Joachim Valentin über Meinungsfreiheit und die Türkei

Kein Fußbreit der türkischen Demokratur

Veröffentlicht am 12.04.2016 um 00:01 Uhr – Von Joachim Valentin – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Joachim Valentin über Meinungsfreiheit und die Türkei

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"Böhmermann-Schmähgedicht: Türkisches Strafbegehren bringt Merkel in die Bredouille". Eine solche Spiegel-online-Schlagzeile hätte man sich so noch vor wenigen Monaten in der deutschen Presse nicht vorstellen können. Denn beinahe alle Variablen im heiklen Feld zwischen Türkei und EU, vor allem Deutschland, aber auch im Verhältnis zwischen Politik und kritischer Öffentlichkeit, hier wie dort, haben sich in den letzten Jahren rasant verschoben.

Während zu Beginn von Erdogans atemberaubender Karriere vor knapp zehn Jahren alle Fachleute für eine Aufnahme der Türkei in die EU plädierten, weil hier plötzlich menschenrechts- und religionspolitisch Positives vermeldet werden konnte, hielten damals große Teile der CDU, Angela Merkel inklusive, eisern an der Position "Die Türkei gehört nicht in die EU" fest. Inzwischen ist Erdogan vom Größenwahnsinn seiner laizistischen Vorgänger, namentlich Kemal Atatürk, infiziert, hat sein gesamtes Umfeld von Kritikern gesäubert, bekämpft wieder Kurden und andere Minderheiten, vor allem seinen ehemaligen Gefährten Fethullah Gülen und dessen Hizmet-Bewegung, mit allen Mitteln, die sein zur Demokratur umgebauter Staat ihm an die Hand gibt, und schert sich kaum mehr um Menschenrechte. Auch nur der Gedanke an eine EU-Mitgliedschaft der Türkei verbietet sich inzwischen also wieder streng.

Eine kritische Medienöffentlichkeit, die in der Türkei nicht mehr existiert, gibt es hingegen in Deutschland, wo die Aktivitäten der Bundesregierung rund um die "Flüchtlingsfrage" aufmerksam beobachtet werden. heute show, "NDR Extra3", Jan Böhmermanns satirische Late-Night-Show "Neo Magazin Royale" und inzwischen auch Didi Hallervorden ziehen durch den Kakao, was die Spatzen von den Dächern pfeifen:

Keine strategische Notlage rechtfertigt ein Schwächeln in Fragen der Meinungsfreiheit gegenüber Staaten, deren Rechtstaatlichkeit derart unterminiert wird, wie dies in der Türkei aktuell der Fall ist. Das versteht auch Recep Tayyip Erdogan, wenn die Kanzlerin es ihm nur sagt und das türkische Strafbegehren zurückweist, ohne sich in ihrer Flüchtlingspolitik beirren zu lassen.

Der Autor

Joachim Valentin ist Direktor des katholischen Kultur- und Begegnungszentrums "Haus am Dom" in Frankfurt am Main und stellvertretender Vorsitzender des Frankfurter Rates der Religionen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Joachim Valentin