Ein Moment der Verwirrung im Vatikan-Apparat

Leo XIV. betet in Istanbul nicht in der Blauen Moschee

Veröffentlicht am 29.11.2025 um 14:06 Uhr – Von Sabine Kleyboldt (KNA) – Lesedauer: 

Istanbul ‐ Benedikt XVI. hat es getan, Franziskus tat es – Leo XIV. tat es nicht: Er verzichtete beim Moschee-Besuch in Istanbul auf ein stilles Gebet. Und überraschte damit offenbar auch den eigenen Apparat im Vatikan.

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Würde Leo XIV. in Istanbuls Blauer Moschee eine Geste des Gebets zeigen – wie seine beiden Vorgänger? "Nein", war die Antwort, die der Muezzin der Sultan-Ahmed-Moschee, Askin Musa Tunca, nach dem Papstbesuch am Samstagmorgen mit leichter Enttäuschung gab. Zusammen mit dem türkischen Kultur- und Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy und dem Mufti von Istanbul, Emrullah Tuncel, hatte er den hohen Gast aus Rom eine knappe halbe Stunde lang durch die prachtvolle Moschee mit den blauen Fliesen und den goldenen Koranzitaten geführt.

"Mir war vorher gesagt worden, dass der Papst vielleicht würde beten wollen, deshalb habe ich es ihm dann angeboten", erläuterte Tunca, anders als seine Begleiter in einen dunklen Anzug gekleidet. "Aber er sagte, nein, er wolle sich die Moschee nur ansehen." Damit wich Leo von seinen Vorgängern Benedikt XIV. und Franziskus ab, die bei ihren Besuchen 2006 bzw. 2014 in der wichtigen Moschee in Istanbul jeweils stille Gebete verrichtet hatten.

Um Missverständnisse auszuschließen, erklärte Vatikan-Sprecher Matteo Bruni anschließend, der Papst habe die Moschee "schweigend, in einem Geist der Sammlung und mit tiefem Respekt für den Ort und den Glauben derer besucht, die sich dort zum Gebet versammeln". Auch Tunca wiegelte ab, natürlich wisse er nicht, ob Leo XIV. vielleicht im Innern gebetet habe. Und: "Allah sagt im Koran, 'ich habe euch als Mann und Frau, als Völker und Stämme geschaffen, damit ihr zusammenkommt und euch kennenlernt'", zitierte der islamische Gebetsrufer das Heilige Buch der Muslime. "Ich betrachte den Besuch aus dieser Perspektive: Wir alle sollten uns treffen und einander kennenlernen, deshalb bin ich sehr glücklich, den Papst heute hier getroffen zu haben."

Leichte Überraschung

Offenbar sorgte Leos Verhalten in der Moschee nicht nur bei den Gastgebern für leichte Überraschung: Der vatikanische Medienapparat schien kurzzeitig verwirrt. Eine vorbereitete und später auch verbreitete Mitteilung, es habe seitens des Papstes einen "kurzen Moment des Gebets" gegeben, wurde eilends von Vatikan-Sprecher Bruni dementiert.

Trotz solch medialer und diplomatischer Holprigkeiten: Zweifellos setzte Leo XIV. mit seinem Besuch ein Zeichen des Respekts und der Würdigung der Mehrheitsreligion seines Gastgeberlandes. Wie vorgeschrieben, entledigte sich der Papst am Eingang des mit einem hellbraunen Teppich ausgelegten Gebetshauses seiner schwarzen Schuhe und durchmaß auf weißen Socken den riesigen Raum. Auf die rote Mozzetta, die er vor allem bei Auftritten als Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken um die Schultern trägt, verzichtete er an diesem Tag.

Bild: ©KNA/Lola Gomez/CNS photo

Geht in weißen Socken: Papst Leo XIV.

Freundlich nickend, sichtlich beeindruckt und interessiert lächelnd, folgte er den Erläuterungen auf Englisch zu den architektonischen Details zu der im frühen 17. Jahrhundert erbauten Moschee, während zwei Katzen durch das Gebetshaus streiften und eine Krähe durch die hohe Kuppel flog. Insbesondere dürften seine drei muslimischen Gastgeber ihn auf die Koransuren 3 und 19 aufmerksam gemacht haben, die unter den zahllosen goldenen Inschriften an den blaugefliesten Wänden prangen: In ihnen geht es um die Jungfrau Maria, die Jesus geboren hat. Ihn betrachten die Muslime als Propheten.

Anschließend hatte das Oberhaupt der Katholiken wieder ein "Heimspiel" unter Christen: Er besuchte die Mor-Ephrem-Kirche der syrisch-orthodoxen Gläubigen, wo er mit Vertretern mehrerer christlicher Kirchen und Konfessionen zusammentraf. Ebenso steht ein Gebetstreffen mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. an, bei dem die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung zur Einheit der Christen geplant ist.

Am späteren Nachmittag Abend wird Leo XIV. dann eine katholische Messe in der Volkswagen Arena halten. Ein Besuch der Hagia Sophia, die in ihrer langen Geschichte zunächst christliche Kirche, dann Moschee, dann Museum war, steht nicht auf Leos Programm. 2020 wurde sie durch Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder zur Moschee umgewidmet.

Von Sabine Kleyboldt (KNA)