Ungeliebter Feiertag
Andere wollen ihn für ihre Propaganda nutzen: So sah sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in der ersten Novemberwoche aufgefordert, vor einer Umwertung des bundesweiten Gedenktages durch Rechtsextremisten zu warnen. Die Aufrufe rechtsextremistischer Kreise zum sogenannten "Heldengedenken" seien eine Verhöhnung der gefallenen Soldaten und aller Verfolgten des Naziregimes, erklärte Volksbund-Präsident Reinhard Führer. "Allein die Wortwahl ist schon eine Provokation. Sie knüpft ganz bewusst an den Sprachgebrauch und die Ideologie der Nationalsozialisten an."
Führer verwies darauf, dass der Totenkult der Nazis die Opferbereitschaft der gefallenen Soldaten verherrlicht und ihr Sterben zum Heldentod verklärt habe. Das Heldengedenken habe somit auch der ideologischen Vorbereitung des nächsten Krieges gedient. Der Volkstrauertag sei demgegenüber ein Tag der Trauer, der Erinnerung und des Gedenkens an ungezählte menschliche Tragödien. Darüber hinaus mahne er zum friedlichen Miteinander und zur aufrichtigen Auseinandersetzung mit der Geschichte.
Seit 90 Jahren Gedenken an die Kriegstoten
Die zentrale Gedenkstunde des Volksbundes findet am Sonntag im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes in Berlin statt. Die Gedenkrede hält die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin und jetzige Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Bundespräsident Joachim Gauck spricht das Totengedenken. Erstmals vor 90 Jahren hatte im Deutschen Reichstag eine Feierstunde zum Gedenken an die Kriegstoten des Ersten Weltkriegs stattgefunden. Der damalige Reichstagspräsident Paul Löbe hielt eine vielbeachtete Rede, in der er einer feindseligen Umwelt den Gedanken an Versöhnung und Verständigung gegenüberstellte.
Schon im Jahr 1919 hatte der Volksbund den Gedenktag eingeführt. Zunächst wurde er jeweils am fünften Sonntag vor Ostern begangen. 1934 benannten die nationalsozialistischen Machthaber ihn in "Heldengedenktag" um. Nach Gründung der Bundesrepublik übernahm erneut der Volksbund die Federführung über den Gedenktag. 1950 fand erstmals eine Gedenkstunde im Bundestag statt. Um sich von der Tradition des "Heldengedenktags" abzusetzen, wurde der Volkstrauertag auf den November verlegt.
Nach dem Fall der Mauer beschloss die Bundesregierung, die Neue Wache in Berlin-Mitte - ein Bauwerk von Karl Friedrich Schinkel aus dem 19. Jahrhundert - zur "Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland" zu erklären. Seit 1993 legen dort der Bundespräsident und die Repräsentanten der anderen Verfassungsorgane Kränze nieder.
Der Volksbund betreut 2,5 Millionen Gräber
Der Volksbund betreut heute im Auftrag der Bundesregierung die Gräber von etwa 2,5 Millionen Kriegstoten auf 825 Kriegsgräberstätten in 45 Staaten. In diesem Jahr weist er - auch mit einer Ausstellung im Bundestag - auf das 20-jährige Bestehen des deutsch-russischen Kriegsgräberabkommens hin.
Nach der Wende in Osteuropa hatte der Volksbund seine Arbeit auch in den Staaten des einstigen Ostblocks aufgenommen, wo im Zweiten Weltkrieg etwa drei Millionen deutsche Soldaten ums Leben kamen, also mehr als doppelt so viele wie auf den Kriegsgräberstätten im Westen. Dabei ergaben sich große Schwierigkeiten: Viele der über hunderttausend Grablagen seien nur schwer auffindbar, zerstört, überbaut oder geplündert. Trotzdem richtete der Volksbund seitdem über 300 Friedhöfe des Zweiten Weltkrieges und 190 Anlagen aus dem Ersten Weltkrieg wieder her oder legte sie neu an. Dazu zählen 55 zentrale Sammelfriedhöfe. Etwa 716.000 Kriegstote wurden umgebettet.
"Auch fast siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges werden noch immer Zehntausende Gefallene jährlich geborgen", unterstreicht der Volksbund. "Viele Familien erhalten erst dann Gewissheit über den Verbleib ihrer Angehörigen."
Von Christoph Arens