Standpunkt

Neue geistliche Gemeinschaften – "Prüft alles und behaltet das Gute"

Veröffentlicht am 22.12.2025 um 00:01 Uhr – Von Ricarda Menne – Lesedauer: 

Bonn ‐ Neue geistliche Gemeinschaften und Bewegungen polarisieren. Ricarda Menne fordert deswegen, sie genau zu prüfen. Das sei eine Aufgabe für die Gemeinschaften selbst, ihre Mitglieder, die Bischöfe und zuletzt alle Gemeinden.

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Neue geistliche Gemeinschaften und Bewegungen polarisieren, wie die jüngst ausgestrahlte ARD-Dokumentation "Die hippen Missionare – mit Jesus gegen die Freiheit?" zeigt. Eine Orientierung am Pauluswort "Prüft alles und behaltet das Gute" (1 Thess 5,21) und an der ignatianischen Unterscheidung der Geister tut Not: Geistlich ist nicht schon das, was intensiv wirkt, sondern was auf Dauer zu einem Mehr an Freiheit und Trost führt und sich im Alltag bewährt.

Neue geistliche Gemeinschaften und Bewegungen müssen sich fragen, welche transparenten Standards sie befolgen und auch von außen überprüfen lassen, um Gefahren wie eine seichte Emotionalisierung des Glaubens, spirituellen Missbrauch, einfache Weltbilder oder das Gefühl der Exklusivität frühzeitig zu bemerken und konsequent gegenzusteuern. Sie müssen sich fragen, in welchem Verhältnis Gebet und Lobpreis zu sozial-caritativem Engagement stehen und ob bzw. wie ihre Spiritualität in die Gesellschaft hineinwirkt.

Die von diesen Gemeinschaften angesprochenen Menschen müssen sich fragen, inwiefern die Ästhetisierung des Glaubens auch durch die Durststrecken des Alltags trägt. Sie müssen sensibel dafür bleiben – oder werden –, dass Glaube nicht primär subjektives Empfinden und Wohlfühl-Lifestyle im Instagram-Format ist, sondern – im besten Falle – ein lebenslanger Weg der Nachfolge, der auch Zweifel, Brüche und Ambivalenzen in Welt und Kirche aushalten muss.

Bischöfe müssen sich fragen, welche verschiedenen Beweggründe und Regungen im Spiel sind, wenn sie diese Gemeinschaften und Bewegungen in ihre Diözesen einladen. Sie müssen sich angesichts der angesprochenen Gefahren ihrer Leitungsverantwortung bewusst sein und bedenken, dass missionarischer Eifer und ein fröhlich gefeierter Glaube nicht die Notwendigkeit menschlich-geistlicher Reife, theologischer Tiefe und einer Spiritualität, die sich im Dienst am Menschen bewährt, ersetzen können.

Gemeinden müssen sich fragen, wie es ihnen besser gelingen kann, den Transformationsprozess von einem (aussterbenden) „Sozialisations-Christentum“ hin zu einem persönlichen „Entscheidungs-Christentum“ intellektuell und spirituell zu begleiten.

Begeisterung und Kritik, Sendung und Freiheit, Intellekt und Emotion, zum Lob Gottes erhobene und von der Arbeit dreckig gewordene Hände – sie müssen im Gleichgewicht bleiben.

Von Ricarda Menne

Die Autorin

Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.