Noch mehr Einsatz für Flüchtlinge
Insgesamt fünf Leitsätze bilden den Orientierungsrahmen der katholischen Flüchtlingshilfe in Deutschland. Am Anfang steht die Klarstellung, dass sich der Einsatz für Schutzsuchende aus dem Selbstverständnis der Kirche ergibt. Erfahrungen von Flucht und Heimatlosigkeit durchzögen schon die Texte der Bibel, schreiben die Bischöfe. Gleichzeitig verschließen sie nicht die Augen davor, dass es auch unter den Gläubigen Vorurteile gebe: "Deshalb brauchen wir ein innerkirchliches Gespräch, das Ängste und Befürchtungen aufgreift und überwinden hilft."
Die kirchliche Flüchtlingshilfe soll zweitens nach dem Prinzip der Subsidiarität arbeiten. Seien es Gemeinden und Diözesen, Orden, Verbände oder Hilfswerke: Jede Ebene soll den ihr möglichen Beitrag zur Flüchtlingshilfe leisten. Die kirchliche Hilfe zeichne sich gerade durch die Vielzahl ihrer Akteure und Kompetenzen aus, heißt es in dem Leitbild. Gleichzeitig stellt es klar, dass sich die Kirche für alle benachteiligten Menschen einsetzt, etwa auch Arbeitslose und alte Menschen: Deren Anliegen und "die Bedürfnisse der Flüchtlinge und Asylsuchenden dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", hält das Papier fest.
Ein weiterer Schwerpunkt ist eine schnelle und frühzeitige Integration der Menschen anderer kultureller und religiöser Prägung, die nicht als Einbahnstraße verstanden werden dürfe: "Integration ist ein vielschichtiger und wechselseitiger Prozess, der Zuwanderer und Aufnahmegesellschaft gleichermaßen herausfordert". Hier liege eine besondere Kompetenz der Kirche. Sie verfüge über "langjährige Erfahrung in christlich-islamischen Begegnungen" und könne "Kommunikationsbrücken zwischen säkularen und religiösen Wertvorstellungen bauen."
Die Flüchtlinge müssten schnell und auf vielen Feldern an der Gesellschaft teilhaben können. "Es muss ihnen die Möglichkeit gegeben werden, unsere Sprache zu erlernen, Zugang zu Bildung zu erhalten, die für den deutschen Arbeitsmarkt notwendigen Qualifikationen zu erwerben und einen Beruf zu ergreifen", fordern die Bischöfe.
Schließlich müsse die Wahrung der individuellen Würde jedes Einzelnen im Mittelpunkt der Flüchtlingsarbeit stehen – unabhängig von Herkunft und sozialem Stand, Religion und Weltanschauung, Geschlecht und sexueller Orientierung. Jenseits aller Diskussionen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene stehe für die Kirche die menschliche Begegnung und persönliche Begleitung des Einzelnen im Vordergrund. Doch auch die Grenzen kirchlichen Engagements müssten bekannt sein. Es dürfe nicht „der Eindruck erweckt werden, dass die Kirche einen Ersatz für tragfähige sozialstaatliche und zivilgesellschaftliche Strukturen anbieten könnte."
Aus diesen Grundprinzipien kirchlicher Flüchtlingsarbeit leiten die deutschen Bischöfe ganz konkrete Schritte für die Praxis ab. Diese fassen sie in zwölf "Themenfeldern des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge" zusammen.
Themenseite: Auf der Flucht
Ob Naturkatastrophen, Armut oder Terror: Täglich verlassen Menschen ihre Heimat, um anderswo ein neues, ein besseres Leben zu beginnen. Die Flüchtlinge kommen auch nach Deutschland. Das bedeutet eine große Herausforderung für Politik, Gesellschaft und Kirche.Die rund 100.000 ehrenamtlichen Helfer (1) sollen stärker unterstützt und entlastet werden: "Gerade dann, wenn die freiwilligen Helfer mit den Grenzen ihrer Möglichkeiten konfrontiert werden und ihre Hilfsbereitschaft in Enttäuschung umzuschlagen droht, müssen ihnen kompetente Ansprechpartner zur Seite stehen." Unter dem Stichwort Seelsorge (2) will sich die Kirche weiter dafür einsetzen, dass die christlichen Flüchtlinge sich in der Kirche und den Gemeinden willkommen fühlen können. Außerdem will sie weiter nach Möglichkeiten suchen, den Ankommenden Wohnraum (3) zur Verfügung zu stellen. Kirchliche Einrichtungen und Bildungsträger wie etwa Hochschulen haben die Aufgabe, den Flüchtlingen durch Bildung und Arbeitsplätze (4,5) die gesellschaftliche Teilhabe zu erleichtern.
Außerdem will sich die Kirche besonders für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (6) und für Frauen (7) einsetzen. "Die Schutzbedürftigkeit geflüchteter Frauen muss in Kirche und Gesellschaft noch stärker als bisher wahrgenommen werden", fordern die Bischöfe. Jeder Flüchtling müsse unabhängig von seiner Herkunft Zugang zur Gesundheitsversorgung (8) haben.
Die Christen unter den Flüchtlingen (9) dürften aufgrund ihres Glaubens nicht diskriminiert werden – mit ihren Glaubensbrüdern und Schwestern fühlt sich die Kirche in ihrer Flüchtlingshilfe besonders verbunden. Gleichzeitig wollen die Bischöfe den Dialog mit Muslimen und Juden intensivieren (10).
Auch die Fluchtursachen müssten bekämpft und Hilfsprojekte im Ausland (11) unterstützt werden. Schließlich gelangten die meisten Flüchtlinge gar nicht bis nach Europa, sondern suchten in Ländern nahe ihrer Heimat Schutz. Hier sehen die Bischöfe eine "Verantwortung, die auch darin gründet, dass westliche Länder zu den desaströsen Verhältnissen in vielen Krisenregionen beigetragen haben."
Schließlich wollen die Bischöfe die politische Diskussion (12) über die Flüchtlingsfrage weiterhin kritisch begleiten. Eine Obergrenze für die Aufnahme für Flüchtlinge oder die Begrenzung des Familiennachzugs seien mit den ethischen Prinzipien des Christentums nicht vereinbar – oder, wie es die Leitsätze formulieren: "Jeder Mensch, der bei uns Zuflucht sucht, hat Anspruch auf ein faires Verfahren und eine menschenwürdige Behandlung. […] Des Weiteren kommt der Einheit der Familie eine große Bedeutung zu. Sie ist ein hohes Gut, für das wir einstehen". An diesen Grundsätzen müsse sich die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik messen lassen, schlussfolgern die Bischöfe.