Erzbischof Schick über die Kirche in Polen und den Weltjugendtag

"Schaut, dass Ihr näher zu Christus kommt!"

Veröffentlicht am 29.02.2016 um 00:01 Uhr – Von Kilian Martin – Lesedauer: 
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick im Interview mit katholisch.de am Rande der Vollversammlung der Bischofskonferenz.
Bild: © KNA
Polen

Schöntal ‐ Der Weltjugendtag in Krakau ist für Erzbischof Ludwig Schick ein besonderes Ereignis: Der Bamberger Oberhirte leitet die deutsch-polnische Kontaktgruppe der Bischöfe. Im Interview blickt er auf die angespannte Lage im katholischen Nachbarland.

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Frage: Herr Erzbischof, Sie sind Vorsitzender der deutsch-polnischen Kontaktgruppe der Bischöfe. Ist der anstehende Weltjugendtag in Krakau daher für Sie ein besonderes Ereignis?

Schick: Er ist natürlich etwas Besonderes. Unsere Kontaktgruppe hat den Auftrag, die guten Beziehungen zwischen Polen und Deutschland immer weiter voran zu bringen. Und dieser Weltjugendtag kann dabei natürlich helfen. Es ist wichtig, junge Menschen an solche Anliegen heranzuführen. Denn sie sind die Zukunft, auch für die guten Beziehungen zwischen Polen und Deutschland.

Frage: Welche Rolle spielen Sie persönlich und ihre Bischofsgruppe bei der Vorbereitung auf den Weltjugendtag?

Schick: Die Verantwortung liegt bei der Jugendkommission der Bischofskonferenz. Aber wir als Kontaktgruppe führen natürlich auch Gespräche. Uns ist es ein großes Anliegen, dass Auschwitz in den Weltjugendtag einbezogen wird. Das wird auch geschehen, indem dort viele Besuche und Begegnungen stattfinden. Auschwitz war für das deutsch-polnische Verhältnis eine große Belastungsprobe und ist es immer noch. Gerade an diesem Ort kann man die Geschichte nicht nur studieren, sondern auch innerlich wahrnehmen. Dort können gute Beziehungen wachsen, die realistisch sind, die die Vergangenheit nicht unter den Tisch fegen. Auschwitz ist ein Lernort für Versöhnung nach gewaltbelasteter Vergangenheit.

Frage: War in diesem Sinn das 50. Jubiläum des Briefwechsels zwischen deutschen und polnischen Bischöfen im vergangenen Jahr eine gute Vorbereitung?

Schick: Der Briefwechsel war die Initialzündung für die deutsch-polnische Aussöhnung insgesamt. Wir haben den Jahrestag daher nicht nur wegen des historischen Datums begangen, sondern um auch eine Bestandsaufnahme zu machen, wie sich die Beziehungen beider Völker in den fünfzig Jahren entwickelt haben. Und man kann wirklich sagen: Zum Guten, zum Positiven. Dieses Jubiläum sollte aber vor allem einen Impuls geben für die Zukunft. Ich denke, das ist alles gelungen.

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Video: © katholisch.de

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Frage: Beim Weltjugendtag kommen Jugendliche aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen zusammen. Wie schätzen Sie die polnische Gastfreundschaft gegenüber den Jugendlichen aus allen Teilen der Welt ein?

Schick: Ich habe Polen immer als sehr gastfreundlich empfunden. Ich war schon in Polen, als es den "Eisernen Vorhang" noch gab und Vieles in unseren Beziehungen ungeklärt war. Auch damals habe ich schon große Gastfreundschaft erlebt. Ich denke, der Weltjugendtag kann helfen, dass darin auch Jugendliche vor allen Dingen aus ganz Osteuropa mit einbezogen werden. Wir wollen ja ein versöhntes Europa haben, wir wollen ein Europa der Werte, des Friedens und der Einheit in Verschiedenheit aufbauen. Da kann die deutsch-polnische Beziehung wie ein Ferment wirken, das sich auf Europa ausbreitet. Wir haben noch viel Unversöhntheit und viele Spannungen in Europa. Wir müssen dran bleiben, um sie zu überwinden.

Frage: Wird der Weltjugendtag also in besonderer Weise durch deutsche Jugendliche und die deutsche Kirche geprägt?

Schick: Ich hoffe natürlich, dass ganz viele junge Menschen aus Deutschland hinfahren und gute Erlebnisse haben. Viele deutsche Diözesen haben bereits ganz konkrete Kontakte nach Polen. Ich möchte etwa die Erzdiözese Bamberg und ihr Partnerbistum Stettin nennen, oder die Bistümer Essen und Kattowitz. Solche Beziehungen können einen guten Impuls geben, sodass man sieht: Da geht ganz viel! Das ist mein sehnlichster Wunsch, wenn ich an den Weltjugendtag denke: Dass etwas vorangeht. Dass Europa ein versöhnter Kontinent wird, der aus zwei Lungen atmet, wie Papst Johannes Paul II. gesagt hat: West und Ost. Dann ist Europa wirklich ein Europa der Werte, in dem Frieden ist und von dem eine gute Entwicklung in die ganze Welt ausgeht.

