Lieder, die um die Welt gehen

Holder Knabe im lockigen Haar

Veröffentlicht am 25.12.2015 um 14:44 Uhr – Von Margret Nußbaum – Lesedauer: 
Mehrere Jungen schauen in ihre Musiknoten und singen im kirchlichen Jugendchor.
Bild: © KNA
Weihnachtslieder

Bonn ‐ Unter vielen Tannenbäumen wird gesungen, und fast keine Christmette kommt ohne "Stille Nacht" aus: Weihnachtslieder haben sich im Laufe der Zeit zu richtigen Dauerbrennern entwickelt – und einige haben eine interessante Geschichte.

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"Stille Nacht, heilige Nacht": Das Lied ist nicht nur der krönende Abschluss einer jeden Christmette. Seit vielen Generationen singen es Familien am Heiligen Abend. Auf Weihnachtsmärkten und in Kaufhäusern schallt es als Dauerberieselung aus Lautsprechern. Das am meisten gesungene und in viele Sprachen übersetzte Lied stammt aus der Feder des Priesters Joseph Mohr. Komponiert hat es der mit ihm befreundete Organist Franz Xaver Gruber.

Professor Guido Fuchs, Leiter des Instituts für Liturgie und Alltagskultur in Hildesheim, zweifelt an der bisherigen Behauptung, das Lied sei im Jahr 1818 am Heiligen Abend aus einer Not heraus entstanden, weil die Orgel in der Pfarrkirche in Oberndorf an der Salzach ausgefallen war. Wahrscheinlich sei es zwei Jahre früher in Maria Pfarr bei Salzburg entstanden, erklärt er. Seine Vermutung stützen er und andere Liturgiewissenschaftler auf die Tatsache, dass es in der dortigen Pfarrkiche ein Gnadenbild mit einem Jesuskind in voller Lockenpracht gibt. Vermutlich sei Mohr, der dort im Jahr 1816 als Priester tätig war, durch das Bild inspiriert worden. Deshalb der "Holde Knabe im lockigen Haar". Jüngste Forschungen deuten sogar auf eine noch frühere Entstehung hin.

Ein Notenblatt mit den Noten zum Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht".
Bild: ©LiliGraphie/Fotolia.com

Ein Notenblatt mit den Noten zum Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht".

Das älteste Lied stammt aus Aachen

Das Lied verbreitete sich schon bald nach seiner Erscheinung. Anfang der 1830er Jahre wurde es von den Tiroler Geschwistern Strasser in Leipzig zur Zeit der Neujahrs-Messe aufgeführt. Johann Hinrich Wichern, der Begründer des "Rauen Hauses" in Hamburg und Erfinder des Adventskranzes, nahm es im Jahr 1844 in sein Liederbuch auf. Den Text veränderte er leicht. Und so wurde "Stille Nacht, Heilige Nacht" auch bei evangelischen Christen beliebt. Mittlerweile ist es weltweit bekannt und das meist übersetzte, gesungene, gespielte und gehörte Weihnachtslied – allerdings nicht das älteste.

"Sei uns willkommen Herre Christ" stammt aus den Anfängen des 12. Jahrhunderts. Erwähnt wurde es bereits um das Jahr 1100 in Aachen. Alten Chroniken zufolge wurde das Lied von ehrbaren Herren, den Schöffen, in der Christmette im Aachener Münster gesungen. "In dulci jubilo" (Nun singet und seid froh) stammt aus dem 14. Jahrhundert und "Quem pastores laudavere (Den die Hirten lobeten sehre) aus dem 15. Jahrhundert. In der evangelischen Kirche entstand daraus das so genannte "Quempas-Singen" – ein weihnachtlicher Rundgesang. Die verschiedenen Richtungen, aus denen gesungen wird, stehen für die vier Himmelsrichtungen der Erde. Bildlich dargestellt: Der ganze Erdkreis besingt die Ankunft des Gottessohnes.

Protest gegen kirchliche Irrwege

"Zu Betlehem geboren" stammt von Friedrich Spee, ebenfalls das Adventslied "O Heiland reiß die Himmel auf". Fast erscheint es wie ein Stoßgebet des Jesuitenpaters, der gegen die vielen kirchlichen Irrwege seiner Zeit aufbegehrte, etwa die damals verbreiteten Hexenprozesse. Spee verurteilte Aberglauben und Hexenwahn aufs Schärfste. Seine Schrift "Cautio criminalis" – Vorsicht beim Urteilen – führte 1631 fast zum Ausschluss aus seinem Orden.

