Der Gewissensmensch
Hus geht ins Exil, diese Zeit verbringt er in verschiedenen böhmischen Regionen als Wanderprediger. Was aber hat Jan Hus getan?
Geboren um 1369 im südlichen Böhmen, erlebt er eine durch das Abendländische Schisma zerrissene Kirche. Er studiert in Prag unter anderem Theologie, wird 1400 zum Priester geweiht und ist später Rektor der Prager Universität. Bekannt wird Hus durch seine Predigten in tschechischer Sprache – die Zahl seiner Anhänger nimmt rasch zu. Beeinflusst wird er vor allem durch die Lehren des Oxforder Theologen John Wyclif. Ihr Kerninhalt: Die Kirche soll ihrem Besitz und weltlicher Macht den Rücken kehren. Zu dieser Zeit treibt der Ablasshandel wilde Blüten.
Hus prangert Missstände in der Kirche an
Hus setzt sich für kirchliche Reformen ein: Die Bibel müsse wieder zum Maßstab werden. Priester sollten für alle verständlich predigen, also in der jeweiligen Landessprache. Alle Gläubigen sollten das Abendmahl in beiderlei Gestalt – Brot und Wein – empfangen. Hus fordert von seinen Zuhörern eine tugendhafte Lebensweise, verurteilt den Zeitgeist und wirft den Klerikern Habsucht und Lasterleben vor. Zwar versteht sich der Theologe als treuer Priester seiner Kirche, doch er bringt Klerus und Kurie gegen sich auf. Nachdem Hus Prag im Jahr 1412 verlassen muss, schart er als Wanderprediger in den Dörfern Böhmens eine wachsende Zahl von Anhängern um sich, spricht vor allem die einfachen Menschen an.
„In solch großer Beleidigung und Kränkung des Herrn Christus und seiner Regel ist die Sonne, die hohe Geistlichkeit, verwandelt in Finsternis und der Mond, die niedere Geistlichkeit, in Blut“
Er sei sensibel gewesen für die Missstände in der Kirche, sagt Pfarrer Holger Müller, Konzilsbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden: "Hus wollte eine Kirche der Armut, eine Kirche des Wortes, mit der er versuchte, den Glauben wieder glaubhaft zu machen." Dabei nahm der böhmische Theologe kein Blatt vor den Mund: "Kein Papst ist in dieser katholischen Kirche Person von allerhöchster Würde außer Christus."
Seine öffentlichen Äußerungen gipfeln in der Haltung, die Freiheit des Gewissens stehe über der vom Papst vertretenen kirchlichen Lehre. "Wenn er den Ämterschacher in der böhmischen Kirche sich ansah", sagt Pfarrer Müller, "den angehäuften Reichtum, und dem gegenüber die Armut, die versäumte Seelsorge an der Bevölkerung, dann kann man nachvollziehen, warum Jan Hus zu dieser scharfen Kritik gekommen ist."
Hus wird verbrannt
Und die will er auch beim Konzil von Konstanz vortragen. Dort bekommt Jan Hus aber zunächst keinen Zugang zur Synode. Mehr noch, Ende November geben die Kardinäle den Auftrag, Hus zu verhaften. Offenbar hat er seine Situation völlig verkehrt eingeschätzt: Er will sich als freier Mann verteidigen, steht aber nun vor dem Inquisitionsgericht.
Die nächsten Monate verbringt er im Kerker. Dreimal wird er öffentlich verhört, er soll seine Lehre widerrufen. Doch er weigert sich und gibt in einem Brief bekannt, "dass ich von der göttlichen Wahrheit nimmer lasse und die ,Irrlehren‘, deren mich hier falsche Zeugen bezichtigen, niemals abschwöre". Als Jan Hus die kirchliche Ordnung weiterhin in Frage stellt, sieht die Konzilsversammlung nur eine Möglichkeit: Am 6. Juli 1415 verurteilt sie ihn als Ketzer zum Tode: "Daher gibt diese heilige Synode bekannt, dass Johannes Hus Häretiker gewesen ist, kein wahrhafter Prediger des Evangeliums Christi, sondern vielmehr ein Verführer." Noch am gleichen Tag wird Hus, gefolgt von einer großen Menschenmenge, aus der Stadt geführt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Probleme wurden nicht gelöst
Die Versammlung habe versucht, ihm goldene Brücken zu bauen, wenn er seine Lehre widerrufe, sagt der Konzilsbeauftragte Müller: "Aber für Hus standen seine Gewissensfreiheit und sein Glaube so sehr auf dem Prüfstand, dass er sich nicht mehr darauf einlassen konnte und wollte." Bis heute gilt Hus manchen als ein Wegbereiter der Gewissensfreiheit, viele Protestanten sehen ihn als Vorläufer der Reformation um Martin Luther rund 100 Jahre später.
„Heute bratet Ihr eine Gans, aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen“
In Böhmen bilden sich nach Hus‘ Verbrennung verschiedene Freiheitsbewegungen gegen die Kirche sowie gegen die weltliche Macht – die Hussiten. Sie führen in den folgenden Jahrzehnten mehrere Schlachten, die als Hussitenkriege in die Geschichte eingehen.
Das in Konstanz gefällte Todesurteil verfehlte als letztlich sein Ziel, den von Hus ausgelösten Aufruhr zu stoppen, sagt Pfarrer Holger Müller: "Die eigentlichen Probleme, die Auslöser dieses Konfliktes waren, wurden in keiner Weise gelöst, sondern noch drastisch verschärft."
Von Burkhard Schäfers