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Frage: Das Bild der polnischen Gastfreundschaft, die Sie so loben, wurde in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise getrübt. Sie selbst haben vor wenigen Wochen gesagt, das Evangelium verlange von uns mehr Engagement für Flüchtlinge. Gilt das nicht auch für Polen?

Schick: Das gilt für Polen. Die polnischen Bischöfe stehen hinter Papst Franziskus, der uns aufgetragen hat, dass wir Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, aufnehmen müssen. In der Situation, die wir jetzt erleben, gibt es in allen europäischen Regierungen sehr viele Diskussionen: Wie viele können wir aufnehmen? Wer ist überhaupt Flüchtling im eigentlichen Sinn? Wie geschehen Aufnahme und Integration? Das sind aber politische Fragen. Da können die Vertreter der Kirche nicht direkt mitbestimmen, und sie sollten sich nicht als bessere Politiker aufspielen. Aber sie müssen die christlichen Grundprinzipien für eine Flüchtlingspolitik deutlich machen. Sie müssen auch im Volk für die Bereitschaft zur Aufnahme werben und helfen dass sie konkret umgesetzt wird. Wie das politisch gehandhabt wird, ist Sache der Politik.

Frage: Sie haben in einem Interview gesagt, "bei den Fragen, wie viele aufgenommen werden können, (...) gibt es unterschiedliche Meinungen. Wir reden darüber." Was haben Sie den polnischen Bischöfen gesagt?

Schick: Unterschiedliche Meinungen gibt es vor allen Dingen zwischen den Regierungen. Die Bischöfe in Polen, wie auch in Deutschland oder etwa in Frankreich, sind zunächst einmal im Gespräch mit ihren eigenen Regierungen. Und die polnischen Bischöfe machen auch ihrer Regierung deutlich, dass gelten muss, was Papst Franziskus sagt: Menschen, die wegen Gefahr für Leib und Leben kommen, müssen gastfreundlich aufgenommen werden. Dazu haben sich die Bischöfe Polens verpflichtet.

„Gott will keine Flucht und keine Vertreibung. Jeder Mensch hat das Recht auf seine Heimat. Das müssen wir immer wieder sagen.“

—  Zitat: Erzbischof Ludwig Schick

Frage: Haben Sie das Gefühl, dass die Kirche da einen positiven Einfluss auf die polnische Regierung nehmen kann?

Schick: Das kann ich nicht beurteilen. Im Augenblick ist in der polnischen Politik vieles im Fluss. Die neue Regierung muss sich mit den verschiedenen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen zunächst einmal selber finden. Ich weiß, dass die Bischöfe da auch mitwirken, um einen gesellschaftlichen Konsens zu finden. Aber die Bischöfe können in Polen nicht die Politik machen.

Frage: Wird dann das freundliche und offene Miteinander der Jugendlichen aus der ganzen Welt beim Weltjugendtag etwas ausrichten?

Schick: Das denke ich schon. Ich hoffe, dass der Weltjugendtag mit seinem Motto - "Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden" - dazu beiträgt, die Fluchtursachen in der Welt zu mindern. Flucht ist etwas, das um Gottes Willen nicht geschehen soll. Gott will keine Flucht und keine Vertreibung. Jeder Mensch hat das Recht auf "seine Heimat". Das müssen wir immer wieder sagen. Und deshalb ist es ganz wichtig, dass die Fluchtursachen bekämpft werden: Krieg, Hunger, Menschenrechtsverletzungen, Unrecht und Armut. Sie müssen aufhören. Und wenn der Weltjugendtag einen Impuls gibt für mehr Frieden, für mehr Einheit, für einen Lebensstil, der alle leben lässt, dann wird er auch in der Flüchtlingskrise indirekt einen wichtigen Beitrag leisten.

Frage: Was wollen Sie den Jugendlichen aus Deutschland und der Welt als Auftrag mit auf den Weltjugendtag geben?

Schick: Schaut, dass Ihr wieder näher zu Jesus Christus kommt! Denn in IHM findet Ihr Frieden, Barmherzigkeit, Versöhnung, Hilfsbereitschaft, Solidarität, in IHM findet Ihr Leben und gute Zukunft.

Zur Person

Ludwig Schick (*1949) ist seit 2002 Erzbischof von Bamberg. Außerdem ist er Vorsitzender der Kommission Weltkirche, stellvertretender Vorsitzender der Pastoralkommission sowie Vorsitzender der deutsch-polnischen Kontaktgruppe der Deutschen Bischofskonferenz.
Von Kilian Martin