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Video: © KFA

GL 104 - Zu Bethlehem geboren

Die Lehrerlaubnis war ihm schon zuvor entzogen worden. Sein Ordensprovinzial hielt zu ihm und schickte Spee nach Trier, wo er als Moraltheologe tätig werden sollte. Doch der 30-jährige Krieg forderte auch von ihm seinen Tribut. Während einer Epidemie verstarb Friedrich Spee. Seine Hinterlassenschaft kann sich sehen lassen. Sehr viele Lieder aus dem Gotteslob gehen auf ihn zurück.

Ursprünglich ein Marienlied

Zwar kann das Lied "O du fröhliche" dem berühmten "Stille Nacht" nicht den Rang ablaufen, aber es gehört ebenfalls zu den meist gesungenen Weihnachtsliedern. Johannes Daniel Falk, ein evangelischer Theologe und Begründer des "Lutherhofes" in Weimar, schrieb den Text und verwendete als Melodie das Marienlied "O sanctissima". Ein italienisches Findelkind hatte es ihm vorgesungen.

"Möglicherweise kannte Falk das Lied sizilianischer Fischer auch aus den Veröffentlichungen Johann Gottfried Herders", vermutet Guido Fuchs. Der Lutherhof in Weimar dient übrigens als Vorläufer des "Rauen Hauses" im Hamburg. Beide boten verwaisten und verwahrlosten Kindern und Jugendlichen Heimat und die Möglichkeit einer beruflichen Ausbildung.

Ein Highlight in der Christmette

"Kommt, lasset uns anbeten" – auf Lateinisch "Adeste fideles" – gilt neben "Stille Nacht" als das am häufigsten und in den meisten Sprachen gesungene Lied. Es ist aus keiner Christmette wegzudenken und hat hier auch seinen Ursprung. Das Wort Mette leitet sich nämlich vom lateinischen "Matutin" ab. So heißt der frühmorgendliche Gebetsgottesdienst der Klöster. Die Matutin verband sich mit der nächtlichen Messe.

Eröffnet wird die Matutin mit einer Gebetseinladung: Venite adoremus (Kommt, lasset uns anbeten): der Kehrvers des berühmten Weihnachtsliedes. "Eine aus England mitgebrachte Fassung diente um 1820 dem evangelischen Theologen Friedrich Heinrich Ranke als Grundlage des Liedes 'Herbei, o ihr Gläubigen'", sagt Guido Fuchs.

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Video: © Benjamin Krysmann

gesungen von der Mädchenkantorei am Paderborner Dom im Hohen Dom zu Paderborn.

Verehrung des Jesuskindes

"Ihr Kinderlein kommet": Der Text dieses ebenfalls sehr beliebten Weihnachtsliedes soll im Jahr 1795 in der Kapelle Maria Schnee in Nassenbeuren bei Mindelheim entstanden sein. Hier hatte der Verfasser Christoph von Schmid, langjähriger Augsburger Domkapitular und erfolgreicher Autor religiöser Kinder- und Jugendschriften, seine erste Kaplanstelle. "Schmid wollte mit dem Lied deutlich machen, dass die Krippe nicht nur eine figürliche Darstellung ist, sondern ein Objekt der Frömmigkeit, ähnlich den heiligen Bildern und Figuren der Kirche", erklärt Guido Fuchs.

Die Jesuiten sorgten bereits im 16. Jahrhundert dafür, dass in Kirchen Krippen aufgestellt und später auch in die Liturgie der Heiligen Nacht mit einbezogen wurden. Guido Fuchs beschreibt den Ritus der Krippenlegung: "Der Priester zog mit einer Figur des Jesuskindes von hinten in die Kirche ein. An drei Stationen – Portal, Kirchenmitte und Stufen des Chorraums – sang er jeweils 'Ehre sei Gott in der Höhe', und die Gemeinde antwortete 'Und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind'. Bei der dritten Station legte der Priester das Jesuskind in die Krippe." Nach Verkündigung des Evangeliums und einem Gebet verehrten die Kinder das Kind in der Krippe. Dabei wurde auch "Ihr Kinderlein kommet" gesungen. Erst danach begann die eigentliche Christmette.

Linktip: Stimmt ins Lob der Engel ein!

Singen gehört zu Advent und Weihnachten wie Plätzchen, Krippe und Adventskranz. So geht es auch den Redakteuren bei katholisch.de: Ein Lieblingslied hat jeder zu Advent und Weihnachten. Wir stellen unsere Lieblingslieder vor.
Von Margret Nußbaum