System von Korruption und Geldwäsche
Der Autor mehrerer "Enthüllungsbücher" über die Vatikanfinanzen erklärte, das alte System von Korruption, Vetternwirtschaft, Privilegien und Geldwäsche aus den 1970er Jahren sei nach wie vor lebendig. Es habe sich gewandelt und getarnt und sei auch durch die Aufräumarbeiten des jetzigen Papstes spürbar geschwächt. Beseitigt sei es aber noch nicht. Zum Beleg führte Nuzzi die Beobachtung an, dass es bei der Vatikanbank IOR trotz zahlreicher Kontenschließungen noch immer Konten für Menschen gebe, die dazu eigentlich nicht berechtigt seien. Auch bei der Vermietung vatikanischer Immobilien gebe es noch erhebliche Missstände. Viel Wohnraum werde weit unter Marktpreis an Privilegierte und an "Freunde von Freunden" vermietet. Insgesamt könnte dieser Sektor das Vierfache der derzeitigen Einnahmen erzielen. Nuzzi betonte, der wesentliche Fortschritt der neuen Ära liege darin, dass die vatikanische Finanzaufsicht AIF jetzt auch mit der italienischen Justiz kooperiere.
Parolin: Skandal kann positive Folgen haben
Am selben Tag äußerte sich Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin gegenüber Radio Vatikan zum neuen Vatikan-Skandal. Er warnte davor, die Hintergründe der jüngsten Enthüllungen über Misswirtschaft und Geldverschwendung im Vatikan überzubewerten. Es gebe an der Kurie zweifellos Widerstände gegen die Reformen von Papst Franziskus, die das normale Maß überstiegen. Sie als "krankhaft" zu bewerten, sei jedoch übertrieben. Derzeit beobachte er diesbezüglich eine gewisse Hysterie in der Berichterstattung. Die Weitergabe geheimer vatikanischer Dokumente bezeichnete der Kardinalstaatssekretär als Angriff auf die Kirche, der aber auch positive Folgen haben könne, wenn er konstruktiv angegangen werde und zu einem Geist der Umkehr führe. Im Grunde hätten alle an der Kurie den Wunsch nach Veränderungen zum Besseren. Diese seien jedoch angesichts einer Trägheit im Alltag oft schwer umzusetzen, so die Nummer zwei des Vatikan.
In der vergangenen Woche war neben Nuzzis Buch ein weiteres Skandalbuch erschienen, das ebenfalls auf vertraulichen Dokumenten einer vatikanischen Wirtschaftskommission beruht. Der Vatikan hat erste Konsequenzen aus dem Fall gezogen und zwei Personen festnehmen lassen. Die italienische PR-Frau Francesca Chaouqui befindet sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß, gilt aber weiterhin als verdächtig. Papst Franziskus hatte bei seinem Angelus-Gebet am Sonntag öffentlich bekräftigt, er werde die Reformen an der Kirchenspitze weiterführen. (jml/KNA)