Standpunkt

Schweizer Lavieren um die Lebensführung

Veröffentlicht am 19.11.2025 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Schweizer Bischöfe wollen weg von Einzelfallentscheidungen, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich von Seelsorgenden mit der kirchlichen Lehre über Kreuz liegt. Ihre Lösung bleibt aber im Ungefähren und schützt nicht vor Willkür, kommentiert Felix Neumann.

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Lange haben die Schweizer Bischöfe um ihre Positionierung gerungen, welche Anforderungen sie an das Privatleben von Seelsorgerinnen und Seelsorgern stellen. Herausgekommen ist eine Standortbestimmung, die sich auf sieben Seiten eher um einen festen Standpunkt herum windet, als ihn einzunehmen.

Das Anliegen ist ehrenwert: Es gilt, den Anspruch der Kirche an die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses, zu dem auch eine restriktive Sexualmoral gehört, mit dem Recht auf Privatleben und Intimsphäre ihrer Seelsorgenden zu vereinbaren. Der Verdienst des Schweizer Papiers ist es, diese Spannung zu benennen.

In der Ausführung wirkt der Umgang mit dieser Spannung aber bisweilen komisch angesichts der Selbstwidersprüche: Da wird beklagt, dass bisher Einzelfallentscheidungen getroffen wurden, die dadurch im Ruch der Willkür standen. Anstelle dieser Einzelfallentscheidungen treten nun nicht "Regeln und Kriterien", sondern eine "Standortbestimmung", die "die aktuellen Lebenswirklichkeiten ernst nimmt und zur geistlichen Unterscheidung einlädt".

Das eigentliche Problem – wie umgehen damit, dass auch Seelsorgerinnen und Seelsorger getrennt oder geschieden, schwul oder lesbisch, in zweiter Ehe oder unverheiratet zusammenleben – wird nicht gelöst. Wenn die Schweizer Bischofskonferenz sich in ihrer Pressemitteilung implizit dafür lobt, keinen "starren Regelkatalog" verfasst zu haben, verfehlt das den Anspruch, von der Willkür wegzukommen. Regeln wären das Gegenteil von Willkür, nicht die Umbenennung von "Einzelfalllösungen" in einen Prozess der "geistlichen Unterscheidung".

Das Schweizer Papier wirft ein Licht darauf, welche Leistung die Reform der Grundordnung des kirchlichen Dienstes in Deutschland vor drei Jahren war und welche guten Ergebnisse offen ausgetragene Debatten zeitigen können. Nach einer Mehrheitsentscheidung der Synodalversammlung und einigem Druck der Initiative "Out in Church" haben die Bischöfe damals einen Paradigmenwechsel im kirchlichen Arbeitsrecht vollzogen, der die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses an der Institution, nicht an den Lebensumständen einzelner Beschäftigter festmacht. "Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen", heißt es nun in der Grundordnung. Das ist eine starre Regel, die vor Willkür schützt.

Von Felix Neumann

Der Autor

Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.