Michaela Labudda über den Beruf der Gemeindereferentin

Ein Kampf um Wertschätzung

Veröffentlicht am 15.03.2016 um 13:40 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Ein Kampf um Wertschätzung
Bild: © KNA
Kirche

Unna ‐ Viel zu tun, vielfältige Aufgabenbereiche und viel Verantwortung – aber oft fehlt die Wertschätzung. Woran liegt das? Ein Interview mit Michaela Labudda, der Vorsitzenden des Berufsverbands der GemeindereferentInnen.

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Frage: Frau Labudda, wenn sie die Aufgaben eines Gemeindereferenten mit wenigen Worten beschreiben müssten, wie würden Sie das tun?

Labudda: Da sprechen Sie direkt eine der schwierigsten Fragen an. Wir haben kürzlich eine bundesweite Umfrage unter Gemeindereferenten zu ihrem Berufsbild durchgeführt, bei der über 90 Tätigkeitsfelder zusammengekommen sind. Klassisch kennt man die Arbeit in der Katechese und in der Begleitung von Einzelpersonen oder Gruppen, Vereinen und Verbänden. Wir sind aber genauso auch in der Gefängnisseelsorge oder in der Bildungsarbeit tätig. Das klassische Berufsbild gibt es so also nicht.

Frage: Was hat es mit dieser Umfrage auf sich?

Labudda: Der Aufhänger waren die Rahmenstatuten für Gemeinde- und Pastoralreferenten, die die Deutsche Bischofskonferenz im Herbst 2011 in Kraft gesetzt hat und die jetzt noch einmal überprüft werden sollen. Die Frage war, ob diese Statuten zukunftsfähig sind und ob sie unserem Berufsbild wirklich entsprechen.

Frage: Und wie lautet das Ergebnis der Umfrage?

Labudda: Am prägnantesten war sicher die Erkenntnis, dass der Beruf viel vielfältiger ist, als in den Rahmenstatuten beschrieben. Überrascht waren wir davon, dass viele Gemeindereferenten ihre spirituelle Heimat nicht in ihrer eigenen Gemeinde sehen. Für die Bistumsleitungen bedeutet das einen großen Nachbesserungsbedarf bei der geistlichen Begleitung von hauptamtlichen Laien. Außerdem hat die Umfrage gezeigt, dass die neuen, großen Pastoralteams, die im Zuge vieler Pfarreifusionen entstanden sind, eine große Herausforderung sind. Ganz ohne eine Wertung vorzunehmen, hat das erst einmal Auswirkungen auf die Zusammenarbeit des Pastoralteams. Denn wo sich einerseits Möglichkeiten durch die unterschiedlichen Kompetenzen bieten, entsteht andererseits auch Konkurrenzverhalten und Leistungsdruck. Letztlich haben wir auch danach gefragt, wie die Gemeindereferenten dazu stehen, dass man als wiederverheirateter Geschiedener nicht mehr in unserem Beruf tätig sein kann.

Bild: ©Privat

Hubertus Lürbke und Michaela Labudda sind Vorsitzende des Bundesverbands der GemeindereferentInnen. Auf der Bundesversammlung am 11./12. März 2016 wurden beide in eine zweite Amtszeit gewählt.

Frage: Und wie sind die Antworten ausgefallen?

Labudda: Es sind erstaunlich viele Kollegen dafür, dass wiederverheiratete Geschiedene im Beruf verbleiben oder zumindest eine kirchliche Anstellung bewahren können. Sie wünschen sich generell, dass die Kirche im Bereich der privaten Lebensführung ihre Ansprüche senkt. Es zeichnet uns Gemeindereferenten aus, dass es uns – mit Ausnahme von Wiederverheirateten – in den unterschiedlichsten Familienformen gibt: verheiratet oder geschieden, mit Kind oder ohne. Als pastorale Laien spiegeln wir so die Vielfalt der Gesellschaft wider. Das ermöglicht oft eine größere Nähe zu den Ehrenamtlichen, aus deren Sicht wir "Anwälte" für ihre Anliegen sein können.

Frage: In den Rahmenstatuten von 2011 werden die Aufgabenfelder von Gemeinde- und Pastoralreferenten sehr ähnlich beschrieben. Braucht es da überhaupt beide Berufsgruppen?

Labudda: Ich halte nicht viel von diesem Konkurrenzdenken. Ich glaube, dass die katholische Kirche vielfältiger geworden ist – und das trifft auch auf die pastoralen Berufe zu. Pastorale Mitarbeiter haben mittlerweile die unterschiedlichsten Zugangswege in ihren Beruf: ein Theologie-Vollstudium, die Fachhochschule, einen Abschluss von der Fernuniversität. Manche sind auch Lehrer, die zusätzliche Praktika und Seminare absolviert haben. Die Kirche lebt von dieser Vielfalt und den unterschiedlichen Kompetenzen. Wir unterstützen das.

Frage: Und doch verdient der Gemeindereferent trotz ähnlicher Aufgaben bedeutend weniger als der Pastoralreferent…

Labudda: Das wird mit dem Zugangsweg zum Beruf begründet. Der Pastoralreferent muss ein Hochschulstudium absolviert haben. Wir plädieren allerdings dafür, dass die Tätigkeitsfelder entscheidend sein müssten. Das würde für eine gerechtere Bezahlung sorgen.

