Dogmatiker Seewald: Neues Konzil wäre aktuell Unsinn
Der Münsteraner Theologe Michael Seewald hält ein Drittes Vatikanisches Konzil derzeit für unsinnig. "Wäre es denn sinnvoll, dass 5.500 Männer über Zukunftsfragen entscheiden, während Frauen nur beratend dabei sein dürften?", sagte der Theologe im Interview mit der Zeitschrift "Publik-Forum". Kirche und Gesellschaft hätten sich seit dem Zweiten Vatikanum grundlegend verändert – besonders im Amtsverständnis und in den Geschlechterrollen. Dies müsse vor einem neuen Konzil in der Kirchenstruktur rezipiert werden.
Zudem sei zu beachten, dass ein Konzil "bloß eine Verlängerung des Papstamtes" sei, da der Papst Einberufung, Themen und Gültigkeit der Beschlüsse kontrolliere, so Seewald weiter. Auch historisch seien Konzilien nie herrschaftsfreie Debatten gewesen, dennoch blieben sie ein wichtiges Korrektiv gegenüber dem päpstlichen Alleinanspruch, der sich in den vergangenen Jahrhunderten entwickelt habe.
Seewald sieht das aktuelle, auf Autorität setzende Leitungsmodell der Kirche am Ende. Anstelle juristischer Macht müsse sie "epistemische Autorität" gewinnen, die auch die eigene Fehlbarkeit anerkennt. "Wir haben unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. eine immer stärkere Zurüstung des lehramtlichen Autoritätsanspruchs erlebt", so Seewald. "Das ist eine zutiefst verstörende und auch zerstörerische Form der Ausübung lehramtlicher Autorität." Synodalität sieht Seewald als Versuch, aus dieser Sackgasse zu kommen. Ob es gelinge, hörende Gegenwartswahrnehmung mit theologischer Tiefe zu verbinden, sei offen. Seewald hofft, "dass sich das in Zukunft ändert".
Seewald: Wäre Jesus im Bett gestorben, wäre seine Wirkung verpufft
Weiter sprach sich der Dogmatiker gegen romantisierende Jesus-Bilder aus. Die historische Wirkung Jesu sei untrennbar mit seiner gewaltsamen Hinrichtung verbunden, betonte Seewald: "Wenn Jesus im Bett gestorben wäre, würden wir heute seinen Namen nicht mehr kennen und kein Wort mehr über ihn verlieren." Gerade das Scheitern Jesu mache einen wesentlichen Teil seiner Faszination aus, so Seewald weiter. "Die Faszination Jesu besteht ja auch darin, dass er eine gescheiterte Person ist und nicht auf der Seite derer steht, die alt und lebenssatt im Bett sterben." Gleichzeitig warnte der Dogmatiker davor, die christliche Erlösungslehre zu stark auf das Kreuz zu konzentrieren. Die Vorstellung, dass der Tod Jesu als notwendiges Opfer oder als eine Art Lösegeld zu verstehen sei, hält er für theologisch problematisch – davon "wahrt man besser einen intellektuellen Sicherheitsabstand".
Seewald wurde 1987 in Saarbrücken geboren. Er studierte Katholische Theologie, Politikwissenschaft und Philosophie in Tübingen, Pune (Indien) und Frankfurt am Main. 2011 wurde er an der Ludwig-Maximilians-Universität in München promoviert, vier Jahre später folgte ebenfalls in München die Habilitation. 2016 vertrat Seewald den Lehrstuhl für Dogmatik und Theologische Propädeutik in Bonn, seit 2017 ist er Lehrstuhlinhaber und Direktor des Seminars für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Münster. (tmg/KNA)
