Wahlkampf unter Laien
"Laie" - das klingt wie ein Schimpfwort, ist in der Kirche aber ein Ehrentitel, denn gemeint ist: der getaufte Christ, der dem Volk (griechisch: laos) Gottes angehört, ohne ein Geistlicher zu sein. In keinem anderen Land der Welt haben die katholischen Laien ein so weit verzweigtes System von Mitsprachemöglichkeiten in Verbänden, Gremien und Diözesanräten aufgebaut wie in Deutschland. Und selten zuvor konnten sie ihren Einfluss so stark geltend machen wie in den vergangenen Jahren.
"Es ist unstrittig, dass das ZdK für die Entwicklung der Kirche seit dem Missbrauchskandal eine ganz wesentliche Bedeutung hatte", sagt der scheidende Präsident Alois Glück. "Auch bisher skeptische Bischöfe erkennen das jetzt an." Kurz nachdem Glück vor sechs Jahren ins Amt kam, wurde der vielfache Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester und Ordensleute bekannt. Die Kirche stürzte in die größte Krise ihrer Nachkriegsgeschichte.
Mit Glück geht ein Vermittler und Lobbyist
Dass sie diesen Skandal aufgearbeitet hat, dass ein angstfreies innerkirchliches Klima entstehen konnte - das kann Glück zum Teil auch sich und seiner Integrationskraft zuschreiben. Dem ehemaligen CSU-Politiker ist es gelungen, zwischen konservativen Oberhirten und ungeduldigen Reformkatholiken an der Basis zu vermitteln. Mit seiner langjährigen politischen Erfahrung und seinen Kontakten nach Berlin konnte er auch gesellschaftspolitisch punkten. Der Beschluss des Bundestags, die medizinische und pflegerische Versorgung sterbender Menschen zu verbessern und geschäftsmäßige Sterbehilfe zu verbieten, geht auch auf erfolgreiche kirchliche Lobbyarbeit zurück.
Damit diese Stimme der Laien auch künftig Gehör findet, soll wieder ein Politiker an die Spitze: entweder der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Thomas Sternberg oder die Bundestagsabgeordnete Maria Flachsbarth (beide CDU). Für Sternberg (63) spricht: Er ist ein ZdK-Urgestein, der auch als Direktor der katholischen Akademie des Bistums Münster über vielfältige Kontakte verfügt. Seine Kompetenz für das Amt ist über jeden Zweifel erhaben.
Frauenbund-Chefin gilt als Favoritin
Dennoch gilt Flachsbarth (52) als Favoritin. Denn sie ist jünger und als Frau ein Beweis dafür, dass Führungsfunktionen in der katholischen Kirche nicht von Männern besetzt werden müssen. Dem ZdK gehört sie erst seit 2011 an. Aber als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesagrarministerium und als Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) bringt sie wichtige Voraussetzungen für das Spitzenamt mit.
Egal, wer gewählt wird: Die Kirche wird in den nächsten Jahren weiter an Mitgliedern, Einfluss und Macht verlieren. Immer weniger Christen sind bereit, "in die Spannungsfelder des öffentlichen Lebens zu gehen und sich dort zu engagieren", wie Glück sagt. "Das ist eine meiner größten Sorgen für die Zukunft."