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Video: © Diözese Rottenburg-Stuttgart

Elisabeth Mack ist katholische Gemeindereferentin. Und das aus Berufung. Im Porträt stellt sie sich und ihren Beruf näher vor.

Frage: Oder braucht es einfach eine bundesweit einheitliche Ausbildung für pastorale Berufe?

Labudda: Das würde ich nicht unterschreiben. Ich glaube, dass die unterschiedlichen Zugangswege auch der Vielfalt der Tätigkeitsfelder innerhalb der Kirche entsprechen. Ein Beispiel: Ich bin in unserem Pastoralverbund unter anderem für elf Alten- und Pflegeheime zuständig. In dem Fall ist ein Gemeindereferent, der vorher bereits im sozialen Dienst tätig war, sicher besser qualifiziert, als ein reiner Theologe mit Vollstudium. Generell brauchen wir eine stärkere Professionalisierung in den Einzelfeldern. Ein guter Weg wäre vielleicht eine Basisqualifikation mit entsprechenden Zusatzqualifikationen für spezielle Tätigkeiten. Unsere Umfrage hat ergeben, dass sich einige eine Stärkung des Bereichs Organisationsmanagement, andere eher eine theologische Vertiefung wünschen.

Frage: Eine bundesweite Seelsorgestudie hat im vergangenen Jahr ergeben, dass die Gemeindereferenten die Berufsgruppe im kirchlichen Dienst sind, die sich am wenigsten wertgeschätzt fühlt. Woran liegt das?

Labudda: Das hat unterschiedliche Gründe. Einerseits wird einem als Gemeindereferent oft die Fähigkeit abgesprochen, Leitungsaufgaben zu übernehmen. Andererseits sind es am Ende doch durchschnittlich 30 Prozent unserer Zeit, die wir genau damit verbringen. Wenn das jedoch weder finanziell noch in Wort und Tat anerkannt wird, dann frustriert das natürlich. Der Gemeindereferent ist ein Brückenbauer zwischen Ehrenamt und Amtsträgern. Dieses eigentlich positive Bild unseres Berufs bedeutet gleichzeitig aber einen Spagat, der uns häufig Kritik von beiden Seiten einbringt. Wobei die Wertschätzung mittlerweile steigt – sowohl seitens der Gläubigen als auch der Bistumsleitung.

Frage: Wie kommt es, dass sich ihre Berufsgruppe die Wertschätzung so hart erarbeiten muss?

Labudda: Das hat unter anderem mit der Geschichte des Berufs zu tun. Ursprünglich hieß der "Seelsorgshelferin". Das waren Hilfskräfte, die gerne auch als "rechte Hand des Pfarrers" bezeichnet wurden. Erst später hat sich der Beruf des Gemeindereferenten als eigene Profession herausgebildet. Dennoch wissen viele Menschen noch immer nicht so genau, was ein Gemeindereferent ist und was er den ganzen Tag tut. Hinzu kommt, dass die Wahrnehmung sehr selektiv ist.

Dossier: Berufe in der Kirche

Ob Pfarrer oder Pastoralreferent, Küster oder Kirchenmusiker: Die Berufe in der Kirche sind vielfältig – und angesichts von immer größeren Pfarreien und zurückgehenden Priesterzahlen stehen sie vor großen Herausforderungen. In unserem Dossier stellen wir die einzelnen Berufsbilder vor.

Frage: Die große Mehrheit sind Gemeindereferentinnen, also Frauen. Ganz provokant gefragt: Hat die mangelnde Wertschätzung vielleicht auch damit zu tun?

Labudda: Jein. Natürlich gibt es noch den ein oder anderen Gläubigen, der mit Frauen in einem pastoralen Beruf nichts anfangen kann. Vor allem hat es aber damit zu tun, dass die Leitung von Laien nicht so wertgeschätzt wird wie die von Priestern. Das zeigen die offiziellen kirchlichen Verlautbarungen genauso wie die Reaktionen vieler Gläubiger vor Ort.

Frage: Viele Diözesen befinden sich gerade in strukturellen Umbrüchen. Welche Auswirkungen hat das auf ihren Beruf?

Labudda: Erst einmal nimmt die Kategorisierung der Arbeitsfelder zu. Es ist ein professionellerer Blick auf eine Pfarrei gefordert, wenn man auf einmal für 21.000 statt für 6.000 Katholiken zuständig ist. Außerdem steigen die Anforderungen an die Leitungskompetenz und auch die Kommunikationswege werden komplexer. Ich würde mir deshalb wünschen, dass die Weiterqualifizierung der Gemeindereferenten einen größeren Raum einnimmt, um sie für ihre künftigen Tätigkeiten zu spezialisieren.

Zur Person

Michaela Labudda ist 46 Jahre alt und Gemeindereferentin im Pastoralverband Unna (Erzbistum Paderborn). Seit 2012 ist sie Vorsitzende des Bundesverbands der Gemeindereferentinnen. Im März 2016 wurde sie wiedergewählt.
Von Björn Odendahl