23. Dezember wird in Skandinavien besonders gefeiert

Thorlaksmesse: Ein Heiliger und sein vorweihnachtliches Brauchtum

Veröffentlicht am 23.12.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Reykjavík ‐ Schon am Tag vor Heiligabend geht es in Island besinnlich zu – denn dann kommen die Familien zur Thorlaksmesse zusammen. Das klingt nicht nur katholisch, sondern geht tatsächlich auf einen Heiligen zurück. Das Brauchtum rund um diesen Tag ist besonders.

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Für viele Menschen ist die Vorweihnachtszeit die stressigste Zeit im Jahr: Geschenke müssen rechtzeitig besorgt, Festtagsessen vorbereitet und Haus oder Wohnung für anstehende Besuche geputzt und geschmückt werden. Am Tag vor dem Heiligabend geht es in Island dagegen etwas gemütlicher zu. Denn dann feiern die Menschen dort – und in anderen Teilen Skandinaviens – die Thorlaksmesse. Dieser Festtag bezieht sich nicht direkt auf eine Eucharistiefeier, hat aber dennoch mit einem heiligen Bischof zu tun.

Thorlak Thorhallson (Þorlákur Þórhallsson) war von 1178 bis 1193 Bischof von Skálholt, einem mittlerweile nicht mehr bestehenden Bistum im Süden Islands. Früh wurde sein Talent entdeckt und schon mit 15 Jahren soll Thorlak zum Diakon und mit 18 Jahren zum Priester geweiht worden sein. Bereits zu Lebzeiten wurde der Kirchenmann von den Gläubigen verehrt – und nach seinem Tod am 23. Dezember 1193 nahm die Verehrung noch zu. Am 20. Juli 1198 – also keine fünf Jahre nach dem Tod – ließ sein Nachfolger die Gebeine zur Ehre der Altäre erheben. Die Gebeine wurden von einem Grab in einen Schrein in der Kathedrale von Skálholt überführt. Auch die Nationalversammlung Islands ernannte ihn zum Heiligen. Diese Kanonisierung wurde aber jahrhundertelang nicht vom Vatikan anerkannt. Erst 1984 bestätigte Papst Johannes Paul II. Thorlak offiziell als Heiligen der katholischen Kirche – und machte ihn zum Schutzheiligen Islands. Bis heute ist er der einzige formell kanonisierte Heilige der Insel.

Ein Bild der Christ-König-Kathedrale im isländischen Reykjavik
Bild: ©Ivan Sonic

Die Christ-König-Kathedrale im isländischen Reykjavik ist der Sitz des katholischen Bischofs der Insel. Hier befindet sich laut Rolland die einzige Statue des heiligen Thorlaks.

Während kirchlicherseits heute vor allem der 20. Juli (der Tag seiner Translatio) liturgisch als Hochfest begangen wird, hat sich in der isländischen Bevölkerung rund um den Todestag Thorlaks am 23. Dezember ein Brauchtum entwickelt: Die Menschen in Island und anderen skandinavischen Ländern nutzen den Tag, um ihr Haus oder ihre Wohnung zu reinigen und sich so auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Auch das Schmücken des Weihnachtsbaumes, das Backen der Weihnachtsplätzchen und andere letzte Vorbereitungen für den Heiligabend stehen an diesem Tag bei vielen Isländerinnen und Isländern an.

"Es ist tatsächlich eine Art Vorfest von Weihnachten", erklärt Jakob Rolland. Der aus dem Elsass stammende Priester ist Kanzler der Diözese Reykjavík. Bereits im Mittelalter sei der 23. Dezember vom adventlichen Fasten ausgenommen worden. Obwohl die Reformation die Heiligenverehrung in Island zurückgedrängt habe, habe sich dieser Feiertag gehalten, so Rolland. Eine Verbindung des Heiligen mit dem Weihnachtsfest gibt es aber nicht.

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In vielen Ländern werden Festtage oft mit speziellen Gerichten verbunden. Bei der Thorlaksmesse ist das ähnlich: Isländerinnen und Isländer essen dann traditionell "kæst skata". Der im deutschsprachigen Raum geläufige Name "Gammelrochen" weist schon auf das besonders starke Aroma der Fischspeise hin. Denn dieser vor Island vorkommende Rochen sammelt den Harnstoff nicht in einer Harnblase, sondern in seinem Blut an. Daher ist das Fischfleisch erst nach mindestens vier Wochen Fermentierung zum Verzehr geeignet, da die Giftstoffe in dieser Zeit entweichen können. Der Geruch des Fisches ist aber dementsprechend.

"Viele Ausländer essen das einmal – und dann nie wieder", sagt Rolland mit einem Lachen. Er selbst habe schon mehrfach von dem Rochen gegessen und schätze den Geschmack mittlerweile. Seine Gesundheit lasse das nun allerdings nicht mehr zu, weil der Verzehr anstrengend für den Verdauungstrakt sei. "Ich kann es nicht unbedingt empfehlen", sagt Rolland.

Kanzler Séra Jakob Rolland vor dem Dom in Reykjavík
Bild: ©Bonifatiuswerk/Theresa Meier (Archivbild)

Hat selbst eine enge Beziehung zum heiligen Thorlak: Monsignore Jakob Rolland, Kanzler der Diözese Reykjavík.

Der Priester hat selbst eine enge Beziehung zu Thorlak. Eine Figur des Heiligen ließ Rolland eigens in einer Werkstatt in Rom anfertigen. "Ich habe dem Künstler Beschreibungen aus den alten Handschriften gegeben, in denen sein Äußeres und Besonderheiten beschrieben wurden", sagt Rolland. So sei Thorlak etwa – wie Papst Leo XIV. – Augustiner gewesen und habe den zu dieser Zeit üblichen weißen Habit getragen. Außerdem überreichte der französische Priester dem Künstler Darstellungen von Bischöfen aus dem 12. Jahrhundert aus seiner Heimat im französischen Elsass. "Aus den Beschreibungen hat er eine wunderschöne Statue des Heiligen Thorlak gemacht", erzählt Rolland. Einziges Manko: Das Gesicht erinnere eher an einen Menschen aus dem Süden als einen blonden Isländer, so der Kanzler der Diözese. "Aber das macht nichts." Heute steht die Statue in der Kathedrale in Reykjavik – und Gläubige nutzen das Abbild, um davor zu beten und den Heiligen Thorlak um Fürsprache zu bitten. Und auch Rolland setzt bis heute auf Wunder durch den Heiligen.

Auch wenn die katholische Kirche in Island bis heute eine verschwindend geringe Minderheit ausmacht – laut Statistik sind weniger als vier Prozent der rund 397.000 Einwohnerinnen und Einwohner der Insel katholisch – feiert laut Rolland das ganze Land das Fest am 23. Dezember. Der Priester kann zudem einen Trend erkennen: "Das christliche Bewusstsein für dieses Fest wächst." Ebenso das Interesse an der katholischen Kirche allgemein. In seinen Glaubenskursen sitzen laut Rolland derzeit 20 junge Erwachsene, die katholisch werden wollen. Den katholischen Glauben bezeichneten sie als das Erbe ihrer Vorfahren, berichtet der Priester. "Der heilige Thorlak war ein paar Jahrhunderte lang arbeitslos, aber er ist sicher froh, dass er heute endlich wieder angerufen wird."

Von Christoph Brüwer