Franziskus unter Freunden
Der Kirchenvorstand erklärte einem erstaunten Franziskus kurz Sinn und Zweck des Flechtwerks. Es war auch ein Symbol der Ökumene, deretwegen der Papst in die Christuskirche im Stadtzentrum gekommen war. Lange vor Beginn der ökumenischen Bewegung flammten Adventskränze, ursprünglich eine protestantische Erfindung, auch in katholischen Häusern.
Papstbesuche bei Roms Lutheranern haben inzwischen Tradition. Johannes Paul II. kam 1983 in die deutschsprachige Gemeinde, Benedikt XVI. vor fünf Jahren. Für Franziskus war es die erste Visite bei den geistigen Erben Martin Luthers, dessen Wittenberger Thesenanschlag vor 500 Jahren die evangelische Kirche in Deutschland 2017 mit einem großen Reformationsjubiläum feiern wird. Auch die katholische Kirche will sich angemessen daran beteiligen, doch in Form eines Gedenkens.
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Denn bei allem geistigen Fortschritt, den Luthers Reformation dem Abendland bescherte - zunächst brachte sie Mord und Totschlag über den Kontinent. In seiner frei gehaltenen Rede sprach Franziskus über die grausame Epoche der Religionskriege in Europa und rief Katholiken und Protestanten zur gegenseitigen Vergebung auf. "Es gab schreckliche Zeiten zwischen uns, die wir die gleiche Taufe haben. Lebendig haben wir uns gegenseitig verbrannt", beschrieb er den Horror. Die Konfessionen sollten Gott für den Skandal der Kirchenspaltung um Verzeihung bitten.
Überraschend weitreichenden Gewissensspielraum
Dass der Weg zu ihrer Überwindung trotz vieler ökumenischer Bemühungen aus katholischer Sicht aber noch weit ist, hat Franziskus schon mehrfach betont. In der vollbesetzten Christuskirche, wo ihn, begrüßt durch Pfarrer Jens-Martin Kruse, ein warmer Empfang mit minutenlangem Applaus erwartete, tat er es nicht ganz so deutlich. Die gemeinsame Abendmahlsfeier konfessionsverschiedener Eheleute könne er zwar nicht erlauben, "denn das ist nicht meine Kompetenz". Er deutete jedoch einen überraschend weitreichenden Gewissensspielraum an.
Es gebe nur ja einen Gott, eine Taufe, einen Glauben, sagte der Papst. Den Betreffenden riet er, im Gebet zu klären, wie das Abendmahl für sie persönlich eine Stärkung auf dem gemeinsamen Glaubensweg sein könne. "Sprecht mit dem Herrn und geht weiter. Ich wage und vermag nicht mehr zu sagen", so Franziskus. Das Leben sei größer als die Theologie.
Für ihn wächst die Ökumene denn auch weniger durch Lehrdebatten, sondern durch die Tat. Katholiken und Protestanten sollten vor allem im gemeinsamen Dienst für die Armen, Flüchtlinge und andere Notleidende zusammenwachsen, und durch die Begegnung miteinander. Er selbst forciert sie energisch. Als erster Papst besuchte er im Juni ein Gotteshaus der protestantischen Waldenser, bezeichnete sie wie selbstverständlich als "Kirche" und bat um Vergebung für die einst unbarmherzige Verfolgung aus Rom. Selbst zu Pfingstkirchlern ging er, die zumindest unter Klerikern in der Alten Welt oft nur als dubiose Sekte gelten.
Ökumenischen Hindernisse können nicht einfach umschifft werden
Insgesamt hat Franziskus viel frische Luft in die Ökumene-Bewegung gefächert. Von Benedikts XVI. Linie waren viele Protestanten enttäuscht. Trotzdem wird kein Papst die ökumenischen Hindernisse im Blick auf das eigene Amtsverständnis und den Kirchenbegriff umschiffen können, solange er die theologische Lehre nicht verändert oder weiter fasst.
Auf die harte Detailarbeit ging Franziskus in der Christuskirche aber wohl bewusst nicht ein. Im Mittelpunkt stand Begegnungskultur. Die feierte ein Fest, als ein Neunjähriger den Papst am Mikrofon vor einer amüsierten Gemeinde fragte, was er denn als Papst am liebsten tue. Die erste Antwort gab ihm der Heilige Vater, als er den kleinen Protestanten danach erst einmal innig umarmte und küsste. Um dann fortzufahren: "Papstsein wie ein Pfarrer."