Erzbischof Ludwig Schick über seinen Blitzbesuch in Damaskus

"Wir wollen keine christenfreie Zone"

Veröffentlicht am 30.03.2016 um 15:15 Uhr – Von Thomas Winkel (KNA) – Lesedauer: 
Weltkirche

Bonn ‐ Erzbischof Ludwig Schick ist zu einem Blitzbesuch nach Syrien gereist - ganze 32-Stunden dauerte die Visite. Im Interview berichtet der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz von seinen Eindrücken.

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Frage: Herr Erzbischof, Sie waren gerade im Bürgerkriegsland Syrien. Was haben Sie dort erlebt?

Erzbischof Ludwig Schick: Man sieht auf einen Blick, dass in Syrien Krieg ist. Die vielen Checkpoints überall, Straßensperren und Raketeneinschüsse lassen daran keinen Zweifel. Auf der anderen Seite gibt es auch ganz normales Leben. Die Kinder können zur Schule gehen, die Menschen gehen einkaufen. Das ist zunächst verwunderlich, aber schön.

Frage: Haben Sie selbst zu spüren bekommen, dass Sie in einem Bürgerkriegsland unterwegs sind?

Schick: Ja, natürlich. Man wird ständig kontrolliert, in bestimmte Zonen und Regionen darf niemand hinein. Man spürt, dass die Lage spannungsgeladen ist. Ich habe vieles erlebt, was im Krieg das Übliche ist, leider Gottes.

Erzbischof Ludwig Schick während eines Gottesdienstes
Erzbischof Schick unterwegs in Damaskus.
Erzbischof Ludwig Schick sitzt inmitten einer Schulklasse.
Galerie: 3 Bilder

Frage: Wie ist die Situation der Flüchtlinge innerhalb Syriens?

Schick: Es gibt viele Kriegsflüchtlinge im Land - etwa in und um Damaskus, wo es einigermaßen sicher ist. Einige habe ich getroffen, und die Caritas hilft ihnen nach Kräften.

Frage: Woran fehlt es vor allem?

Schick: Die Caritas kümmert sich um die, die gar nichts haben, und sorgt zunächst für ein Dach über dem Kopf. Die Menschen brauchen feste Unterkünfte, weil es im Moment in Syrien richtig kalt ist. Außerdem versorgen die Mitarbeiter viele Kranke. Nicht wenige leiden an Herzproblemen und psychischen Beschwerden, wie es nach Stress im Krieg typisch ist. Darunter leiden auch schon Kinder.

Frage: Manche sprechen von einem Völkermord an Christen im Nahen Osten. Tun die Kirchen hierzulande genug für ihre verfolgten Mitchristen?

Schick: Ja. Man kann natürlich immer sagen, dass man noch mehr tun könnte. Die Bischöfe, Pfarrer und Ordensleute in Syrien sind besorgt, weil so viele Christen das Land verlassen. Durch Krieg und Flucht ist ihr Bevölkerungsanteil von rund zwölf Prozent auf sechs Prozent gesunken. Das ist sehr traurig. Wir wollen keine christenfreie Zone. Aber wenn sie zu uns kommen, müssen wir sie natürlich aufnehmen und für sie sorgen.

Frage: Was muss geschehen, um die Lage der Menschen vor Ort zu verbessern?

Schick: Wo es ruhig ist im Land, brauchen die Menschen Hoffnung und Orte, wo sie ihr Herz ausschütten. Das finden sie vor allem in den Kirchen. Wir hoffen und beten, dass Frieden in Syrien einkehrt – und ermahnen ständig die Politiker, alles dafür zu tun.

Themenseite: Auf der Flucht

Die Flüchtlingskrise fordert Staat, Gesellschaft und Kirchen mit ganzer Kraft heraus. Auch die katholische Kirche in Deutschland engagiert sich umfangreich in der Flüchtlingsarbeit. Weitere Informationen dazu auf der Themenseite "Auf der Flucht".

Frage: Wie frei konnten Sie sich während Ihres 32-stündigen Aufenthaltes bewegen?

Schick: In den Gebieten, die nicht von der IS-Terrormiliz kontrolliert werden, kann man sich verhältnismäßig frei bewegen. Natürlich wird man an Checkpoints kontrolliert, aber das geht. Andere Regionen sind tabu, dort ist es zu gefährlich.

Frage: Wie kam es zu Ihrem Blitzbesuch? Das Ganze klingt etwas geheim...

Schick: Ich hatte mich schon länger dazu entschlossen, aber das musste vertraulich laufen. Viele syrische Bischöfe hatten mir signalisiert, dass sie sich alleingelassen fühlen. So bin ich zu ihnen gereist, um zu zeigen, dass die Deutsche Bischofskonferenz und damit die Gläubigen in Deutschland die syrischen Christen nicht vergessen. Das haben sie sehr positiv aufgenommen.

Frage: Sie haben auch Caritas-Mitarbeiter und junge Christen getroffen. Was hat Sie am meisten erschüttert oder beeindruckt?

Schick: Beeindruckt haben mich die Kraft und das Engagement, als Christen im Land helfen und wieder mitaufbauen zu wollen. Unglaublich viele Freiwillige packen an und leisten Großartiges, um die aktuelle Not zu lindern und für den Frieden zu arbeiten. Erschüttert haben mich Kriegserlebnisse auch von Jugendlichen.

Frage: Schildern Sie ein Beispiel?

Schick: Ein Junge erzählte, wie er mit Freunden Basketball gespielt hat – und plötzlich kam eine Rakete, die zwei seiner Freunde getötet hat. Er selbst ist noch mit dem Leben davongekommen, aber andere berichteten Ähnliches. Das ist erschütternd.

Bild: ©picture alliance / abaca

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" beherrscht einige Teile Syriens.

Frage: Wie lautet nach dieser Reise Ihre Hauptbotschaft an die Politiker in Deutschland?

Schick: Sie sollten alles daran setzen, dass die Friedensgespräche in Genf zu positiven Ergebnissen führen. Man muss einen politischen Kompromiss finden. Gefordert ist zunächst ein dauerhafter Waffenstillstand und dann ein guter Wiederaufbau nach all den Zerstörungen. Langfristig braucht es danach viele Initiativen, damit die unterschiedlichen Gruppen wieder gut miteinander leben können. Als Christen wollen wir dazu gerne beitragen.

Frage: Woran denken Sie dabei?

Schick: Die Christen haben für das friedliche Miteinander in Syrien immer eine große Rolle gespielt. Sie werden auch beim Aufbau und bei der Versöhnung eine gute und wichtige Rolle spielen können. Dazu müssen sie jetzt aber vor Verfolgung geschützt werden. Das ist nicht nur für die Christen gut und wichtig, sondern für die gesamte Gesellschaft.

Von Thomas Winkel (KNA)