Skispringer Freund über seinen Sport und seinen Glauben

(K)ein Überflieger

Veröffentlicht am 12.03.2016 um 12:25 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 
Sport

Neustadt ‐ Er ist buchstäblich ein Überflieger und trotzdem einer, der nicht abgehoben ist. Severin Freund, der zurzeit erfolgreichste deutsche Skispringer, hat mit katholisch.de über seinen Sport und seinen Glauben gesprochen.

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"Ich habe echt keine Ahnung wie viele Sprünge ich in meinem Leben schon gemacht habe. Aber eines bleibt immer gleich:  Vor dem Sprung binde ich zuallererst meinen linken Springschuh", erzählt der Sieger im Gesamt-Weltcup 2014/2015. Es sei wichtig für ihn, dass es Dinge gebe, die bei der ganzen Aufregung so etwas wie Normalität in die Abläufe bringen. "Und da gehören kleine Rituale, die mir vertraut sind, einfach dazu", so Freund.

Die Frage, ob er denn kurz vor dem Springen noch ein Stoßgebet in Richtung Himmel schicke, verneint der 27-jährige Spitzensportler aus Freyung in Bayern. "Ich hoffe, dass ich das, was ich beeinflussen kann, auch unter Kontrolle habe." Ein richtiger Sportsgeist also. Zweifel habe er übrigens nie. Es könne zwar immer ein Unglück passieren, aber bislang sei ja alles gut gegangen.

Kein klares Bild von Gott

Ob er an Gott glaube? "Ja, ich glaube", sagt er ohne zu  zögern. Und dann folgt ein kurzer Moment des Nachdenkens. Er habe kein klares Bild von Gott, denn die Erfahrungen, die er selber mache, seien vielschichtiger als das Bild von Gott, das er als Jugendlicher in einer christlichen Schule in Berchtesgaden vermittelt bekommen habe. "Trotzdem glaube ich daran, dass es etwas gibt, was mich hält, wenn ich abhebe und loslasse", so der Athlet.

Aufgewachsen im bayrischen Wald gibt Severin Freund gerne zu, dass er katholisch ist.  "Das geht gar nicht anders, wenn man aus der Gegend dort kommt." Obwohl er während der Saison praktisch dauernd unterwegs sei und unter Adrenalin stehe, sei er froh, dass es Menschen gebe, die sein Leben immer wieder zurück auf den Boden bringen. Seine Trainer, sein Team, seine Familie gehören wesentlich dazu.

Bild: ©Nikolai Brinckmann

Severin Freund ist einer der erfolgreichsten deutschen Skispringer und Gewinn des Gesamtweltcup in der Saison 2014/15.

Seine Mutter habe ihn am nachhaltigsten geprägt. Sie sei immer stark und für ihn so etwas wie ein Vorbild im Glauben gewesen, erzählt Freund. Sie habe ihm schon sehr früh vermittelt, dass er nicht alles selber in der Hand habe. Sie haben ihm vielmehr dazu geraten, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die im Leben Halt geben.

"Bodenständigkeit" nennt er es, oder Vertrauen. Sicher gehe auch mal etwas daneben. Wichtig dabei sei die Einsicht, dass das normal sei, so Freund, das gehöre zum Leben einfach dazu. "Ich kann nicht immer alles selbst beeinflussen. Dieser Gedanke hilft mir bis heute weiter", erklärt der Sportler. 

"Sport zu machen ist ein Privileg für mich"

Auf die Frage, wie er mit Rückschlägen oder Misserfolgen umgehe, wird er nachdenklich. "Das war früher echt ein Problem für mich. Ein echter 'Downer'. Das hat mich runtergezogen. Aus einem Rückschritt wurden dann gleich drei." Heute weiß Freund: Das bringt ihn nicht weiter. Nach dem ersten Ärger ist es sinnvoller, möglichst schnell und konstruktiv an den Ursachen zu arbeiten. "Damit es beim nächsten Mal besser wird", so Freund. Vieles hänge mit der richtigen mentalen Einstellung zusammen und dafür gebe es keine Rezepte.

Welcher Wert ihm im Sport wichtig sei?  "Fairness, ganz klar", betont der Weltmeister im Skisprung. "Sport zu machen ist ein Privileg für mich. Es macht mir Freude zu springen und ich verdiene Geld damit. Dafür bin ich dankbar." Bereits im Alter von 6 Jahren hat Severin Freund beschlossen Skispringer zu werden. 2007 startete er erstmals im Weltcup und  erlangte 2011 seinen ersten Weltcupsieg. Der Olympiasieger im Teamwettbewerb von Sotschi gehört spätestens seit dem Gewinn des Gesamtweltcups 2015 zu den besten Skispringern der Welt.

„Trotzdem glaube ich daran, dass es etwas gibt, was mich hält, wenn ich abhebe und loslasse.“

—  Zitat: Skispringer Severin Freund

Doch ihn interessiert nicht nur der Sport. Der 27-jährige Spitzensportler engagiert sich für benachteiligte Kinder. Freund unterstützt zum Beispiel die Passauer Kinderklinik und ist Botschafter für das Sozialprojekt "Right to play". Nicht weil das von ihm als erfolgreichen Sportler erwartet würde, sondern aus Überzeugung, sagt er. Über Sport und Spiel könnten Kinder in schwierigen Situationen wieder zurück zur Normalität finden, und das sei wertvoll. "Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig Sport für die eigene Entwicklung ist", erklärt der Athlet. Denn Sport und Spiel seien kein Luxus, sondern fördern Bildung, Gesundheit und das friedliche Zusammenleben, so Freund. 

Als Skispringer werde man immer von anderen unterstützt. "Es steht dann zwar einer da oben am Podest, weil er gewonnen hat. Aber das ist immer eine Teamleistung." Alleine würde das keiner schaffen, so der Sportler. "Ich mache das alles nicht nur, damit ich ganz oben stehe."  Denn nach dem größten Erfolg gehe es meistens wieder bergab, so Freund. Daher brauche man etwas, das einen auffängt. Wenn er sich dann mal wieder einen Platz auf dem Podest erkämpft hat, welche Gedanken werden ihm dann wohl zuerst durch den Kopf gehen? "Ich werde bestimmt denken, dass das sehr, sehr schön ist. Es hätte so viel schief laufen können. Und dann sage ich: Danke."

Von Madeleine Spendier