Keine böse Welt, kein Kulturpessimismus
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Welche Artikel bei den Lesern ankommen, was sie bewegt und was die Kommentarzahl in den sozialen Medien hochtreibt, hat man irgendwann im Gefühl. So ein Gefühl hatte ich am Montag: Sturmtief "Ruzica" drohte, einige Karnevalsumzüge waren betroffen – so auch der Düsseldorfer. Kein Zug am Rosenmontag, aber die Jecken planten schon: Der Zug wird nachgeholt, und zwar bald. Also in der Fastenzeit.
Meine Erwartung: Kritik aus der Kirche, Sturm der Empörung, "Spielverderber" und "Spaßbremse" hier, "kein Respekt vor christlicher Tradition" und "Verlust der christlichen Kultur" da. (Und wie immer: Die Klickzahlen auf katholisch.de gehen hoch.) Aber es kam anders – der Kölner (und damit Düsseldorfer) Kardinal Woelki meldete sich zu Wort. Kirchliche Wortmeldungen kennt man in vielen Formen: allzu häufig anbiedernd oder trivial, pastoral-wohlmeinend, aber inhaltsleer. Oder in heller Empörung über die böse Welt, kulturpessimistisch und resignierend. Anders Woelki, der einen so naheliegenden wie konstruktiven Vorschlag machte: Warum nicht den Zug am 6. März nachholen?
Der 6. März ist der vierte Sonntag in der Fastenzeit – die Hälfte des Weges auf Ostern hin ist geschafft, "Laetare", "Freut euch", heißt der Sonntag im Kirchenjahr, in manchen Gegenden redet man vom "Rosensonntag". Statt violett sind die liturgischen Gewänder rosa. Ganz naheliegend, der Vorschlag des Kardinals, und doch ein gutes Beispiel, wie kirchliche Tradition ohne ihren Sinn preiszugeben fruchtbar gemacht wird. Kein starres Beharren auf den Regeln ("Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Basta."), und sogar eine gut genutzte Gelegenheit, den Glutkern des christlichen Glaubens in die Öffentlichkeit zu tragen: "jeder Sonntag ist eine Erinnerung an die Auferstehung Christi", wird der Kardinal zitiert. So einfach kann Katechese sein.
Dass die Düsseldorfer Jecken sich dann aber doch nicht katechisieren ließen und der Zug eine Woche nach Laetare stattfindet: Das muss man wohl mit Humor nehmen.