Tag 9: In der Aula und draußen
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"Hinter dem Vatikan" ist vielleicht etwas übertrieben; das Haus liegt im Westen des Monte Mario, nicht mehr weit vom Stadtrand. Es ist schön und ordentlich hergerichtet. Sizilianische Schwestern pflegen Gastfreundschaft mit südlichem Charme. Geladen ist eine bunt-gemischte Gruppe; die deutschen Teilnehmer der Synode mit dem kleinen Mitarbeiterstab des Gastgebers, ein paar Kuriale, darunter Kardinal Müller, und etliche Synodalen aus der weiten Welt: Polen, Lettland, Tonga, Indien, Italien, Vietnam und den USA, um nur diejenigen zu nennen, mit denen ich mich an diesem Abend etwas unterhalten kann. Die Gäste decken die ganze Bandbreite ab, also alles andere als ein konspiratives Geheimtreffen Gleichgesinnter.
Die Küche ist resolut alpenländisch, unter anderem mit Augustiner-Bier und einer eleganten Variation zum bayerischen Reste-Klassiker "Saure Knödel". Eine kleine Blasmusik aus dem Chiemgau spielt auf, und in den Musikpausen gibt es an den Tischen lebhafte Gespräche. Ein italienischer Kurienerzbischof nutzt die Gelegenheit, um ein Papier mit seinem Lösungsvorschlag für die Synode zu verteilen. Die uralte Verbindung Bayerns mit Rom ist in dieser Casa wieder neu verkörpert, mit einer Weitung ins Globale hinein.
Am Montag war nicht viel los
Ich kann das alles in diesem Blog so ausführlich schildern, weil sich über die Arbeitsphase in den Kleingruppen, die am Montag wieder begann, eher wenig berichten lässt. Angesichts der erheblichen Aufgabe, die noch vor uns liegt, ist die innere Haltung inzwischen vielleicht eher Zähigkeit als Enthusiasmus, aber mit Zähigkeit kommt man ja auch weiter. Wir schließen an diesem Tag die Überarbeitung des 2. Teils ab, und hören, dass auch die anderen Gruppen ihr Plansoll eher übererfüllt haben. Eine lange Diskussion gibt es bei uns über die Formulierung von der "beständigen Lehre der Kirche".
Das Synodenblog
Abtpräses Jeremias Schröder OSB von St. Ottilien nimmt an der Familiensynode im Vatikan teil. Für katholisch.de berichtet er regelmäßig direkt aus der Synodenaula.Nachdem es zum Wochenende hin in der Aula mehrere Hinweise auf das mangelnde Verständnis von Geschichte im Dokument gegeben hat, empfiehlt unsere Gruppe schließlich, von einer "jahrhundertelangen Entwicklung der Lehre über Ehe und Familie auf der festen Grundlage der Worte Jesu" zu sprechen. Es wird moniert, dass damit ja angedeutet wird, es könne auch noch eine zukünftige Entwicklung geben. In der Tat. Lebhaft wird es auch, als wir auf den "Love-Jihad" zu sprechen kommen. In Indien, Tanzania und Nigeria, so hören wir, gibt es eine bewusste Strategie, christliche Mädchen mit muslimischen Männern zu verheiraten, um so die Islamisierung voranzutreiben. Eine Familiensynode muss sich auch damit beschäftigen.
Die Geschichten des Vaticanista Sandro Magister
Die Ordensvertreter bei der Synode von 2014 hatten damals berichtet, es habe eigentlich zwei Synoden gegeben, die in der Aula, und die in den Medien. Das kam mir in diesem Oktober bislang anders vor, aber die sich übers Wochenende im Internet entfaltende Geschichte vom Brief der 13 Kardinäle hat mich daran erinnert. Rings um die Aula habe ich jedenfalls kein Wort von diesem Brief gehört. Inzwischen werden im Internet ständig Korrekturen nachgeschoben: andere Unterzeichner, anderer Briefinhalt. Der Urheber der Geschichte, der italienische Vaticanista Sandro Magister, ist uns Benediktinern ohnehin in zwiespältiger Erinnerung. Vor geraumer Zeit verbreitete er, Kardinal Ratzinger wolle den Benediktiner die Basilika San Paolo fuori le mura wegnehmen und einer neugegründeten italienischen Mönchstruppe übergeben. In St. Paul beten und arbeiten immer noch die Benediktiner, und die halbseidenen Alternativmönche haben sich längst aufgelöst. Nachrichten sind Politik, das gilt auch im Schatten der Peterskuppel.
Nicht nur Kardinal Marx weiß, wie man eine Party organisiert. Rings um die Synode entfaltet sich ein reges Veranstaltungsprogramm. Es gibt Konzerte, Andachten, Empfänge, Vorträge und allerlei sonstige Feierlichkeiten. Das ist noch kein tanzender Kongress, aber doch eine Lockerung der strengen Formen in der Aula, die so manchen informellen Brückenschlag ermöglicht. Gestern erhielt ich eine schöne Einladung der polnischen Botschaft: gegen Ende der Synode wird ausführlich der gegenseitigen Vergebung gedacht, die die deutschen und polnischen Bischöfe 1965 mit einem Brief von Rom aus auf den Weg brachten, wo sie sich zum Konzil aufhielten. Manchmal haben solche Versammlungen ganz unerwartete Nebeneffekte.