtet des von eventuellen Kritikern völlig übersehenen Retraumatisierungsrisikos."

Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Archivbild)

Die 2018 vorgestellte MHG-Studie.

Paul ergänzte, aufgrund der Ergebnisse früherer Aufarbeitungsprojekte im Bistum bestätigten externe Archivalien allenfalls äußere Fakten; nie hätten sie Anhaltspunkte für Missbrauchsgeschehen geboten. "Strafrechtliche Unterlagen wiederum fanden sich weit über die Aufbewahrungsfristen staatlicher Organe hinaus in den Personalakten der verurteilten Täter." Kontextualisierung habe man methodisch bewusst außen vor gelassen, "da diese keinen zusätzlichen Erkenntniswert für das Bistum Augsburg erbracht hätte. Dazu liegen bereits Studien vor; die Struktur der Bistümer ist zumindest für den Bereich der alten BRD nahezu identisch."

Weitere Studie

Die Diözese verweist ihrerseits darauf, dass die Erfahrung der Betroffenen derzeit in einer eigenen Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München untersucht werde. Damit würden in Augsburg am Ende zwei Studien vorgelegt: eine mit dem Fokus Täter/Verantwortungsträger, die andere mit dem Schwerpunkt Betroffene. "Dieser umfassende Ansatz dürfte für die Aufarbeitung des Missbrauchs beispielgebend sein."

In der "Augsburger Allgemeinen" wird dagegen angeführt, auch in Kirchenkreisen werde die Studie kritisiert – "hinter vorgehaltener Hand". Grund sei unter anderem die Kirchennähe einzelner Kommissionsmitglieder. So befinde sich unter diesen eine Hauptabteilungsleiterin des Bischöflichen Ordinariats.

Hubert Paul weist dies als "völlig substanzlose aus der Luft gegriffene Unterstellung" zurück. "Die kolportierten 'Kirchenkreise' sind uns nicht bekannt und auch nie an uns herangetreten." Er habe als Vorsitzender nie Sorge gehabt, dass Mitglieder zu kirchennah sein könnten. "Diese Einschätzung wird ausdrücklich auch von den an der Erstellung der Studie durchgehend und absolut gleichberechtigt beteiligten Vertretern des Unabhängigen Betroffenenbeirats geteilt."

Angebliche Todesdrohung

Das Bistum erinnert überdies an die "Gemeinsame Erklärung" des Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung und der Deutschen Bischofskonferenz. Diese enthält Leitlinien zur Aufarbeitung von Missbrauch. Danach dürfen knapp die Hälfte der Kommissionsmitglieder Kirchenbeschäftigte sein. Zudem sei die bayerische Staatsregierung darin eingebunden, Kommissionsmitglieder zu bestätigen.

Bischof mit Mitra
Bild: ©picture alliance/dpa | Patrick Seeger (Symbolbild)

Die "FAZ" berichtete, ein missbrauchter Mann sei von einem Weihbischof mit dem Tod bedroht worden, sollte er die Untaten öffentlich machen.

In ihrem Beitrag erwähnt die "Augsburger Allgemeine" auch einen jüngst von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" öffentlich gemachten Fall von sexueller Gewalt im Bistum Augsburg. Die "FAZ" berichtete, ein Mann sei von zwei Priestern in verantwortlichen Ämtern missbraucht, vom Sekretär des Bischofs an die homosexuelle Szene der Stadt vermittelt und von einem Weihbischof mit dem Tod bedroht worden, sollte er die Untaten öffentlich machen. Das Bistum überweise dem Mann seit 2011 eine Leibrente in Höhe von 3.500 Euro im Monat.

"In Anerkennung des Leids" zahle man diese Leibrente, so das Bistum zur KNA. Die Schilderungen der "FAZ" könne man ansonsten im Detail nicht bestätigen. Tatsache sei, dass im März 2010 über eine Ansprechperson für Missbrauchsopfer Beschuldigungen vorgetragen worden und damit im Bistum Augsburg bekannt geworden seien. "Die Beschuldigungen beziehen sich auf einen Zeitraum im vergangenen Jahrhundert." Der damalige Unabhängige Missbrauchsbeauftragte im Bistum sei daraufhin leitlinienkonform informiert worden, ebenso der Vatikan und die Staatsanwaltschaft.

Verjährt und zu den Akten gelegt

"Nach Kenntnis des Bistums hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen offenkundiger Verjährung nicht weiter verfolgt", so ein Sprecher der Diözese. Die römische Glaubenskongregation habe dem Bistum beschieden, dass der Fall deshalb zu den Akten zu nehmen sei. "Bei dieser Entscheidung dürfte die Tatsache, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der inkriminierten Vorgänge weder minderjährig noch Schutzbefohlener war, eine entscheidende Rolle gespielt haben."

Auf die Frage, warum der Fall nicht in der Augsburger Missbrauchsstudie auftaucht, sagt der Kommissionsvorsitzende Paul: Ein Kommissionsmitglied, das nie für das Bistum gearbeitet habe, habe die ungeschwärzten Akten zu diesem Fall ausgewertet. Der Betroffene sei zum Tatzeitpunkt volljährig und kein Schutzbefohlener des Bistums gewesen. Die Studie habe sich lediglich mit dem Missbrauch Minderjähriger befasst.

Von Christopher Beschnitt (KNA)