Gefahren der legalen Droge Alkohol werden unterschätzt

Gutes Nikotin, böses Heroin?

Veröffentlicht am 04.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Die Hand eines unbekannten Mannes hält eine Zigarette über einen Aschenbecher; im Hintergrund steht eine Flasche Rosé-Wein.
Bild: © KNA
Sucht

Berlin ‐ Die Gefahr von legalen Drogen wie Alkohol und Nikotin wird gemeinhin unterschätzt. Diesen Schluss zieht Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) aus den Zahlen des Jahrbuchs Sucht 2013, das die DHS am Mittwoch in Berlin vorstellte. Demnach sterben jährlich zwischen 100.000 und 120.000 Menschen an den Folgen von Nikotin, 74.000 Menschen an den Folgen von Alkohol – jedoch nur 1250 an Rauschgiftmissbrauch.

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Suchtverhalten kann auch teuer werden: Allein durch die Folgen von Alkoholkonsum entgingen der deutschen Volkswirtschaft 2011 knapp 26,7 Milliarden Euro – durch alkoholbedingte Erkrankungen, Fehlzeiten oder Frühberentung. Demnach hat jeder Deutsche durchschnittlich 136,9 Liter an Alkoholika getrunken. Allem voran Bier (107,2 Liter), gefolgt von Wein (20,2 Liter), Spirituosen (5,4 Liter) und Schaumwein (4,1 Liter). Umgerechnet entfielen damit auf jeden Deutschen rund 9,6 Liter reinen Alkohols.

Kein flächendeckendes Hilfesystem

Bartsch betonte bei der Vorstellung des Jahrbuchs, zwar verfüge Deutschland über ein professionelles und stark differenziertes Suchthilfesystem. Die Schnittstellen zwischen den Hilfesystemen dürften für die Betroffenen aber nicht zu unüberbrückbaren Bruchstellen werden. Notwendig sei ein einheitliches Leistungsgesetz. Zudem müssten die Mittel zur Wiedereingliederung von ehemals Abhängigen in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt verbessert werden.

Online-Sucht-Beratung

Auch die Caritas kümmert sich um Suchtkranke. Hier geht es zur Online-Beratung der Caritas.

Positiv sei hingegen, dass immer weniger junge Menschen rauchten: "Hier setzt sich aber die erfreuliche Entwicklung fort", berichtete Bartsch. Nur noch etwa zwölf Prozent der Jungen und Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren greifen demnach zumindest hier und da zur Zigarette - so wenig wie seit 30 Jahren nicht mehr. Allerdings ist der Verbrauch von Fertigzigaretten im Jahr 2011 erstmals wieder gestiegen - um knapp fünf Prozent auf 87,6 Milliarden Stück.

Männer rauchen häufiger als Frauen

Insgesamt rauchen in Deutschland etwa zwischen 26 und 30 Prozent der Bevölkerung, je nachdem, welche Studie zugrunde gelegt wird. Dabei liegt der Anteil der Männer jeweils deutlich (sieben bis zwölf Prozentpunkte) über dem der Frauen. Im Vergleich zu den meisten anderen EU-Staaten wird hierzulande weniger geraucht - allerdings mit leicht steigender Tendenz.

Hinzu kommen laut DHS weitere 1,4 Millionen Menschen, die von Medikamenten abhängig sind. Vor allem Schlafmittel und Beruhigungsmittel, etwa Benzodiazepine, machen den Löwenanteil aus. "Ärzte verschreiben die Mittel und die Patienten denken, dass ist gut für sie. Aber sie schlucken die Mittel oft länger als notwendig, und dann kommt es zu Nebenwirkungen, die wiederum den ursprünglich zu behandelnden Symptomen entsprechen: Schlaflosigkeit oder Depression", sagte Bartsch.

Weniger Missbrauch bei illegalen Drogen

Im Vergleich dazu fallen die Zahlen beim Missbrauch illegaler Drogen deutlich kleiner aus: Schätzungsweise rund fünf Prozent der Menschen ab 15 Jahre haben binnen zwölf Monaten mindestens einmal eine illegale Droge genommen, das Gros davon Cannabis (2,4 Millionen, davon 380.000 in missbräuchlichem Ausmaß), rund 645.000 konsumierten andere illegale Drogen. (mir/KNA/dpa)

Stichwort: Sucht

Alkohol, Tabak, illegale Drogen, Glücksspiel: Es gibt zahlreiche Substanzen und Erlebnisse, die den Menschen süchtig machen können. Um festzustellen, ob jemand abhängig ist, greifen Experten auf verschiedene Kriterien zurück. Dazu gehören zum Beispiel der Zwang oder ein starkes Verlangen, Alkohol zu trinken oder etwa Medikamente zu nehmen. Hinzu kommen Entzugserscheinungen, wenn die Menge reduziert oder der Konsum eingestellt wird. Wer weitermacht, obwohl der Körper schon geschädigt ist sowie seinen Beruf und die Familie vernachlässigt, kann süchtig sein. Viele Süchte entwickeln sich über einen langen Zeitraum und sind individuell verschieden. (dpa)